Bochum. Im Interview mit der WAZ erklärt Thomas Reis, Cheftrainer des VfL Bochum, seine Pläne, Wünsche, Ziele und was er von neuen Spielern erwartet.

Es ist Sommerpause in der 2. Liga, der Transfermarkt nimmt langsam an Fahrt auf. Thomas Reis, Cheftrainer des Zweitligisten VfL Bochum, stellte das Handy mal kurz auf lautlos und nahm sich die Zeit für ein Interview mit der WAZ. Der 46-jährige Coach erklärt den Erfolg nach dem Re-Start und spricht über seine Wünsche und Ziele für die nächste Spielzeit, die am 18. September starten soll.

Herr Reis, gut zwei Wochen nach dem Saisonende: Haben Sie sich schon ein bisschen erholt?

Thomas Reis: Mir kommt es so vor, dass unser letztes Spiel erst vor zwei Tagen abgepfiffen wurde. Es war eine sehr lange, intensive Saison auch für mich bei meiner ersten Station als Trainer eines Profiteams. Wir hatten lange mit dem schwachen Saisonstart zu kämpfen. Nach der Corona-Pause haben wir gezeigt, was möglich ist, wenn das Team als Einheit funktioniert.

Der VfL ist mit 18 Punkten aus neun Spielen sogar Re-Start-Meister der 2. Liga geworden. Was nehmen Sie Positives mit in die nächste, auch wegen der Corona-Pandemie weiterhin sicherlich erneut herausfordernde Saison?

Reis: Die Art und Weise, wie wir nach dem Re-Start aufgetreten sind. Dass wir uns als Team gefunden haben, dass sich die Spieler untereinander akzeptieren und respektieren. Es müssen nicht alle befreundet sein, aber man muss als Mannschaft funktionieren, jeder muss für den anderen da sein. Wir müssen unsere zuletzt gezeigte Mentalität beibehalten. Wichtig waren hierfür die ersten beiden Spiele, der überzeugende Sieg gegen Heidenheim und, fast noch wichtiger, das 0:0 in Karlsruhe. Beim KSC hatten wir das Spiel in der ersten halben Stunde aus der Hand gegeben. Wir haben dann aber den Willen ausgestrahlt, dass wir trotzdem gewinnen können. Es hat ein gemeinsames Umdenken stattgefunden. Vor der Corona-Unterbrechung hatte man zu oft das Gefühl, dass wir eine Blockade im Kopf haben, etwas verlieren zu können, vor allem nach einer Führung. Das hat uns viele Punkte gekostet. Jetzt sind wir mit den Gedanken aufgetreten, etwas gewinnen zu können. Zudem haben wir an den Abläufen gearbeitet, vor allem im Defensivverhalten. Jeder wusste genau, wie er sich zu verhalten hat. So haben wir es für eine Zeit geschafft, als Mannschaft auch den verletzungsbedingten Verlust unserer drei Topscorer Danny Blum, Silvere Ganvoula und Simon Zoller zu kompensieren. Andere sind in die Bresche gesprungen. Jeder hat gesehen, dass jeder ersetzbar ist.

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Sie sprechen stets davon, das Team weiterentwickeln zu wollen. Was muss besser werden?

Reis: Wir müssen zum Beispiel noch variabler werden im Positionsspiel, in der taktischen Grundordnung. Daran werden wir in der Vorbereitung arbeiten. Jeder hat individuelle Trainingspläne bekommen, es gibt Anfang August Leistungstests, und dann wollen wir schnell und viel mit dem Ball arbeiten. Auch die Spielphasen können wir noch besser gestalten, zum Beispiel indem wir im richtigen Moment mal das Tempo herausnehmen. Ob wir im 4-2-3-1 oder 4-3-3 oder auch mal mit einer Dreierkette agieren, ist zweitrangig, die Grenzen sind fließend. Entscheidend ist: Offensiv gibt es Freiheiten, defensiv klare Aufgaben für jede Position. Die Defensivarbeit gewinnt Spiele. Zudem wollen wir dominant auftreten, dem Spiel unseren Stempel aufdrücken, was in der 2. Liga nicht immer einfach ist. Wir haben aber nach der Pause schon gezeigt, was gemeinsam möglich ist. Das Wichtigste war und bleibt dafür die Mentalität. Niemand darf vergessen, warum wir nach der Coronapause erfolgreich waren, wie viel Schweiß dafür geflossen ist. Jedem muss von Anfang an klar sein, dass wir keinen Schritt weniger machen dürfen, auch nicht im Training.

Thomas Reis nach dem wichtigen 2:1-Sieg in Dresden noch vor der Coronapause.
Thomas Reis nach dem wichtigen 2:1-Sieg in Dresden noch vor der Coronapause. © firo Sportphoto/ PICTURE POINT /

22 Feldspieler stehen unter Vertrag. Es gibt noch Bedarf. Sie sagten, Ihr Telefon steht nicht still...

Reis: Viele, sehr viele Berater rufen an, wollen ihre Spieler ins Rampenlicht stellen, das gilt für Sesi (Sebastian Schindzielorz, Sportgeschäftsführer, Anmerkung der Redaktion) genauso. Sesi und ich stehen in ständigem Austausch. Ich habe richtig Bock, zum ersten Mal eine Profimannschaft mitgestalten zu können. Unsere Achse steht ja schon. Aber wir hatten auch Abgänge, und wir benötigen frisches Blut, um den Konkurrenzkampf hoch zu halten. Wir wollen die Mannschaft jetzt punktuell noch weiter verstärken. Der Anfang ist gemacht.

Als Trainer hat man so seine Wünsche. Nämlich?

Reis: Die wichtigste Entscheidung ist gefallen, Danilo Soares hat seinen Vertrag verlängert. Daran hat auch Sesi einen großen Anteil. Dass Danilo für vier Jahre unterschrieben hat, zeigt die gegenseitige Wertschätzung und ist auch ein Signal für andere Spieler. Danilo fühlt sich mit seiner Familie hier wohl und hat gesehen, was wir leisten können. Mit Tarsis Bonga haben wir einen jungen, schnellen Stürmer aus Chemnitz verpflichtet, der bei uns den nächsten Schritt machen will.

Es gibt aber noch weitere Baustellen im Kader.

Reis: Dass wir Vasileios Lampropoulos halten wollen, ist kein Geheimnis. Wenn das klappt, wären wir mit Vasili, Maxim Leitsch, Saulo Decarli, Armel Bella-Kotchap und Dominik Baumgartner in der Innenverteidigung schon sehr gut besetzt. Natürlich benötigen wir einen Back-up für Cristian Gamboa als Rechtsverteidiger und einen zweiten Stoßstürmer, der Silvere Ganvoula Konkurrenz macht. Jordi Osei-Tutu ist zunächst zum FC Arsenal zurückgekehrt. Wir müssen abwarten, ob er wieder zu uns kommt. Jordi wäre perspektivisch in der Lage, die gesamte rechte Bahn zu spielen, nicht nur offensiv. Grundsätzlich halten wir auf allen Positionen unsere Augen offen, auch im Mittelfeldzentrum, auf den offensiven Außenbahnen. Hier haben wir mit Tarsis Bonga bereits einen Spieler geholt, der sich in der 3. Liga durchgesetzt hat, der viel Athletik, Tempo, Robustheit mitbringt, der aber auch noch entwicklungsfähig ist. Als Trainer wünscht man sich natürlich, sein Team möglichst früh zusammen zu haben. Man muss aber sehen, was finanziell möglich und machbar ist.

Welche Qualitäten muss ein Zugang denn vor allem mitbringen?

Reis: Er muss sich zwingend mit dem Verein und seinem Umfeld beschäftigt haben. Bei einem Traditionsverein wie dem VfL Bochum kann es auch mal unruhig werden. Darauf muss ein Spieler vorbereitet sein, er muss dem Druck standhalten können. Es ist schwer für einen Verein wie den VfL, einen fertigen Spieler zu verpflichten, der am besten beidfüßig, schnell, technisch stark ist. Es geht mehr um Spieler, die bei uns den nächsten Schritt machen, die wir weiter entwickeln können. Wir brauchen also Spieler, die auch richtig Bock haben, sich weiter entwickeln zu lassen.

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Gegner und Saisonstart stehen fest, die Vorbereitung startet am 3. August. Auch 2020/21 wird wegen der Corona-Pandemie keine normale Saison, der Kader ist noch nicht komplett. Können Sie trotzdem schon ein Ziel formulieren?

Reis: Sicher ist: Die Liga wird wieder sehr eng, man muss in jedem Spiel zu 100 Prozent da sein. Ich stecke mir grundsätzlich immer sehr hohe Ziele. Aber man muss auch realistisch sein. Mindestens sechs, sieben, acht Mannschaften haben einen höheren Etat, beim Hamburger SV dürfte er etwa doppelt so hoch sein. Da kann man nicht von vornherein sagen, dass wir mit dem HSV oder Fortuna Düsseldorf mithalten müssen. Wir wollen die Großen ärgern, wollen diese Spiele gewinnen. Aber realistisch betrachtet kann das Ziel zunächst nur sein, uns im Rahmen unseres Budgets im Vergleich zu den anderen Vereinen zu platzieren, auch wenn das jetzt defensiv klingen mag. Wenn alles perfekt zusammenpasst, ist immer alles möglich. Aber dann muss eben auch alles perfekt passen. Ich habe jedenfalls richtig Bock darauf, die Mannschaft sechs Wochen lang gut vorzubereiten.

Machen Sie denn jetzt noch ein paar Tage Urlaub?

(lacht) Mein Handy wird für Sesi immer an sein. Ich plane aber, ein paar Tage an den Chiemsee zu fahren.