Bochum. Nach dem historischen Sieg gegen den FC Bayern schaut Trainer Thomas Reis schon auf das Stuttgart-Spiel. Spannungsabfall soll es nicht geben.

Als Bochum aufwachte am Sonntagmorgen, rieb sich manch ein VfL-Fan noch ungläubig die Augen. „War wohl wirklich kein Traum!“, twitterte am Tag nach dem unwirklich anmutenden Triumph flugs die Social-Media-Abteilung des Bundesliga-Aufsteigers. Darunter ist ein Foto mit der Anzeigetafel im Ruhrstadion zu sehen, aufgenommen am Samstag, 12. Februar, gegen 17.25 Uhr. VfL Bochum vier. FC Bayern zwei. Ein Stück Vereinsgeschichte, ganz real.

Mit Leidenschaft und, was noch beeindruckender war, viel Spielfreude hatte der Aufsteiger dem Rekordmeister vier Tore eingeschenkt in der ersten Halbzeit. Das war Bochum noch nie gelungen in 77 Duellen mit den Bayern. „Es war“, schwärmte Kapitän Anthony Losilla nach dem 4:2 (4:1)-Fest, „ein fantastischer Nachmittag.“

Auch der Trainer feiert: Thomas Reis.
Auch der Trainer feiert: Thomas Reis. © dpa | Bernd Thissen

Trainer Thomas Reis verneigte sich nach dem Schlusspfiff kurz vor den euphorisierten Fans, 8500 durften pandemiebedingt nur dabei sein, auf den Sitzen hielt es kaum jemanden. Von der ersten bis zur letzten Minute stresste der wie aufgedreht spielende VfL den behäbigen FCB mit energischer Zweikampfführung, Bochum brach über seine schnellen Außenangreifer Gerrit Holtmann und Christopher Antwi-Adjei immer wieder durch.

Zauber-Schlenzer von Gerrit Holtmann

Antwi-Adjei (14.), Jürgen Locadia per Handelfmeter (38.), Cristian Gamboa mit einem fulminanten Schuss in den linken Winkel (40.) und Gerrit Holtmann mit einem zauberhaften Schlenzer in den rechten Winkel (44.) verzückten mit teils traumhaften Toren. 4:1 zur Pause. Eine Show.

Den vier Treffern vorausgegangen war eine Szene, deren Folge VfL-Trainer Reis als wichtigsten Schlüssel zum Sieg einstufte. Bochum war zwar sofort gut drin im Spiel, aber Weltfußballer Robert Lewandowski hatte den Gast trotzdem in Führung gebracht (9.). Im Hinspiel, beim 0:7 in München, war der VfL nach dem ersten Nackenschlag noch in seine Einzelteile zerfallen. Diesmal nicht. „Wir haben weiter mutig gespielt, aktiv verteidigt und versucht, den Bayern Paroli zu bieten“, erklärte Reis. „Daran erkennt man unsere gute Entwicklung.“

Die Entwicklung steht bei Reis über dem Einmal-Erlebnis, und sie ist seit dem ja ebenfalls historischen 0:7 die Basis für nun 28 Punkte und Platz elf in der Tabelle. Gemeinschaftliche Defensivarbeit ohne Schnörkel steht seitdem oben auf dem Matchplan, zu sehen am Samstag in der zweiten Halbzeit, als Bochum nur noch Lewandowskis 2:4 (75.) zuließ. Spielerische Elemente in der Offensive sind hinzugekommen, Rückschläge werfen den VfL nicht mehr prompt aus der Bahn.

Gegen den FC Bayern zeigt der VfL Bochum seine beste Saisonleistung

Zuletzt hatte Bochum auch gegen Köln (2:2 nach 1:2) und bei Hertha BSC (1:1 nach 0:1) nach Rückständen zumindest noch einen Punkt geholt – gegen Bayern gelang nun sogar fast alles, was an vielen Tagen in dieser kunstvollen Form eben nicht gelingt. „Nach dem Rückstand sind wir sehr gut zurückgekommen“, lobte Sport-Geschäftsführer Sebastian Schindzielorz. „Wir haben fantastische Tore erzielt, unser Herz auf dem Platz gelassen, uns in die Bälle geschmissen und darüber hinaus auch ansehnlich gespielt.“

Beste Saisonleistung, erstmals vier Tore erzielt in dieser Saison, erstmals seit 18 Jahren mal wieder die Bayern besiegt – „es ist ein Feiertag, den jetzt alle genießen dürfen“, sagte Reis. An diesem Montag aber ist die Party beendet, geht die Trainingsarbeit weiter. Ohne Bayern-Bonus: „Ich werde die Jungs auf den Boden der Tatsachen holen.“

Auch interessant

Reis hat bereits das nächste Spiel im Blick. In Stuttgart kann man den Tabellen-17. am Samstag (15.30 Uhr/Sky) mit einem Sieg wohl entscheidend distanzieren. „Wir haben die Chance, einen großen Schritt zu machen. Dafür müssen wir wieder voll fokussiert sein“, sagt Reis.

Spannung bei Konkurrent VfB Stuttgart hochhalten

Ausruhen könne sich niemand – Reis setzt auch auf den Konkurrenzkampf auf fast allen Positionen. Gegen Bayern etwa wurden Takuma Asano, Milos Pantovic und Sebastian Polter nur eingewechselt, alle drei stellen Startelf-Ansprüche. Eduard Löwen und Danny Blum zählten nicht einmal zum Kader.

Bis auf Simon Zoller und Torwart Manuel Riemann, der sich nach seiner Corona-Infektion aber Mitte der Woche freitesten könnte, sind alle Bochumer einsatzbereit. Eine Situation, die dazu führen soll, dass der nächste Entwicklungsschritt gelingt. Nach dem mental herausfordernden und wie einen Sieg gefeierten 1:1 gegen Dortmund im Dezember gab es beim Abstiegskonkurrenten Bielefeld ein böses Erwachen, zeigte Bochum beim 0:2 seine enttäuschendste Saisonleistung.

Diesen Spannungsabfall will Reis nicht noch einmal erleben. 28 Punkte seien eine gute Basis, um „unser großes Ziel Klassenerhalt zu erreichen“. Mehr noch nicht. Der VfL-Trainer neigt nicht zum Träumen.

Auch interessant