Hamburg. Dem VfL Bochum fehlte in Hamburg die Balance zwischen Defensive und Offensive. Gegen Wiesbaden kommt es nun zu einem Schlüsselspiel.

Jan Gyamerah hatte beste Laune, bevor er noch einmal den einen oder anderen Ex-Kollegen abklatschte im Kabinentrakt des Volksparkstadions. Von einem „komischen Gefühl“ sprach der Rechtsverteidiger nach dem 1:0-Sieg seines HSV gegen seinen langjährigen Ex-Verein VfL Bochum; und davon, „sich mega gefreut“ zu haben, alte Kollegen wiederzusehen. Und jetzt, sagte Gyamerah, „drücke ich dem VfL weiter alle Daumen, dass sie einen erfolgreichen Fußball spielen“ in 30 weiteren Zweitliga-Duellen der noch jungen Saison. Nur im Rückspiel gegen Hamburg natürlich nicht.

Überzeugte gegen seinen Ex-Klub: Jan Gyamerah im Duell mit Bochums Silvere Ganvoula.
Überzeugte gegen seinen Ex-Klub: Jan Gyamerah im Duell mit Bochums Silvere Ganvoula. © firo Sportphoto | firo Sportphoto/Christopher Neundorf

Gyamerah zeigte eine gute Leistung, und auch Lukas Hinterseer, der andere nach der vergangenen Saison zum HSV gezogene Ex-Bochumer, schritt frohgemut von einem Interview zum anderen. Seine einzige Chance, räumte er lächelnd ein, hatte er genutzt, um Hamburg vorläufig an die Tabellenspitze zu schießen - und die Stimmung in Bochum weiter zu drücken.

Spieler des VfL Bochum reden Klartext: zu wenig

Frustriert, enttäuscht, zermürbt gingen die Spieler des VfL zur Dusche, und einige redeten zuvor Klartext in der Interview-Zone. Ein Punkt holte der VfL nur aus den ersten drei Saisonspielen in Regensburg (1:3), gegen Bielefeld (3:3) und in Hamburg. „Das ist unterm Strich zu wenig“, sagte der angefressen wirkende Offensivmann Sebastian Maier. Der Druck werde größer. „Wir dürfen uns nicht verrückt machen lassen, aber wir müssen höllisch aufpassen“, blickte der Spielmacher voraus.

Am Samstag geht es gegen den SV Wehen Wiesbaden. Vielleicht: ein Schlüsselspiel für die Saison. Wiesbaden ist als Überraschungs-Aufsteiger der Außenseiter der Saison, Wiesbaden hat trotz teils ordentlicher Leistungen alle drei Partien bisher verloren, am Samstag gab es ein 0:3 gegen Hannover, nachdem der SV Wehen gegen Karlsruhe (1:2) und in Aue (2:3) sowie im Pokal gegen Bundesligist Köln (2:2/Niederlage im Elfmeterschießen) denkbar knapp verloren hatte.

Manuel Riemann: So wird es am Ende nicht reichen

Torwart Manuel Riemann, der in Hamburg mit einer starken Leistung eine am Ende mögliche höhere Niederlage verhindert hatte, wollte sich mit einer verbesserten Defensivarbeit seiner Vorderleute denn auch gar nicht lange beschäftigen. „Fakt ist: Wir haben nach drei Partien einen Punkt“, sagte der Keeper. „Das ist zu wenig. So wird es am Ende nicht reichen. Mit jedem Spiel, das wir nicht gewinnen, wird das Selbstvertrauen natürlich nicht größer und unsere Aufgaben werden damit nicht leichter“, mahnte der Schlussmann. „Dessen müssen wir uns auch bewusst sein.“

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Fast bis zum 0:1 nach einer Stunde hatte sich der VfL defensiv zwar stabil präsentiert, doch in den Umschaltaktionen die nötige Konsequenz, das energische Nachrücken vermissen lassen. Maier fehlte hier der Mut seines Teams, gemeinsam mit Silvere Ganvoula war er bei eigenen Angriffs-Bemühungen in der Hamburger Hälfte allzu oft auf sich allein gestellt.

„Ich denke, dass wir es im ersten Durchgang hier sehr gut gemacht haben“, fasste es Trainer Robin Dutt zusammen. „In der zweiten Halbzeit hat es mir an der Balance gefehlt – die ganze Energie, die wir hinten in die Defensive gesteckt haben, hat vorne gefehlt.“

Defensiv ging das Konzept des Trainers lange auf, auch dank des aufmerksamen Saulo Decarli im Abwehr- und Vitaly Janelt im defensiven Mittelfeldzentrum. Nach zuvor acht Gegentoren in drei Partien beim Top-Team Hamburg verstärkt auf die Arbeit gegen den Ball zu setzen, tiefer zu stehen mit einem für VfL-Verhältnisse spät angesetzten Pressing, ergab Sinn, ehe das 0:1 die Voraussetzungen änderte - und Bochum, anders als noch gegen Bielefeld, nicht mehr kontern konnte.

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Simon Lorenz wusste zwar als Rechtsverteidiger zu gefallen, dennoch dürfte er keine Dauerlösung für jeden Gegner sein. Der VfL sucht hier noch nach Verstärkung, und die ist dringend geboten. Offensiv nämlich konnte der VfL anders als erhofft die Hamburger nicht ernsthaft in Bedrängnis bringen. 14:0 Ecken sprechen eine deutliche Sprache, eine richtig gute Chance ließ der HSV nach Ganvoulas abgeblocktem Eröffnungsschuss in Minute zehn auch nicht mehr zu. Unterm Strich: zu wenig, um beim HSV zu bestehen.

Lee: Ein MRT soll Aufschluss geben über die Verletzung

Chung-Yong Lee, mit Verdacht auf eine Bänderverletzung später ausgewechselt, so die erste Schnelldiagnose vor Ort, war vor allem defensiv gefordert. Ein MRT am Montag soll näheren Aufschluss geben, gemeinsam mit Simon Zoller war Lee am Sonntag zur Behandlung am Trainingsgelände.

Auf der anderen Seite blieb Tom Weilandt komplett blass. Der Neun-Tore-Mann der vergangenen Spielzeit konnte seine Chance in keiner Weise nutzen. Gegen Wiesbaden ist hier mit Simon Zoller oder Danny Blum zu rechnen, der nach seiner Einwechslung allerdings auch keine Impulse mehr liefern konnte.

Ganvoula bleibt ein Lichtblick der Saison

Und Ganvoula? Der 23-Jährige ackerte und rackerte und schoss aus allen Lagen, was sein Selbstvertrauen demonstrierte - wobei hier und da ein Querpass auf einen mitgelaufenen Spieler besser gewesen wäre als ein Abschluss aus spitzem Winkel. Unterm Strich aber zählt der Stürmer zu den Lichtblicken des auswärts weiterhin fast schon chronisch erfolglosen VfL, der nach dem Fehlstart im Heimspiel gegen Wiesbaden unter Erfolgsdruck steht.

Manuel Riemann sagt: „Wir müssen gewinnen - da ist es auch scheißegal wie, ob 6:5, 3:2 oder 1:0.“