Wolfsburg. Der FC Schalke 04 kehrt langsam wieder in die Erfolgsspur zurück. Dank einem überragenden Doppel-Torschützen Julian Draxler sicherten sich die Königsblauen am Samstag einen hochverdienten 4:1 (1:0)-Erfolg beim VfL Wolfsburg. Es war der zweite Ligasieg in Folge. Sogar Huntelaar traf wieder das Tor.

Was haben Jens Keller und Frank Neubarth gemeinsam? Sie sind die beiden einzigen Trainer, die mit dem FC Schalke 04 in den vergangenen zehn Jahren beim VfL Wolfsburg gewinnen konnten. Was Neubarth 2003 schaffte, gelang Keller am Samstag: Mit 4:1 siegten die Königsblauen verdient und dürfen sich wieder berechtigte Hoffnungen auf eine Teilnahme am europäischen Fußball in der kommenden Saison machen.

In nach dem 2:1 gegen Düsseldorf unveränderter Aufstellung begann Schalke in Wolfsburg von Beginn an offensiv und aggressiv. Und das hätte sich beinahe schon früh ausgezahlt. In der vierten Minute war die Abwehr des VfL überfordert, als Julian Draxler den Ball wunderbar auf den startenden Klaas-Jan Huntelaar durchsteckte: Der zog zwölf Meter vor dem Tor voll ab – genau auf Diego Benaglio. In der vergangenen Saison hätte Schalkes Mittelstürmer dem Torwart vorher noch die Masche angesagt, bevor er die Kugel kühl versenkt hätte.

Schalke ließ sich von den ersten Fehlversuchen in Wolfsburg nicht beirren

So aber musste Schalke trotz spielerischer Überlegenheit auf der Hut sein, nicht selbst in Rückstand zu geraten. In der 15. Minute wäre es fast passiert: Bei einem Freistoß von Diego verlor Roman Neustädter den aufgerückten Innenverteidiger Simon Kjaer aus den Augen, der Däne stieg hoch und traf die Latte.

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Dies blieb allerdings bis kurz vor der Halbzeit die einzige Chance des VfL. Schalke bestimmte das Spiel und diktierte das Tempo, vor allem bei Kontern. Zwei davon wurden allerdings verschenkt, weil Jermaine Jones aus der Mittelfeldzentrale heraus nicht der finale Pass gelang. Im dritten Versuch wurde es dann richtig gefährlich: Diesmal schickte Jones Rechtsaußen Jefferson Farfan auf die Reise, der passte nach innen, der Abwehrversuch der Wolfsburger landete erneut bei Farfan, der dann aber aus aussichtsreicher Situation den Ball nicht zu einem Mitspieler brachte.

Äußerst positiv: Schalke ließ sich auch von den Fehlversuchen nicht beirren und griff weiter beherzt an. Es sah schon gut aus, als Jones von rechts den Ball scharf auf Huntelaar spielte – Naldo war allerdings einen Tick schneller am Ball.

Das 1:0 für Schalke war überfällig, und dann fiel es auch, und zwar wieder durch einen Angriff über die starke rechte Seite: In der 33. Minute passte Jefferson Farfan kurz zurück auf Marco Höger, der sofort mit Tempo durchstartete, in den Strafraum zog und den Ball zu Julian Draxler brachte. Der hob ihn kurz an und jagte ihn dann entschlossen und gekonnt ins lange Eck.

Schalker Neustädter fiel nach seiner Grippeerkrankung negativ auf

Schalkes Jung-Nationalspieler hätte schon vor der Pause vorentscheidend für Beruhigung sorgen können, als er nach einem Steilpass von Jermaine Jones Torwart Diego Benaglio umkurvte – doch dann traf er nur den Pfosten.

Beinahe hätte sich das gerächt. In der 42. Minute verlor Roman Neustädter den Ball, Diego schoss - doch Timo Hildebrand parierte prächtig.

Roman Neustädter, zu Beginn der Saison mit Recht als Top-Neuverpflichtung gefeiert und danach unerklärlich abgefallen, wirkte auch in Wolfsburg verunsichert. Man darf allerdings bei der Beurteilung seiner Leistung diesmal nicht vergessen, dass er im Laufe der Woche noch grippekrank im Bett gelegen hatte. Trainer Jens Keller zog die einzig richtige Konsequenz und ließ den überforderten Mittelfeldmann nach der Halbzeit in der Kabine. Christoph Metzelder kam ins Spiel, was zwei Umstellungen bedeutete: Benedikt Höwedes rückte aus der Innenverteidigung nach rechts, Rechtsverteidiger Marco Höger besetzte Neustädters Position vor der Abwehr – dort fühlt sich Höger ohnehin wohler.

An den Verschiebungen lag es jedenfalls nicht, dass Schalke in der 50. Minute den Ausgleichstreffer kassierte. Eher daran, dass die Schalker es in dieser Saison einfach nicht schaffen, defensiv permanent konzentriert zu bleiben. Bei einem VfL-Angriff über rechts wurde diesmal Sead Kolasinac von Michel Bastos im Stich gelassen. Der Brasilianer blieb stehen, Vieirinha konnte Richtung zweiter Pfosten flanken, Bas Dost köpfte, Timo Hildebrand bekam noch kurz die Hände an den Ball, den dann Ivica Olic nur noch über die Linie drücken musste.

Diesmal schlug Schalke nach dem 1:1-Rückschlag zurück 

Wieder ein überflüssiges Gegentor. Wieder hätte Schalke vorher vorne alles klar machen können. Und wieder richtete Schalke einen deutlich schlechteren Gegner auf.

Denn so ein Gegentor belastet natürlich auch die eigene Psyche. Schalke verlor eine Zeitlang den Faden, wirkte längst nicht mehr so dominant, längst nicht mehr so überzeugend wie in Halbzeit eins.

Diesmal aber brachen die Schalker nícht ein wie in ihren Heimspielen gegen Freiburg und Fürth oder wie im Pokal gegen Mainz. Diesmal schlugen sie zurück. In der 63. Minute schlug Sead Kolasinac eine hohe Flanke aus dem Halbfeld in den Strafraum, Simon Kjaer wehrte nur unzulänglich ab, Jermaine Jones kam an den Ball und leitete ihn klug und kurz weiter zum besser stehenden Julian Draxler, der die Vorlage perfekt verarbeitete und mit links zum 2:1 einschoss.

Klasse auch, dass Schalke inzwischen auch im Tor einen Rückhalt hat: Timo Hildebrand bestätigte seine gute Form der vergangenen Wochen und war erneut sofort unten, als Vieirinha einen Schuss aufs Eck abgab.

Für Schalke lief es in dieser Phase wieder, nur Jermaine Jones musste sich ärgern. Denn nachdem er Jan Polak in der 73. Minute im Mittelfeld mit einem kurzen Schubser gestoppt hatte, sah er von Schiedsrichter Manuel Gräfe die Gelbe Karte. Es war die fünfte für Schalkes Mittelfeldkämpfer, der sich weniger darüber ärgerte, damit eine Wette gegen Manager Horst Heldt verloren zu haben, als vielmehr darüber, am nächsten Samstag im Heimderby gegen Borussia Dortmund gesperrt zu sein.

Das 4:1 in Wolfsburg war für Schalke ein großer Schritt aus der Krise

Immerhin war Jones noch entscheidend am Sieg in Wolfsburg beteiligt. Ein Befreiungsschlag von ihm leitete den Konter zum 3:1 ein. Julian Draxler trieb den Ball im Tempo durch die gegnerische Hälfte und passte im richtigen Moment nach rechts zum mitgelaufenen Jefferson Farfan, der sich diese Gelegenheit nicht nehmen ließ.

In der 86. Minute endete dann auch noch eine persönliche Durststrecke. Marco Höger passte auf Klaas-Jan Huntelaar, der kurz vorher erneut eine Chance vergeben hatte. Wieder versuchte er es aus spitzem Winkel, und diesmal traf er – der gerechte Lohn dafür, dass er in diesem Spiel viel gearbeitet hatte und sich nicht entmutigen ließ.

Nach einigen kleinen Schritten aus der Krise ist Schalke in Wolfsburg ein großer gelungen. Und auch Jens Keller fiel ein Stein vom Herzen, denn endlich glückte ihm als Trainer der erste Auswärtssieg in der Bundesliga. Und auch er hatte sich diesen Erfolg nach schweren Wochen, in denen er trotz starken Gegenwindes beharrlich weitergearbeitet hatte, redlich verdient.