Gelsenkirchen. Der frühere Mönchengladbacher Roman Neustädter wird zum Bundesliga-Auftakt des FC Schalke 04 in Hannover in der Startelf stehen. Im defensiven Mittelfeld agiert er mit Umsicht und Zuverlässigkeit - und bekommt dafür viel Lob von Manager Horst Heldt.
Der Ball ist nicht lang genug gespielt worden, er kann ihn abfangen. Zwei Gegenspieler stören ihn dabei, sie attackieren heftig. Aber er hat vorher sein Radar eingeschaltet und dabei gepeilt, dass schräg hinter ihm ein Mitspieler frei steht. Deshalb leitet Roman Neustädter die Kugel direkt weiter, und sie kommt sicher an. Mit der Leichtigkeit des Beins.
Eine Szene vom Trainingsplatz des FC Schalke 04 am Freitagmorgen, die den königsblauen Neuling charakterisiert. Den Griff in die Zauberkiste überlässt er anderen, das unnötige Risiko ebenfalls.
„Diese Spielweise trägt dazu bei, unsere Defensive zu stabilisieren“, lobt Schalkes Manager Horst Heldt. „Roman erledigt seinen Job unspektakulär, aber effektiv. Er macht das richtig gut.“
Der Mann für den Zwischenpass
Der 24-Jährige, der als Abräumer vor der Abwehr in der vergangenen Saison einen erheblichen Anteil am Aufschwung von Borussia Mönchengladbach hatte, fühlt sich von Heldt treffend beschrieben. „Ich versuche, mein Ding zu machen, damit hinten der Laden dicht ist“, erklärt der Einmeterneunzigmann. „Ich will die Abwehr entlasten und das Spiel nach vorne einleiten. Nicht durch den tödlichen Pass, sondern durch den so genannten Zwischenpass. Ich finde, das ist der wichtigste im modernen Fußball.“
Trainer Huub Stevens hat für das Bundesliga-Auftaktspiel am Sonntag bei Hannover 96 (17.30 Uhr im DerWesten-Liveticker) wiederholt verschiedene Spielsysteme mit personellen Varianten proben lassen – Roman Neustädter spielte dabei als „Sechser“ stets eine Schlüsselrolle. Er hätte in Gladbach bleiben und seinen Status als unumstrittene Stammkraft genießen können, aber er ließ sich bewusst auf den Konkurrenzkampf bei einem neuen Klub ein: „Das wollte ich so“, sagt er. „Konkurrenz gibt es in jeder Top-Mannschaft. Auf Schalke ist alles noch eine Nummer größer. Wer ein Angebot von Schalke bekommt, der schlägt das nicht einfach aus. Das hier ist der nächste Schritt in meiner Entwicklung.“
Training unter Jürgen Klopp
Der Zeitpunkt passte: Sein Vertrag in Gladbach war ausgelaufen. Als gestandener Bundesligaspieler fiel ihm dieser Wechsel nicht mehr so schwer wie sein erster vor drei Jahren. Damals verließ er seinen Heimatklub Mainz 05, bei dem ihn ein gewisser Jürgen Klopp bereits im A-Jugendalter bei den Profis mittrainieren lassen hatte. „Ich bin auch nach Gladbach gegangen, um auf eigenen Füßen zu stehen“, sagt er. „Ich wollte mal alleine wohnen, in einem anderen Umfeld.“
S 04 feiert Schalke-Tag
In Mainz hatte er stets an der Seite seines Vaters gestanden, der dort selbst viele Jahre Profi und in der zweiten Mainzer Mannschaft auch Romans Trainer war. Peter Neustädter stammt aus Kirgisistan, Roman wurde 1988 in der heutigen Ukraine geboren, als der Vater dort unter Vertrag stand. Vier Jahre später zog die Familie nach Deutschland. Doch es dauerte, bis der talentierte Junge zum deutschen Junioren-Nationalspieler aufstieg.
Ein äußerst lehrreiches Jahr
Denn das erste Jahr in Gladbach war sportlich ein Reinfall, es lief so geschmeidig wie eine Radtour über Bahnschwellen. Roman Neustädter kam anfangs überhaupt nicht klar, er spielte oft nur in der zweiten Mannschaft. „Aber für mein Leben war dieses Jahr wichtig“, bilanziert er heute. Denn er zog die richtigen Schlüsse. Vorher hätte er dem Spiegel die Schuld gegeben, wenn er einen Pickel entdeckt hätte, jetzt erkannte er: „Die Fehler lagen bei mir, nicht bei anderen.“
Längst hat er seine Rolle gefunden, Roman Neustädter ist ein ruhiger, selbstbewusster, zuverlässiger Profi geworden. „Ich bin keiner, der schnell ausrastet, ich bin nicht so schnell aus der Fassung zu bringen“, sagt er. „Ich versuche immer, so zu bleiben, wie ich bin.“ Und auch so zu spielen: „Wenn ich den Ball nach vorne passe, muss ich nicht vorher sieben Leute ausdribbeln.“ Schalke hat einen Spieler hinzugewonnen, der die hohe Kunst der Selbsteinschätzung beherrscht. Sein Wert für das Team ergibt sich dadurch automatisch.