Gelsenkirchen. . Bayern-Trainer Jupp Heynckes imponiert die Entwicklung des heutigen Gegners, bei dem er in der Saison 2003/2004 selbst auf der Bank saß. Er rechnet mit einem intensiven Top-Spiel. „Die Schalker haben in dieser Saison schon Zeichen gesetzt“, sagt er.

Es waren noch deutlich unruhigere Zeiten, als Jupp Heynckes den FC Schalke 04 trainierte. Im Jahr 2003 holte ihn der damalige Manager Rudi Assauer, weil nach einem Reinfall mit dem jungen Frank Neubarth und der folgenden Übergangslösung mit Marc Wilmots ein starker Trainer gesucht wurde, ein gefestigter Mann wie Huub Stevens, der bis 2002 auf Schalke gearbeitet hatte.

Doch das Vertrauen in Jupp Heynckes war nicht mit einem langen Haltbarkeitsdatum versehen, nach kaum mehr als einer Saison wurde er wieder entlassen. Begründung von Assauer: Heynckes sei ein „Trainer der alten Schule“ – der Führungsstil des damals 59-Jährigen hatte ihm dann doch nicht gepasst.

Entlassung von Heynckes aus heutiger Sicht grotesk

Aus heutiger Sicht ein groteskes Urteil: Denn der mittlerweile 67-jährige Jupp Heynckes, der damals auf Schalke als stur und kompromisslos galt, trainiert wieder den Branchenriesen FC Bayern München, und es wird ihm nachgesagt, dass er wegen seiner klugen und einfühlsamen Umgangsart der richtige Mann am richtigen Ort sei.

Heynckes hat sich verändert im Laufe der Jahre, keine Frage. Aber auch beim FC Schalke 04 hat sich einiges getan, und deshalb spricht der Bayern-Trainer vor dem heutigen Top-Spiel voller Hochachtung über den Gegner: „Schalke hat sich in den letzten Jahren öffentlich und sportlich sehr gut präsentiert“, urteilt er im Gespräch.

„Seriöses Auftreten, seriöses Wirtschaften, sportliche Erfolge: Das ganze Gebilde passt, und das imponiert mir.“ Im vergangenen Jahr haben seine Bayern noch souverän mit 2:0 auf Schalke gewonnen, an diesem Samstag rechnet Heynckes mit deutlich mehr Gegenwehr. „Die Schalker haben in dieser Saison schon Zeichen gesetzt“, sagt er. „Sie sind in der Liga unbesiegt und haben in der Champions League auswärts gewonnen, das war nicht leicht in Piräus. Man erkennt eine Aufbruchstimmung, man sieht, dass die Mannschaft in den Zweikampf zwischen dem FC Bayern und Borussia Dortmund eingreifen will. Die Klasse dazu hat sie, sie spielt kreativ und flott.“

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Die Königsblauen selbst bleiben nach bitteren Erfahrungen aus früheren Jahren lieber realistisch, sie peilen Platz drei und damit die erneute Qualifikation für die Champions League an. „Natürlich sehen die Schalker auch, dass es schwer ist, den amtierenden Meister und den Rekordmeister da oben wegzuholen“, meint Heynckes, „aber intern muss man immer nach dem höchsten Ziel greifen.“

Die Kunst der Rotation

Für sein eigenes Team gilt das ohnehin. Die Bayern präsentieren sich bisher stabil, die Verpflichtung mehrerer Neuzugänge, die das Aufgebot auf höchstem Niveau breiter gemacht haben, zahlt sich bereits aus. „Natürlich spielt die Kaderdichte eine große Rolle“, bestätigt Jupp Heynckes, „aber wir sind auch alle nach zwei Jahren ohne Titel noch hungriger auf Erfolg.“

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Ihm selbst kommt die schwierige Aufgabe zu, die Rotationsmaschine anzuwerfen, ohne Geräusche zu erzeugen. Er scheint diese Kunst perfekt zu beherrschen, denn während es auf Schalke auch intern ein großes Thema war, als Kapitän Benedikt Höwedes auf der Bank saß, hört man aus München in vergleichbaren Fällen keinen Mucks. „Das zu moderieren ist nicht einfach“, erklärt Heynckes, „aber ich habe der Mannschaft von Anfang an klar zu verstehen gegeben, dass ich das praktizieren werde. Wir brauchen einen gesunden Konkurrenzkampf und auch im nächsten Frühjahr noch Substanz.“

Konfrontation wegen Rotation findet Heynckes nicht tragisch

Dass dieser Konkurrenzkampf nicht ganz ohne Konfrontation abgehen kann, findet Heynckes nicht weiter tragisch. Hat am Ende also Rudertrainer Ralf Holtmeyer Recht, der als Trainer des Goldachters behauptet, Erfolg vertrage sich auf Dauer nicht mit Harmonie? „Grundsätzlich ja“, sagt Heynckes. „Zu viel Harmonie ist nicht gut, es muss auch Reibungspunkte geben. Wichtig ist nur, dass die kontroversen Ansichten intern bleiben.“

Jupp Heynckes, mit hoher Wahrscheinlichkeit in seiner letzten Saison als Bayern-Trainer, geht seinen Weg geradeaus. Doch wer ihn heute noch stur nennen würde, täte ihm schwer unrecht.