Gelsenkirchen. Vor einer Woche galt Huub Stevens noch als künftiger HSV-Trainer - jetzt kommt er mit Schalke nach Hamburg. Vorher hat er mit HSV-Sportchef Frank Arnesen telefoniert: „Wir werden uns die Hände schütteln.“
Dieser Tage hat Huub Stevens einen netten Anruf bekommen. Frank Arnesen, der Sportchef des Hamburger SV, meldete sich und gratulierte ihm zum neuen Job auf Schalke. Man musste sich bei dem Telefonat nicht lange bei der Vorrede aufhalten, schließlich hatten die beiden Herren schon in den Tagen zuvor reichlich Kontakt miteinander. Da hatte man sich noch über den vakanten Trainerjob beim Hamburger SV ausgetauscht – nun ging das Gespräch um die kuriose Schlusspointe dieser Geschichte: Nämlich die, dass Stevens am Sonntag (17.30 Uhr, live im DerWesten-Ticker) mit Schalke 04 ausgerechnet beim HSV antreten muss.
Es hätte wohl nicht viel gefehlt, und Stevens wäre an diesem Sonntag der Trainer von Schalkes Gegner gewesen. Vor genau einer Woche galt er noch als künftiger HSV-Übungsleiter – dann machte er im Gespräch mit Arnesen deutlich, dass auch Schalke noch im Rennen ist, und die Hamburger sagten ab. Die Begründung, dass Stevens sich nicht allein auf den HSV fokussiert habe, ist für den 57 Jahre alten Niederländer nicht ganz schlüssig: Immerhin habe Arnesen ebenfalls zugleich noch Gespräche mit anderen Trainern geführt. „Ich habe mich fair verhalten“, betont Stevens. Wichtig ist für ihn aber, dass von den geplatzten Verhandlungen mit Arnesen offenbar nichts Negatives hängen geblieben ist: „Wir werden uns am Sonntag die Hände schütteln.“
Eigentlich ist Stevens kein Typ, der sich rührselig mit der Vergangenheit beschäftigt. Aber auch in Hamburg hat er zwischen Februar 2007 und Sommer 2008 erfolgreiche Jahre verbracht: Er übernahm den HSV damals auf einem Abstiegsplatz und führte ihn ein Jahr später in den Uefa-Pokal. Aus Rücksicht auf seine erkrankte Ehefrau Toos, der es heute wieder besser geht, gab er den Job in Hamburg auf. „Die eineinhalb Jahre waren eine schöne Zeit, auch da nimmt man etwas mit“, sagt Stevens, „aber wenn du sechs Jahre auf Schalke bist, nimmst du natürlich mehr mit.“ Und deswegen war Schalke vermutlich nun auch seine erste Wahl, als seine beiden ehemaligen Klubs wieder um ihn buhlten – auch wenn er das nicht so deutlich sagt.
Der Anfang mit Schalke ist nun wieder gemacht. Der verdiente, wenn auch hart erarbeitete 3:1-Sieg am Donnerstag in der Europa League gegen Maccabi Haifa war eine Basis, auf der Stevens aufbauen will. „Wir wollen eine Spielweise entwickeln, bei der sich jeder wohl fühlt“, erklärt der Trainer – mit der richtigen Ausgewogenheit zwischen der Abwehrarbeit, die ihm anhängt, und dem Angriffsfußball, den die Fans gerne sehen möchten. Dass er diese Balance noch nicht gefunden hat, lässt er durchblicken: „Wenn man so offensiv spielt, wie wir das getan haben, ist es schwierig, zu verteidigen.“ Allerdings sieht er in der heutigen Schalker Mannschaft ein größeres Offensivpotenzial als bei dem Team seiner ersten Amtszeit. Deswegen muss die Null künftig nicht mehr oberstes Gebot sein: „Solange wir einen Treffer mehr machen als der Gegner, ist es mir egal, ob Gegentore fallen oder nicht.“
Cardoso trägt beim HSV die Verantwortung
Auf der Tribüne saß beim Spiel gegen Haifa Rodolfo Cardoso – der Hamburger Interimstrainer, der nun auch gegen Schalke die Verantwortung trägt, weil der Chef-Stuhl beim Tabellenletzten noch nicht dauerhaft neu vergeben ist. Stevens weiß nicht, wie die Hamburger Zuschauer auf seinen Wechsel zu Schalke reagieren werden – eine zusätzliche Brisanz will er freilich nicht eingestehen. Dies, sagt er mit einem Lächeln, sei doch nur ein Thema für die Medien.
Nun ja, vielleicht nicht nur für die. Denn zumindest Hamburgs Sportchef Arnesen kann sich ein gewisses Schmunzeln darüber nicht verkneifen, dass sein Trainer-Kandidat nun sogleich beim nächsten Spiel auf der gegnerischen Bank sitzt: „Das ist unglaublich. So ist der Fußball. Man hat es schon letzte Saison bei Magath gesehen, der erst bei Schalke und eine Woche später dann schon in Wolfsburg auf der Bank saß.“
Aber Arnesen hat in Hamburg auch verraten, was er Stevens vor dem Spiel noch sagen will: „Dass die drei Punkte hier bei uns bleiben werden.“ Die Hände wird man sich trotzdem schütteln.