Bochum. Hans-Peter Villis, Vorstandsvorsitzender des VfL Bochum, äußert sich im Interview über Folgen der Corona-Krise, Trainer Reis und Chancen.

Hans-Peter Villis ist Vorstandsvorsitzender des VfL Bochum. Im Interview mit dieser Redaktion spricht er über die finanziellen Folgen der Corona-Krise, den sportlichen Erfolg, Transfers.

Herr Villis, der VfL Bochum ist Re-Start-Meister. Sind Sie überrascht?

Hans-Peter Villis: Wir sind sehr zufrieden, wie sich die Mannschaft sportlich entwickelt hat. Dass Qualität vorhanden ist, war uns bewusst. Das Kernziel für unseren neuen Trainer Thomas Reis lautete, dass die Mannschaft zusammenwachsen muss. Das hat funktioniert.

Thomas Reis’ Vertrag läuft noch bis zum Ende der kommenden Saison. Wird er bald verlängert?

Villis: Wir haben Thomas Reis nicht als Feuerwehrmann geholt, sondern weil wir mit ihm nachhaltig zusammenarbeiten wollen. Er hat als ehemaliger Spieler und langjähriger Trainer im Nachwuchsbereich die DNA des VfL. Er ist einer, der für etwas steht. Wir sind ständig im Austausch. Aber auch er weiß, in welcher Situation der Verein durch die Corona-Pandemie finanziell steckt. Es gibt noch viele Unwägbarkeiten bei den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Eine Konstante ist, dass Thomas Reis noch einen Vertrag für ein weiteres Jahr hat. Daher arbeiten wir zunächst andere Dinge ab.

Sportlich hat der VfL die Corona-Krise bravourös gemeistert. Und wirtschaftlich?


Villis: Wir sind froh, dass die Liquidität gesichert ist, auch durch die Zahlungen der vierten Rate des TV-Geldes. Am schlimmsten trifft es uns, dass wir ohne Zuschauer spielen müssen. Unsere Fans fehlen uns, nicht nur finanziell. Wir werden als Folge der Corona-Krise im Geschäftsjahr (1. Juli 2019 bis 30. Juni 2020, Anm. d. Red.) einen Millionenverlust schreiben. Wie hoch er genau ausfallen wird, kann man noch nicht sagen. Es wird den VfL Bochum aber nicht zur Insolvenz führen. Wir konnten den Verein in den letzten Jahren konsolidieren und haben daher auch etwas Flexibilität.

Mit Maske: Hans-Peter Villis (r.) mit Sport-Geschäftsführer Sebastian Schindzielorz (l.) bei der Verabschiedung von Patrick Fabian am vergangenen Sonntag. Foto:
Mit Maske: Hans-Peter Villis (r.) mit Sport-Geschäftsführer Sebastian Schindzielorz (l.) bei der Verabschiedung von Patrick Fabian am vergangenen Sonntag. Foto: © firo Sportphoto | firo Sportphoto/Ralf Ibing

Wie viele Klinken mussten Sie putzen, damit der Verein die Krise übersteht?

Villis: Gespräche mit Sponsoren sind in erster Linie Aufgabe unserer Geschäftsleitung, bei einigen Treffen war ich dabei, manchmal ist das hilfreich. Es ist toll, dass viele Sponsoren auf Rückerstattungen verzichtet haben. Fast alle Sponsoren bleiben uns treu. Wir haben aber auch Verständnis für unsere Partner, die durch die Krise selbst in eine schwierige Situation geraten sind. Zudem hat uns sehr gefreut und geholfen, dass rund 2.000 Dauerkarten-Inhaber auf Rückzahlungen verzichtet haben. Unsere Fans haben uns auch bei anderen Aktionen wie dem Verkauf von Sondertrikots sehr unterstützt. Zudem haben bekanntlich Mannschaft, Trainer und Geschäftsleitung auf Teile ihres Gehalts verzichtet. Wir mussten Kurzarbeit einführen, wobei wir das Gehalt für die Betroffenen entsprechend aufgestockt haben. Keiner der rund 70 Mitarbeiter musste oder muss um seinen Job fürchten. Wir fahren im Juli die Kurzarbeit in einigen Bereichen zurück, unter Berücksichtigung der gesundheitlichen Vorschriften. All das ist von den Fans, Sponsoren, Mitarbeitern sowie dem Team ein Riesenzeichen der Verbundenheit und Treue zum VfL. Allerdings reicht es noch nicht, um die finanzielle Lücke zu schließen. Ganz wichtig war es daher, dass unsere Geldgeber uns vertrauen und den Kontokorrentrahmen erhöht haben.

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Also werden neue Schulden die Zukunft des VfL belasten.

Villis: Sie müssen zurückgeführt werden, es gibt einen höheren Zinsaufwand. Sie führen aber nicht dazu, dass unser Eigenkapital zum Ende der Saison aufgezehrt sein wird. Derzeit gibt es noch viel Unsicherheit, viele Fragen sind ungeklärt. Um zwei Beispiele zu nennen: Wann spielen wir wieder vor Fans? Welche Veranstaltungen dürfen in der Stadtwerke Bochum LOUNGE stattfinden? Die Antworten darauf liegen nicht in unserer Hand. Hier sind wir auf die Politik, die Gesundheitsbehörden, die DFL, Sponsoren, Freunde und Fans angewiesen. Aber auch wenn es bis zum Jahresende weiterhin nur noch Spiele ohne Zuschauer geben sollte, was wir nicht hoffen, würden wir die Herausforderungen meistern. Wir hatten schon im März sogar einen Liquiditätsplan erstellt, der die Szenarien eines Abstiegs in die 3. Liga und Geisterspiele bis zum Jahresende beinhaltet, also den allerschlimmsten Fall. Selbst in diesem Fall wäre der VfL nicht von der Existenz bedroht gewesen.

Zählt zum Plan, hoch gehandelte Spieler wie zum Beispiel Silvere Ganvoula verkaufen zu müssen, um Transfererlöse zu erzielen?

Villis: Nein, wir müssen keinen Spieler verkaufen. Noch weiß man auch nicht, wie sich der Transfermarkt entwickelt.

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Und umgekehrt? Wie ist der Finanzrahmen für die Mannschaft, für Neuzugänge abgesteckt? Derzeit hat der VfL 22 Spieler unter Vertrag für 2020/21, der Etat für die laufende Saison beträgt rund 12 Millionen Euro.

Villis: Viel ausgeben für Ablösesummen können wir nicht. Aber es gibt ja auch andere Möglichkeiten. Beim letzten Heimspiel gegen Fürth haben wir zwar zehn Spieler verabschiedet. Bei dem einen oder anderen hoffen wir aber, ihn wieder hier begrüßen zu dürfen. Zudem hat sich unser schon lange eingeschlagener Weg, verstärkt auf unser Talentwerk zu setzen, erneut als richtig erwiesen. Der Lizenzspieleretat soll in etwa in der jetzigen Größenordnung bestehen bleiben, erhöht wird er sicher nicht. Wir müssen aber einige Entscheidungen noch abwarten. Zum Beispiel, wo wir am Ende in der Tabelle landen, auch wegen des Fernsehgeldes.

Auch ein Investor könnte helfen. Oder ist die Suche auf Eis gelegt?

Villis: Wir haben uns sportlich gefestigt, die finanziellen Rahmenbedingungen geschaffen. Aber wir leben in einer Pandemie. Da steht die Investorensuche nicht oben auf der Prioritätenliste. Generell ist gerade nicht der Markt für den Einstieg eines Investors vorhanden.

Wann rechnen Sie mit einer Rückkehr zur Normalität?

Villis: Das Entscheidende ist aus meiner Sicht, dass ein Impfstoff gegen Covid-19 gefunden wird. Wir würden uns über jede Möglichkeit freuen, das Vonovia Ruhrstadion auch vorher wieder mehr und mehr füllen zu dürfen. Aber die Gesundheit unserer Mitarbeiter und Fans steht immer an erster Stelle. Dann lassen wir lieber noch ein paar Monate ins Land ziehen, um das Virus nachhaltig zu besiegen.