Bochum. Corona ändert für den Ex-VfL-Bochum-Torwart Thomas Ernst und die Familie viel: Lockdown, schwere Infektion - und Weihnachten in Bochum.
Ein Tannenbaum schmückt das Wohnzimmer der Familie Ernst. Vater Thomas, Ex-Profi-Torwart, und Sohn Tjark, Jugendnationaltorwart und U19-Keeper des VfL Bochum, haben ihn ausgesucht. Es ist eine Premiere. „Wir waren sonst über die Weihnachtstage immer unterwegs bei den Eltern und Schwiegereltern“, erklärt Kerstin Pohlmann-Ernst. Im Rhein-Main-Gebiet, in Wiesbaden, in Frankfurt. Diesmal findet Weihnachten zuhause statt, in Bochum. Eine Folge der Corona-Pandemie.
Das Coronavirus prägte und prägt auch bei der Fußballerfamilie Ernst das Leben in diesem Jahr. Mutter Kerstin, 48, Deutsche Meisterin und dreimalige DFB-Pokalsiegerin mit dem FSV Frankfurt, und Vater Thomas, Ex-Torwart unter anderem des VfL Bochum sowie ehemaliger Sportvorstand des VfL, sind Ende Oktober an Covid-19 erkrankt. Bei Kerstin Pohlmann-Ernst gab es nur vergleichsweise milde Symptome, auch wenn sie noch eine starke Müdigkeit verspürt. Ihren Mann hat es stärker erwischt. Beide Eltern konnten daheim bleiben. Zwei Wochen in Quarantäne.
Corona: Thomas Ernst hofft, dass die Infektion in zwei bis drei Monaten ausgestanden ist
An Sport ist für Thomas Ernst, der am 23. Dezember seinen 53. Geburtstag feiert, aber bis heute nicht zu denken. Der einstige Leistungssportler klagt über Atemprobleme. Seine Stimme ist hörbar angeschlagen, er nimmt Medikamente. In zwei bis drei Monaten, erklärt er den ärztlichen Befund, soll die Lunge frei von Schatten sein. „Ich denke, dass ich die Krankheit dann komplett überstanden habe“, sagt er hoffnungsfroh.
Seine zwei Söhne haben sich zum Glück nicht infiziert. Auch nicht in der anstrengenden Zeit der elterlichen Quarantäne. Lasse (14), C-Junioren-Fußballer der DJK TuS Hordel, und Tjark (17), Torwart der Bundesliga-U19 des VfL Bochum, mussten lernen, bei den eigenen Eltern in der eigenen Wohnung auf Distanz zu gehen.
Auch innerhalb der Familie herrschte plötzlich Maskenpflicht
Abstand halten war oberstes Gebot, man nutzte verschiedene Bäder und setzte Masken auf, wenn sich Eltern und Söhne mal näher kamen und trafen zum Quatschen. Und: „Wir haben ständig gelüftet“, erzählt die Mutter.
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Tjark wurde und wird alle paar Tage auf das Coronavirus getestet, er ist in die Testung der VfL-Profis integriert. Der 17-Jährige gilt als eines der größten Torwart-Talente in Deutschland. Was ihm wie fast allen anderen jungen Spielern fehlt im Coronajahr: „Spielpraxis“, sagt er sofort.
Tjark Ernst darf bei den Bochumer Profis trainieren - es fehlt aber Spielpraxis
Zumal er sich lange vor der Covid-19-Krise, im August 2019, einen knöchernen Muskelabriss am Beckenkamm zugezogen hatte. Nach vier Monaten Pause war er erst im Februar ins Tor zurückgekehrt. Drei Spiele absolvierte er noch für die B-Junioren, ehe der erste Lockdown kam. Auch die U17-Europameisterschaft – Tjark Ernst stand im Kader der deutschen Nationalmannschaft – wurde abgesagt. „Das war schon bitter“, sagt er.
Immerhin: Tjark Ernst durfte bis zur Sommerpause komplett bei den Profis mittrainieren, lernte bei den Einheiten mit Manuel Riemann, Patrick Drewes, Paul Grave viel dazu. „Das bringt mich weiter, es macht Spaß“, sagt das Talent.
Auch einen Lehrgang mit der U18-Nationalmannschaft im Sommer absolvierte er, und die ersten drei U19-Spiele hat er als Jungjahrgang mit Erfolg absolviert, hat mit der A-Jugend dreimal gewonnen. Dann kam der zweite Lockdown.
Tjark macht im Frühjahr seine Prüfungen zum Fachabi
Seitdem ist er immer mal wieder beim Zweitligisten im Training und darf ansonsten mit sechs weiteren U19-Spielern, die in die regelmäßigen Testung integriert sind und ab und an bei den Profis mittrainieren, Einheiten absolvieren. Wobei die Schule, wie Tjark Ernst betont, nicht vernachlässigt wird: Im April/Mai 2021 stehen am Klaus-Steilmann-Berufskolleg die Prüfungen zum Fachabitur an.
Sein oberstes Ziel liegt auf der Hand: „Ich will mich weiter entwickeln und später auch bei den Profis durchsetzen“, sagt Tjark Ernst.
Kerstin und Tjark Ernst sind für Thomas Ernst fußballerisch besser als er
Wie die Mutter, wie der Vater, der seine Kerstin nach einer 1:7-Niederlage des FSV Frankfurt in Hannover kennenlernte – an diesem Tag im Jahr 1995 wurde die Abwehr- und Mittelfeldspielerin mit dem FSV Frankfurt Deutsche Meisterin. „Sie kann halt deutlich besser kicken als ich“, sagt der Vater schmunzelnd, der allein für den VfL Bochum 71 Erst- und Zweitliga-Spiele bestritt.
Das gilt auch für seinen Sohn: „Tjark ist deutlich weiter als ich es in meinem Alter war“, sagt Thomas Ernst. „Ich habe es ja nicht mal in die Hessen-Auswahl geschafft.“ Vor allem fußballerisch sei Tjark, für den Manuel Neuer das sportliche Vorbild ist, stärker.
Stolz sind die Eltern auf ihre Söhne, Druck aber gab es nie: Fußball sei „unabhängig von Erfolg oder Misserfolg einfach ein toller Sport und ist deshalb immer ein großes Thema bei uns“, sagt Kerstin Pohlmann-Ernst.
Die Eltern verfolgen die Karriere ihrer talentierten Söhne leidenschaftlich, aber auch gelassen
Die Eltern begleiten und fördern die Karriere ihrer Kinder, sie sehen die Spiele, „die wir zurzeit schon sehr vermissen“, sie diskutieren über Szenen – aber sie fordern nichts. „Wir sind sehr zurückhaltend und gelassen, wir lassen ihn machen“, sagt Thomas Ernst über Tjark, der mit 1,93 Meter das gleiche Gardemaß erreicht hat wie der Vater.
Tjarks Talent sei ihm tatsächlich in die Wiege gelegt und nicht auferlegt worden, betont Kerstin Pohlmann-Ernst. Als Baby krabbelte er mit Ball durch die Wohnung, schmiss sich wie ein kleiner Keeper noch bevor er laufen konnte. Von Kleinauf wollte er Torwart werden, erzählt Tjark, der bereits mit acht Jahren von Arminia Bochum zum VfL wechselte. Und er hofft, bald wieder mit seinen Eltern, seinem Bruder über gute und schlechtere Szenen diskutieren zu können – dann darf er wieder spielen und nicht nur trainieren.
Und dann wäre auch Covid-19 hoffentlich weitgehend besiegt.
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Zu den Personen:
Thomas Ernst, der am 23. Dezember seinen 53. Geburtstag feierte, wurde in Wiesbaden geboren. Der ehemalige Torwart spielte unter anderem von 1995 bis Anfang 2001 für den VfL Bochum (71 Einsätze), zudem für Eintracht und FSV Frankfurt, den VfB Stuttgart und Kaiserslautern. In seiner VfL-Zeit lebte er mit Ehefrau Kerstin Pohlmann-Ernst einige Jahre in Bochum.
Von 2008 bis 2011 war er drei Jahre lang Sportvorstand des VfL Bochum, seitdem wohnt die Familie mit den Söhnen Tjark und Lasse ununterbrochen in Bochum. „Bochum ist nicht unsere Heimat, aber wir fühlen uns hier sehr wohl und zuhause. Wir mögen den Menschenschlag, die offene, direkte Art der Bochumer“, sagt Thomas Ernst, der hauptberuflich seit zwei Jahren nicht mehr im Fußballgeschäft tätig ist, sondern mittlerweile für die Deutsche Vermögensberatung arbeitet.
Kerstin Pohlmann-Ernst, 48, war erfolgreiche Abwehr- und Mittelfeldspielerin des FSV Frankfurt. Gemeinsam mit ihrer Zwillingsschwester Dagmar Pohlmann holte sie zahlreiche Titel, darunter die Deutsche Meisterschaft 1995 und drei DFB-Pokalsiege im Berliner Olympiastadion.
Dort durfte auch Sohn Tjark bereits spielen. Bei einem Länderspiel mit der U16-Nationalmannschaft gegen Frankreich waren 20.000 Schüler im Olympiastadion – bisher seine Rekordkulisse.
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