Bochum. Nach dem 0:3 richtet Bochums Trainer Reis den Blick auf das Schlüsselspiel in Fürth. Viele enttäuschten in Leipzig, Lichtblicke gab es aber auch.
Die erste Halbzeit hat sich Thomas Reis zuerst vorgenommen. Er hat sie bereits ein-, zweimal auf Video betrachtet bis zum Sonntagmittag. „Es war ernüchternd, wie einfach wir es Leipzig gemacht haben, zu Chancen zu kommen“, sagte der Trainer des VfL Bochum nach dem 0:3 beim Vizemeister RB Leipzig am Samstagabend zur Anfangsphase.
Die zweite Halbzeit, die Gegentore standen dann später auf der To-Do-Liste von Reis, der am heutigen Montag 48 Jahre alt wird. Für ihn eine Nebensache: Er wird arbeiten. Und sein Team zum Training bitten samt Aussprache und Analyse nach der vierten Auswärtsniederlage im vierten Spiel. Redebedarf gibt es genug. Das wurde nicht nur durch den öffentlichen Wutausbruch von Torwart Manuel Riemann am Sky-Mikro für alle hörbar.
Bella-Kotchap ist von der Rolle, auch Routiniers patzen
Die ersten 15 bis 30 Minuten überstand der VfL nur mit viel Dusel, Leipziger Unvermögen, einem umstritten nach VAR-Entscheid nicht gegebenen Elfmeter, einem Lattenschuss und einem stark parierenden, in der Spieleröffnung aber ebenfalls unkonzentrierten Manuel Riemann im Tor.
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Innenverteidiger Armel Bella-Kotchap, am Samstag taktisch, im Zweikampf, im Stellungsspiel und bei der (selten vorhandenen) Standfestigkeit völlig von der Rolle, griff zweimal viel zu hoch und erfolglos an. Robert Tesche, erneut schwach, und der etwas bessere Anthony Losilla sorgten mit Querpässen zum Gegner für zwei der gefürchteten Leipziger Umschaltmomente der schnellen Christopher Nkunku, Yussuf Poulsen, Emil Forsberg.
Herausgespielt ohne eigenes Zutun aber war nur ein RB-Flankenlauf mit abschließendem Kopfball von Poulsen, meint Reis – der Rest war hausgemacht und mit „Schlafmützigkeit“ ganz gut beschrieben.
Drei Gegentore in neun Minuten: „Das darf uns nicht passieren“
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Warum dem VfL das auswärts immer wieder widerfährt, ist eine Frage, die es zu klären gilt bis zum nächsten, dem wichtigen Auswärtsspiel beim Schlusslicht Greuther Fürth. Ein anderes sind die Gegentore und das Einbrechen nach dem ersten Nackenschlag. Das schnelle 0:2 und 0:3 nach dem 0:1, drei Treffer binnen neun Minuten, „das darf uns nicht passieren“, meinte Kapitän Losilla und zeigte sich damit wortgleich wie sein sachlich analysierender Trainer Reis, wie sein grollender langjähriger Mitspieler Riemann.
Beim ersten Gegentor in einer Phase, in der Bochum die Partie gegen zunehmend verunsicherte Gastgeber im Griff und zwischenzeitlich selbst zwei Chancen hatte durch Losilla und Gerrit Holtmann, übersah Bochum den frisch eingewechselten Andre Silva im Fünfmeterraum. Nach einer Ecke köpfte er ein. „Darauf waren wir vorbereitet“, ärgerte sich Reis maßlos, dass die Umsetzung anders aussah. Zu viele Bochumer deckten vor dem ersten Pfosten, die Lücke zwischen dem nächsten Abwehrblock war zu groß, von hinten schob keiner nach, auch Torwart Riemann ging nicht dazwischen.
Viele Fehler von vielen Spielern beim 0:2 und 0:3
Beim 0:2 wurde Silvas Pass in die Tiefe nicht verhindert, deckte das Mittelfeldzentrum, gegen Leipzig als Ensemble mit Losilla, Tesche und Elvis Rexhbecaj zu schwach und zu langsam, nicht konsequent. Und Bella-Kotchap drehte sich zur falschen Seite. Christopher Nkunku sagte danke und kurz darauf erneut, als auch Riemann eine Mitschuld trug, weil er zu weit aus seinem Tor marschiert war.
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Drei Gegentore in neun Minuten zerstörten so eine gute Phase bei einem auf dem Papier ja übermächtigen Gegner. „Es ist sehr ärgerlich, dass wir das Spiel im Rahmen unserer Möglichkeiten lange offen gehalten haben und dann drei Tore schlucken müssen“, sagte Reis.
„Im Rahmen unserer Möglichkeiten“ ist dabei mit Bedacht formuliert: Leipzig spielt individuell in einer anderen Liga. Und die Alternativen, die Bundesliga-Format mitbringen, sind recht rar. Auf fünf Profis verzichtete Reis sogar freiwillig.
Tesche für Löwen war diesmal kein guter Griff
Eduard Löwen soll eigentlich helfen in dieser Saison. In München (Zweikampfquote: 11 Prozent) und, bei klarem Formanstieg, gegen Stuttgart waren seine Zweikampfwerte nicht gut bis ganz schwach. Reis setzte beim Topteam Leipzig auch deshalb auf Tesche, der kopfballstärker ist und besser umschaltet, so Reis. Beim Tempo aber kann er nicht mithalten – diesmal kein glücklicher Griff.
Letztlich also stand ein 0:3, weil der eingewechselte Sebastian Polter drei gute Chancen zum Ehrentreffer in der Schlussphase vergab. Ein verdientes und standardgemäßes, nach dem Spielverlauf aber auch unnötiges 0:3, nach dem „wir alle enttäuscht sind“, sagte Sport-Geschäftsführer Sebastian Schindzielorz.
Bockhorn, Soares, Masovic zeigen sich stabil
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Lange Trübsal blasen will Trainer Reis aber nicht. Sondern sehen, wer für die Partie in Fürth die Mentalität und Klasse mitbringt, dem Druck standzuhalten, auswärts erstmals zu punkten. Dabei helfen Lichtblicke aus Leipzig: Die Außenverteidiger Herbert Bockhorn und Danilo Soares überzeugten, auch Innenverteidiger Erhan Masovic zeigte eine vergleichsweise stabile Leistung.
Die Außenstürmer Gerrit Holtmann und Christopher Antwi-Adjei mühten sich, konnten ihr Tempo aber nicht entscheidend ausspielen. Takuma Asano rannte enorm viel als Anläufer im Angriffszentrum, es fehlte aber die Durchschlagskraft, auch Robustheit.
Patrick Osterhage feiert sein Bundesliga-Debüt
Vielleicht war dann trotz der Niederlage Patrick Osterhage der Bochumer, der noch recht zufrieden nach Hause fuhr. Der 21-jährige Mittelfeldspieler feierte in den letzten Minuten seinen ersten Bundesliga-Einsatz. „Er hat sich das mit seinen Trainingsleistungen verdient“, sagt Trainer Reis. „Jetzt muss er so weitermachen und sich weiter anbieten.“ Dann könnte er zu den vier Etablierten im Zentrum eine weitere Alternative werden, auch für die Startelf.
Ab Montag wird Reis sein Team vorbereiten auf das Kellerduell am 16. Oktober, am Donnerstag soll ein Testspiel stattfinden. Nur am kommenden Wochenende ist frei. Allerdings fehlen neben den Verletzten, darunter nach wie vor der schmerzlich vermisste Innenverteidiger Maxim Leitsch, auch fünf Profis, die auf Länderspielreisen sind. Darunter Takuma Asano (Japan) und Konstantinos Stafylidis.
Stafylidis ist wieder fit und geht auf Länderspielreise
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Der Grieche war am Freitag angeschlagen und daher nicht im Aufgebot in Leipzig. Am Samstag konnte er mit den weiteren gesunden Daheimgebliebenen aber unter Frank Heinemann trainieren - und tritt die Länderspielreise an, so Reis.
Der Coach will mit allen anderen die Partie analysieren, Fehler klar ansprechen, aber auch das Gute mitnehmen aus Leipzig. Druck, sagt der Trainer, sei vorhanden vor dem Spiel bei den Franken. Den aber „hat Fürth auch“. Mit einem Punkt liegt die Spielvereinigung drei Zähler hinter Bochum.