Stuttgart/Bochum. Die Trainersuche läuft beim VfL Bochum, der Zweitligist ist nur Siebzehnter, und Lee droht länger auszufallen. Eine Bilanz des Fehlstarts.
Zwei Punkte aus fünf Spielen, Abstiegsplatz 17: Bochums Sport-Geschäftsführer Sebastian Schindzielorz wollte nach dem achtbaren, aber erfolglosen 1:2 in Stuttgart keine gute Miene zum bösen Spiel machen. „Wir müssen von einem Fehlstart sprechen. Es gilt, uns neu zu sortieren.“
Nach der Länderspielpause geht es gegen Dresden, in Sandhausen, gegen Darmstadt und in Heidenheim darum, den Anschluss ans Mittelfeld nicht zu verlieren. Ein neuer Trainer soll nach der Beurlaubung von Robin Dutt möglichst noch in dieser Woche präsentiert werden. „Die Qualität der Entscheidung“, so Schindzielorz, habe dabei aber Vorrang vor Geschwindigkeit. Sechs Aspekte nach fünf Partien.
1: Trainersuche: Ein Moderator und Motivator ist gesucht
Ein genaues Profil wollte Schindzielorz in der Nacht zu Stuttgart nicht erklären. Der neue Mann soll ein „gewisses Standing“ mitbringen, heißt es. Er muss den Spielern neues Selbstvertrauen geben, wie es Kapitän Anthony Losilla formulierte. Er muss die Spieler zu einem Team einen, das sich gegen den Abstieg wehrt.
Längerfristig, wenn man davon im Profifußball noch reden mag, soll er den VfL weiter nach oben bringen, die offensiv ausgelegte Spielphilosophie weiterführen und jüngere Spieler auch aus wirtschaftlicher Sicht so entwickeln, dass sie einen höheren Marktwert haben. Zudem sollte er mit den aktuellen Co-Trainern harmonieren, allen voran mit Interims-Coach Heiko Butscher, der als Mann der Zukunft gilt beim VfL.
Eine Mischung aus Moderator, Motivator und Entwickler ist also gefragt. Namen sickerten von VfL-Seite nicht durch, spekuliert wurde bisher über Hannes Wolf, Jens Keller, Markus Kauczinski. Aber auch einer wie Markus Anfang (45), der mit Kiel und Köln in der 2. Liga erfolgreich war, wäre denkbar. Unter anderem.
2: Transfers - die Abgänge
Elf Spieler haben den VfL nunmehr verlassen, nennenswerte Transfererlöse erzielte der VfL dabei nicht, sportlich die größten Verluste sind Lukas Hinterseer und Jan Gyamerah (beide HSV). Der von Ex-Trainer Robin Dutt aussortierte Stefano Celozzi zählt indes ebenso weiter zum VfL-Kader wie einige Profis, die zuletzt keine große Rolle spielten: Görkem Saglam, Jan Wellers, Robert Tesche zum Beispiel.
3: Transfers – die Zugänge: Nur Ganvoula ist ein Volltreffer
Von den sieben Neuzugängen hat bisher keiner restlos überzeugt. Weitere Transfers kamen auch aus wirtschaftlichen Gründen nicht zustande, das Budget sei ausgereizt, hieß es am Rande des Spiels in Stuttgart aus Vereinskreisen. Für Silvere Ganvoula, Saulo Decarli und Danny Blum nahm Bochum Geld in die Hand hat, zusammen über eine Millionen Euro. Zudem stehen Ex-Trainer Robin Dutt und Ex-Manager Christian Hochstätter noch auf der Gehaltsliste.
Janelt fährt etwas verspätet zur U21
Die Reisegruppe VfL Bochum verabschiedete sich bereits am Montagabend wieder aus Stuttgart. Vitaly Janelt trat die „Heimreise“ nicht mit an. Der defensive Mittelfeldspieler, der bei der 1:2-Niederlage durchgespielt hatte, machte sich stattdessen auf den Weg zur U21-Nationalmannschaft. Die traf sich bereits am Montag in Zwickau. Dort testet sie dann auch am Donnerstag (5.) um 18.15 Uhr gegen Griechenland. Am Dienstag (10. September) beginnt in Wales die EM-Qualifikation. Janelt ist einer von 19 neuen Spielern im Team von Trainer Stefan Kuntz. Nur vier Akteure aus dem aktuellen Kader haben bereits ein U21-Spiel für den DFB bestritten.
Eingeschlagen hat nur Silvere Ganvoula, den der VfL nach einem Jahr Ausleihe fest verpflichtet hat. Der Stürmer (sechs Pflichtspieltore) hängt sich voll rein, mit seiner Physis und Wucht ist er eine Waffe. Ganvoula, gebunden bis 2023, ist zuzutrauen, dass er auch im Abschluss noch stabiler wird.
Wintzheimer und Osei-Tutu sind nur ausgeliehen - keine Kaufoption
Fällt Ganvoula aus, hat der VfL ein veritables Problem. Ob Manuel Wintzheimer, der am Montag vom HSV ausgeliehen wurde bis zum Saisonende, eine Verstärkung wird, muss sich noch zeigen. Genau wie bei Jordi Osei-Tutu, ausgeliehen vom FC Arsenal, hat der VfL keine Kaufoption. Die beiden 20-Jährigen müssen also in dieser Saison eine spürbare Hilfe sein.
Osei-Tutu wurde als Rechtsverteidiger geholt, mittlerweile spielt er rechts offensiv, was ihm besser behagt. Taktische Defizite im Defensivverhalten bleiben ein Manko. In Stuttgart musste er nach einem Tritt nach dem Spiel behandelt werden. Ein Urteil über Cristian Gamboa zu fällen, der in Stuttgart als Rechtsverteidiger sein Debüt gab, käme zu früh. Beim VfB offenbarte er Schwächen im Stellungsspiel.
Die Defensive bleibt ein großes Sorgenkind
Saulo Decarli ist neben dem gesetzten „Linken“ Danilo Soares noch der stabilste Verteidiger, fehlte aber auch schon verletzt, schwankt in seinen Leistungen. Ebenso wie Simon Lorenz. Die Defensive bleibt ein großes Sorgenkind. Armel Bella-Kotchap, der Jungprofi aus der eigenen Jugend, ist zwar weiterhin viel zuzutrauen, nach seinen Patzern gegen Wiesbaden aber gilt es, den 17-Jährigen in schwieriger Zeit behutsam aufzurichten. Offensiv konnte Danny Blum arg selten Akzente setzen. Torwart Patrick Drewes hat den Kampf um die Nummer eins gegen Manuel Riemann vorerst verloren.
4: Potenzielle Leistungsträger sind nicht in Form oder verletzt - Lee in Südkorea
Potenzielle Leistungsträger wie Sebastian Maier und Danny Blum zünden nicht, beide gingen in Stuttgart verletzt vom Feld: Maier klagte über Adduktorenprobleme, Blum laborierte an einem stark geschwollenen Knöchel. Ob und wie lange sie ausfallen, steht noch nicht fest.
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Zu den Hoffnungsträgern der Saison zählten auch Thomas Eisfeld, Tom Weilandt, Simon Zoller, Chung-Yong Lee. Alle fehlten schon verletzt oder sind es noch. Stand jetzt ruhen viele Hoffnungen auf den Comebacks von Zoller, einem Charakterspieler, und Lee, der die wohl sicherste Ballbehandlung und Übersicht im Team hat. Während Zoller gegen Dresden wieder dabei sein könnte, sieht es bei Lee (Knieverletzung) schlechter aus. Aktuell lässt sich der Südkoreaner in seiner Heimat behandeln.
5: Fehlende Konstanz bleibt ein Kernproblem
Fehlende Konstanz wurde in der Vorsaison als ein Kernproblem ausgemacht, das ist auch eine Frage der Geschlossenheit. Das Problem hat sich verschärft. Die Leistungen schwanken weiterhin sowohl während einer Partie als auch zwischen den Spielen. In Regensburg und gegen Baunatal enttäuschte der VfL komplett, gegen Wiesbaden war maximal die zweite Halbzeit angemessen. Die stärksten Leistungen zeigte Bochum in weiten Phasen gegen Bielefeld sowie bei den Top-Teams HSV und VfB. Doch auch in Hamburg und Stuttgart lief es nicht über die vollen 90 Minuten rund. Es reichte nicht.
6: Ausblick: Es geht nur mit Geschlossenheit
„Passivität hilft dem VfL nicht weiter“, sagte Heiko Butscher nach seinem ordentlichen Saisondebut als Interims-Trainer. Der VfL müsse „aktiv“ sein. Spielerisch hat Bochum trotz aller Anlaufprobleme einen Kader, der anderen Abstiegskandidaten wie Wiesbaden oder Karlsruhe überlegen ist. Doch der FC Ingolstadt ist ein warnendes Beispiel: Zu spät realisierte der in der Vorsaison individuell stark besetzte FCI, dass Mentalität Qualität am Ende schlägt. Ingolstadt spielt jetzt in der 3. Liga.