Stegersbach. . Trainer Ralf Rangnick würde den Mannschaftskörper des FC Schalke 04 gerne verändern. Aber der Verein hat kein Geld für Operationen. Rangnick wird sich gedulden müssen. Es nützt nichts, auf Radikal-Veränderung zu drängen.
Sie spielen mit nur vier Feldspielern pro Team auf engem Raum. Powerfußball, pausenloses Pressing. Ab und zu pfeift Ralf Rangnick, dann redet er energisch auf seine Spieler ein und gestikuliert dabei leidenschaftlich. So, nicht so! Hier, nicht da! Anbieten, nicht weglaufen! Und: Draufdraufdrauf! Der Trainer des FC Schalke 04 ist gleich zu Beginn des Trainingslagers in Stegersbach in seinem Element.
Im österreichischen Burgenland will er bis Mittwoch nächster Woche den Feinschliff für die Saison vornehmen. Er will den Profis seine Vorstellungen von attraktivem Fußball einimpfen: schnelle, scharfe Pässe nach vorne bei eigenem Ballbesitz, aggressives Attackieren bei gegnerischem Ballbesitz, flottes Umschalten bei Ballverlust. Sein Problem: Er muss dabei auch mit Stars aus der Felix-Magath-Ära arbeiten, die seiner Spielphilosophie nicht ideal entsprechen.
So fordert Rangnick offen eine Verstärkung für den Angriff: „Wir brauchen noch einen schnellen Stürmer, der auch mal einen Konter setzen kann.“ Wäre er Dagobert Duck, würde er nicht im Geldpool baden, sondern den Freiburger Papiss Demba Cisse verpflichten – astronomische 15 Millionen Euro Ablöse sind für den Senegalesen aufgerufen. Die Alternative, der Franzose Nolan Roux von Stade Brest, soll acht Millionen Euro kosten – so viel ist er den Schalkern bisher allerdings nicht wert. Zumal sich das begrenzte Budget nur bei eigenen Verkläufen erweitern würde. Auf Angebote über zehn Millionen Euro für den eher lauernden als laufenden Strafraumstürmer Klaas-Jan Huntelaar und den lieber kringeldrehenden als kämpfenden Mittelfeldtechniker Jose Manuel Jurado zu hoffen ergibt allerdings ähnlich viel Sinn wie die Eröffnung eines Verkaufsstandes mit Pelzmänteln in der Sahara.
Rangnick bewundert Mut des BVB
Gegen Ende der vergangenen Saison hatte Rangnick gesagt, es sei unklar, ob der geplante Umbruch in nur einer Transferperiode zu bewältigen sei. Inzwischen hat er Gewissheit: Er wird sich gedulden müssen, es nützt nichts, auf Radikal-Veränderung zu drängen. Das Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht.
Aus Rangnicks unverhohlener Bewunderung für den Mut der Dortmunder Borussen, sich vor ihrer gezielten Runderneuerung von den populären Torjägern Alexander Frei und Mladen Petric getrennt zu haben, lassen sich Schlüsse ziehen. Rangnick wäre bereit für tiefe, schmerzhafte Einschnitte, wenn ihm nur Mittel und Macht für Großoperationen am Mannschaftskörper zur Verfügung stünden.
Schalke im Trainingslager
Sogar der Name Raúl scheint nicht mehr mit einem Tabu-Siegel geschützt zu sein. Von einer Verlängerung des zum Ende der kommenden Saison auslaufenden Vertrages der spanischen Ikone ist derzeit keine Rede mehr. Rangnick sucht noch die beste Rolle für den Routinier, der im System mit einem Mittelstürmer und zwei schnellen Außen der zentrale Mann hinter der Spitze wäre – allerdings kein Spielmacher im klassischen Sinn.
Höwedes soll zum Kapitän befördert werden
Eine schwere Zeit könnte auch auf Christoph Metzelder zukommen. Der erfahrene Abwehrspieler pausierte zuerst wegen Achillessehnen-Problemen, jetzt hat ihn eine Sommergrippe ausgebremst. Zeitgleich kann der junge Konkurrent Kyriakos Papadopoulos punkten. Zum Abwehrchef hatte Rangnick ohnehin schon Benedikt Höwedes erklärt, der in Kürze zum Kapitän befördert werden soll.
Auch ohne das Amt macht sich Höwedes bereits für einen neuen Mitspieler stark. Im Tor sieht er keine Alternative zu Rückkehrer Ralf Fährmann: „Der Ralf ist ein guter Torwart und ein guter Typ, er wurde doch auch als Nummer eins geholt.“ Na ja: als Nummer eins unter Vorbehalt.
Wenn Ralf Rangnick das luxuriöse Mannschaftshotel Balance Resort in Stegersbach verlässt, blickt er auf die einen Eckball weit entfernte Großbaustelle eines neuen Hotels. Das Fundament ist längst gelegt, der Charakter des Hauses ist schon erkennbar, und doch ist noch vieles zu tun. Schalkes Trainer wird nicht umhin kommen, darin Symbolik zu erkennen.