Bochum. 15 Jahre spielte er für den VfL Bochum, am Samstag kehrt Andreas Luthe mit Union Berlin zurück. Ein Interview über Keeper, Klubs, Verbundenheit.
Andreas Luthe wechselte 2001 von Borussia Velbert, aus seiner Heimatstadt zum Talentwerk des VfL Bochum. Dort stieg der heute 34-Jährige zum Profi auf. Luthe absolvierte 169 Pflichtspiele für den VfL in der 1. und vor allem 2. Bundesliga sowie im DFB-Pokal. Nach 15 Jahren beim VfL, im Sommer 2016, wechselte er zum FC Augsburg in die Bundesliga, vier Jahre später zu Union Berlin.
Im Team von Trainer Urs Fischer ist Luthe seitdem die Nummer eins, verpasste in der Vorsaison nur drei, in dieser Spielzeit gar kein Bundesligaspiel. Mit Union kehrt Luthe am Samstag (15.30 Uhr) erstmals seit dem Abschied vom VfL wieder auf den Rasen des Ruhrstadions zurück. Zuvor sprach er mit Redakteur Ralf Ritter über seine Verbundenheit zum VfL, Manuel Riemann, die Erfolge mit Union, Gemeinsamkeiten, soziale Projekte.
Hallo Herr Luthe, spüren Sie schon ein besonderes Kribbeln?
Andreas Luthe: „Wegen der Englischen Woche konnte ich bis zum Donnerstag noch gar nicht so viel darüber nachdenken, dass es jetzt nach Bochum geht. Aber nach dem 0:0 gegen Freiburg kommt nun die Vorfreude. Es ist definitiv ein besonderes Spiel für mich. Beim VfL habe ich mein halbes bisheriges Leben verbracht. Ich habe immer gesagt: Einmal VfLer, immer VfLer. Ich freue mich sehr auf dieses Spiel.
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Sie wollen aber sicher keinen Punkt verschenken.
Wir haben ein tolles Jahr hingelegt. Wir haben uns erstmals für einen europäischen Wettbewerb qualifiziert. Wir stehen jetzt mit 24 Punkten auf Platz acht. Wir wollen dieses besondere Jahr mit einem Sieg in Bochum auch erfolgreich beenden.
Auch der VfL hat ein tolles Jahr hingelegt. Wie haben Sie die Entwicklung verfolgt, wie bewerten Sie diese?
Sofern es zeitlich machbar ist, verfolge ich jedes Spiel vom VfL. Die Bochumer haben verdient den Aufstieg geholt, sie haben eine etwas schwierige Startphase in der Bundesliga gut gemeistert, den Schwung vom Aufstieg nicht verloren, sind jetzt richtig gut angekommen. Der VfL hat eine gute Mischung im Spiel. Sie spielen unbekümmert Fußball, aber auch geradlinig nach vorne mit richtig viel Tempo. Sie haben mit Sebastian Polter vorne einen drin, der Körperlichkeit mitbringt. Sie haben nicht von ungefähr bereits 20 Punkte geholt.
Was erwarten Sie für ein Spiel?
Es treffen zwei Teams aufeinander, die dem jeweils anderen alles abverlangen werden. Ich rechne mit unheimlich vielen Duellen, mit einer sehr intensiven Partie, die immer in die eine oder andere Richtung kippen könnte. Wir sind schon etwas länger, seit drei Jahren in der Bundesliga. Wir haben eine Truppe, die top eingespielt ist. Bochum spielt zuhause und wird alles daransetzen, seine Heimstärke zum Jahresabschluss noch einmal zu zeigen. Der VfL wird auch definitiv den Klassenerhalt schaffen – am Samstag aber gehen die Punkte nach Berlin.
Dann müssten Sie vielleicht Patrick Fabian ein Stück weit trösten, mit dem Sie damals zusammenspielten. Er ist nun Assistent der Geschäftsführung. Pflegen Sie noch Kontakte zu ihm, zu anderen Bochumern?
Luthe: Es ist schon einige Zeit her, dass ich in Bochum war, aber zu einigen habe ich noch Kontakt. Mit Patrick Fabian zum Beispiel bin ich befreundet. Und ich freue mich natürlich unheimlich auf Andi Pahl (Zeugwart, Anmerkung die Redaktion). Er ist auch ein sehr unangenehmer Gegenspieler übrigens. Wenn der auflaufen würde, hätten wir ein Problem (lacht).
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Okay, dieses Problem bleibt Union vermutlich erspart. Ein anderes könnte Manuel Riemann heißen. Ihr Torwartkollege, der Sie damals als Nummer eins verdrängt hat in Bochum, hat in den letzten Heimspielen einige Punkte festgehalten. Wie ist Ihr Verhältnis, wie sehen Sie seine Entwicklung?
Wir hatten damals beim VfL ein gutes Verhältnis, das ist bis heute so. Manu hat eine tolle Entwicklung gemacht, er ist ein Riesenfaktor für die Mannschaft. Überhaupt hat der VfL ein starkes Torwart-Team. Mit Michael Esser habe ich ja auch zusammengespielt und gemeinsam unter Peter Greiber trainiert.
Gibt es Gemeinsamkeiten zwischen Union Berlin und dem VfL Bochum - sportlich, strukturell?
Auf jeden Fall. Der VfL steht für eine einzigartige Fußballkultur, Union Berlin auch. Es sind beides Traditionsvereine, die sich mit deutlich weniger finanziellen Mitteln als viele Konkurrenten in der Bundesliga auf ihre Art behaupten müssen. Zum Beispiel gegen die unmittelbare Nachbarschaft: Wir gegen Hertha, Bochum gegen Dortmund und Schalke. Beide Mannschaften leben von ihrer Geschlossenheit, in vielen anderen Bereichen können sie mit anderen Bundesligisten nicht mithalten. Beide zeigen, dass man mit Willen viel erreichen kann. Geld ist vieles, aber nicht alles.
Auch deshalb mutet es immer noch wie ein Märchen an, dass Union die Conference League erreicht hat in der Vorsaison. Dank eines Treffers in der Nachspielzeit von Max Kruse zum 2:1-Sieg gegen Leipzig. Sonst wäre Mönchengladbach Tabellensiebter geworden.
Das war definitiv ein kleines Wunder, das uns bis zum letzten Spieltag niemand richtig zugetraut hat. Das Spiel gegen Leipzig zeigte alles auf, wofür wir stehen. Wir wussten nicht, wie es auf den anderen Plätzen steht. Wir haben einfach alles rausgehauen. Wir wollen immer unser Spiel spielen, wir glauben an unsere Chance - egal, wer der Gegner ist. Dieser 2:1-Sieg war für mich der schönste sportliche Moment meines Lebens, der wird nur schwer zu toppen sein.
In der Conference League lief es nicht ganz nach Wunsch.
Europäisch zu spielen, war für den ganzen Klub eine Riesen-Herausforderung. Das hat Union Berlin sehr gut gemeistert, zumal wir in der Bundesliga auch auf Kurs geblieben sind. In der Conference League hat uns am Ende ein Tor gefehlt, um weiterzukommen. Die Runde war trotzdem ein Erfolg für den Klub, ein starkes Erlebnis auch für mich als Spieler.
Zurück zur Bundesliga, zum Samstag. Ist denn auch eine längerfristige Rückkehr zu ‚Ihrem‘ VfL vorstellbar?
Ich bin Vereinsmitglied, das werde ich auch mein Leben lang bleiben. Ansonsten gilt: Sag niemals nie.
Sind Sie denn oft in Bochum?
Meine Familie lebt in NRW. Ich habe viele Kontakte aus meiner Augsburger Zeit in Bayern. Ich lebe in Berlin. Da tanze ich auf drei Hochzeiten. Wir hatten viele Englische Wochen durch den Europapokal, viele Reisen. Viel Zeit für Abstecher nach Bochum gab es da nicht.
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Vielleicht Weihnachten?
Ich bin optimistisch, dass ich Weihnachten mit meiner gesamten Familie an einem Ort verbringen kann. Das hängt auch davon ab, wie sich die Pandemie entwickelt.
Andreas Luthe: Mitgründer von „In Safe Hands“ ist sozial vielfältig engagiert
Andreas Luthe hat neben seiner Karriere Betriebswirtschaft und Wirtschaftspsychologie studiert. Der 34-Jährige ist ein meinungsstarker Spieler, der über den Tellerrand des Fußballspiels hinausblickt. So war es keine Überraschung, dass Luthe als Vertreter der Athleten-Vertretungen VDV/Spielerbündnis in der in der Pandemie entstandenen „Task Force“ Profifußball mitwirkte. Eine Interessensvertretung aus vielen Bereichen (Fans, Wirtschaft, Spieler u.a.), die nun auf die Umsetzung ausgearbeiteter Maßnahmen seitens der DFL setzt, etwa beim Thema Fan-Nähe und Nachhaltigkeit.
Seit jeher ist Luthe sozial sehr engagiert. Er gründete mit Jonas Ermes, ebenfalls Ex-Torwart des VfL, „In Safe Hands“. Der bereits vielfach preisgekrönte Verein fördert in zahlreichen Projekten Talente und Persönlichkeit von Kindern, vermittelt Werte wie Authentizität und Vielfalt. Auch in Bochum und Augsburg initiierte Luthe Projekte an Schulen und bei Vereinen mit, etwa „Bunter Ball“ und „Aus Fremd wird Freund“.
In Safe Hands wächst und will noch mehr Kinder erreichen
Die Pandemie, der Lockdown traf auch die Arbeit von „In Safe Hands“. „Aber wir haben es mit unserem starken Team und unseren Partnern, die uns weiter finanziell unterstützt haben, geschafft, gut durch die Pandemie zu kommen. Es gab im Lockdown digitale Angebote für die Kinder, die wir betreuen. Mit der Öffnung der Schulen konnten wir dann sofort wieder richtig loslegen. Wir wachsen, und nach unserem Plan für 2022 wollen wir noch mehr Kinder erreichen als bisher.“ Etwa 2000 Kinder haben von dem Hilfsprojekt bereits profitiert.
Ein Patzer mit lilla Handschuhen dient am Ende der guten Sache
Auch bei einzelnen Aktionen nutzt Andreas Luthe seine Bekanntheit, um für die gute Sache einzustehen. Etwa bei der globalen „PurpleLightUp“-Kampagne am Internationalen Tag für Menschen mit Behinderungen vor einigen Wochen. Mit lila Sonderhandschuhen setzte Luthe ein Zeichen – und kassierte beim 2:1-Sieg gegen Leipzig das 1:1 nach einem Patzer. Dadurch gerieten seine lila Handschuhe noch mehr in den Fokus der Medien. Luthe: „Mir haben die Handschuhe zwar kein Glück gebracht. Aber wenn sie den Menschen, auf die ich aufmerksam machen wollte, umso mehr Glück bringen, bin ich absolut zufrieden.“