Bochum. Das 0:3 gegen RB Leipzig deckt gnadenlos die Schwächen des Aufsteigers auf. Bochum muss nun gegen Gegner punkten, die auf Augenhöhe sind.

Auf der nächtlichen Heimfahrt von Sachsen ins Revier sei es „ruhig“ gewesen im Mannschaftsbus des VfL Bochum, sagte Trainer Thomas Reis wenige Stunden nach dem 0:3 bei RB Leipzig. Direkt nach der vierten verdienten Auswärtsniederlage im vierten Auswärtsspiel war das anders.

Manuel Riemann, der mit Ehrgeiz vollgepumpte Torwart, knöpfte sich beim TV-Sender Sky seine Kollegen vor. In der Kabine soll es in Abwesenheit des sich den Interviews stellenden Coaches viel Diskussionsbedarf gegeben haben. Miese Stimmung beim Tabellenvorletzten.

Torhüter Riemann hielt Bochum lange im Spiel

Riemann ließ seinem Frust freien Lauf, wie schon nach dem 0:0 gegen Stuttgart in der Vorwoche. Er kritisierte unter anderem Mittelfeldspieler Elvis Rexhbecaj, der seine Anweisung nicht umgesetzt habe. „Wenn es einen Disput gab, klären wir das intern“, sagt Reis dazu.

Bochums Trainer Thomas Reis muss nun Fertigkeiten als Teambuilder unter Beweis stellen. Im Stamm des Aufsteigers rumort es.
Bochums Trainer Thomas Reis muss nun Fertigkeiten als Teambuilder unter Beweis stellen. Im Stamm des Aufsteigers rumort es. © Getty | Unbekannt

Riemann, Bochums Bester, hatte den Aufsteiger lange im Spiel gehalten. Leipzig hatte Bochum in den ersten 15 Minuten nach individuellen Fehlern des überforderten Innenverteidigers Armel Bella-Kotchap (19), der Routiniers Robert Tesche (34), Anthony Losilla (35) und auch Riemann (33) selbst schwindelig gespielt, aber nicht bestraft.

Bochum kontrolliert, Silva trifft für Leipzig

Auch, weil ein Foulelfmeter per VAR-Entscheid zurückgenommen wurde und ein Schuss von Emil Forsberg nur an die Latte krachte. Am Ende der ersten und in der zweiten Halbzeit aber kam Unruhe auf bei RB – auf den Rängen wie auf dem Platz. Bochum kontrollierte die Partie.

 Dann köpfte der gerade eingewechselte Andre Silva nach einer Ecke völlig frei im Fünfmeterraum das 1:0 (70.). Riemann wütete: „Bei Leipzig laufen vier Spieler nach, die den Ball über die Linie stolpern, von uns steht genau keiner da. Das ist einfach zu wenig. Bei einer Ecke weiß ich schon, dass ich mein eigenes Tor verteidigen muss. Aber offenbar nicht alle, keine Ahnung.“ Wobei, das sagte Riemann nicht, der Fünfmeterraum auch eine Zone für einen Torwart ist. Zudem zweifelte er an der Mentalität: Bei „zehn, vielleicht auch nur acht“ Spielern seien „die Köpfe runtergegangen“.

RB mit drei Nackenschlägen binnen neun Minuten

Es folgten flott das 2:0 und 3:0 von Christopher Nkunku nach Umschaltmomenten und schwacher Defensive. Drei Nackenschläge binnen neun Minuten. „Das darf uns nicht passieren, die Tore fallen viel zu einfach“, kritisierte Reis. Schon in Köln und München sowie gegen Hertha kassierte der VfL nach dem ersten schnell das zweite Gegentor. Das müsse sich schleunigst ändern, sagte der Trainer.

Die öffentliche Riemann-Schelte aber wird nachhallen beim VfL – andere Maßnahmen auch. Das Team präsentiert sich derzeit nicht als Team, Reservisten inbegriffen. Trainer Reis verpasste fünf einsatzfähigen Profis einen kräftigen Denkzettel: Zwei Plätze im Kader ließ der Trainer lieber frei, „weil ich den für mich bestmöglichen Kader für Leipzig nominiert habe“, so Reis vage.

Der Leipziger Christopher Nkunku (r.), hier im Duell mit dem Bochumer Armel Bella-Kotchap, sorgte mit seinen beiden Toren für den 3:0-Endstand.
Der Leipziger Christopher Nkunku (r.), hier im Duell mit dem Bochumer Armel Bella-Kotchap, sorgte mit seinen beiden Toren für den 3:0-Endstand. © Getty | Unbekannt

Beim VfL rumort es auch innerhalb des Stamms

Das lässt tief blicken. Tarsis Bonga, Raman Chibsah, Saulo Decarli, Soma Novothny und der einstige Torjäger Silvere Ganvoula haben sich im Training nicht einmal für die Bank empfohlen. Ganvoula (25), dessen einstiger Marktwert in den Keller gerauscht ist, ist mit dem Kongo nun auf Länderspielreise.

Auch innerhalb des Stamms rumort es, nicht nur bei Torwart Riemann. Reis hatte zwei überraschende Wechsel vorgenommen. Für Sebastian Polter stürmte Takuma Asano. Der Japaner rannte viel, hatte aber keine Durchschlagskraft.

Trainer Reis muss die Gruppe wieder einen

Für Eduard Löwen (24) kehrte Robert Tesche ins Mittelfeldzentrum zurück, weil er gegen Leipzig einen besseren Kopfball- und Umschaltspieler benötigt habe, so Reis. Tesche enttäuschte wie beim 0:7 in München. Auch mit Tesche und Löwen wird der Trainer unter vier Augen sprechen.

Denn Reis braucht einen starken Stamm, der zusammenhält. Anders kann Bochum die Liga nicht halten, da herrscht Konsens. Reis muss die Gruppe mit all seinen verschiedenen, auch schwierigen Charakteren wieder zusammenführen.

Jetzt geht es zum Kellerduell gegen Fürth

Seinen Mut verloren hat er längst nicht. Bei aller Kritik haben seine Aufsteiger bei drei Champions-League-Klubs auswärts verloren, in Wolfsburg, Bayern und Leipzig, zudem in Köln. Zuhause präsentierte sich Bochum stärker. Vier Punkte sind das Resultat – zu wenig. Jetzt, am 16. Oktober, geht es nach Fürth. Letzter gegen Vorletzter.

Da fällt der Geburtstag weitgehend aus. Heute wird Thomas Reis 48 Jahre. Nachmittags ist Training. „Natürlich wird jetzt viel Druck aufgebaut“, sagt er vor dem Schlüsselspiel. „Wir müssen einige Dinge ändern und jetzt gegen Gegner punkten, die auf Augenhöhe sind.“