Gelsenkirchen. .
Der neue Schalker Trainer verändert den Arbeitsalltag der Spieler, es geht laut und dynamisch zu. Verärgert ist er über den Zustand der Rasenflächen am Trainingsgelände.
Die Vorlage von Jefferson Farfan kommt perfekt an, Raúl vollstreckt mit der Klasse des Routiniers. Ein kurzer Ruf – Unterbrechung. Der Trainer hat noch etwas zu sagen. Bevor es weitergeht, klatscht er die beiden Angreifer begeistert ab. Die werden sich vermutlich einen Augenblick lang gefragt haben, in welchem Film sie gerade sind.
Parkstadion auf Schalke, Mittwochnachmittag, der zurückgekehrte Ralf Rangnick führt zum ersten Mal wieder Regie. 800 Neugierige sind gekommen, um seine Trainingsarbeit zu begutachten, und wer von ihnen vorher regelmäßig Felix Magaths Übungseinheiten mitverfolgt hat, der ahnt früh: Hier ändert sich etwas. Und zwar deutlich.
Neue Gesichter, neue Inhalte. Rangnick hat drei Assistenten mitgebracht: Co-Trainer Markus Gisdol, der zuvor Hoffenheims Zweite trainierte, Konditionstrainer Ruwen Faller – und Klaus Lammerding, einen Dolmetscher. Missverständnisse will sich der Chef nämlich nicht leisten. Während Magath oft den stillen Beobachter gab, mischt sich Rangnick immer wieder ein. Er lobt und kritisiert, er erklärt und spornt an. Auch die Spieler geben kurze Kommandos, sie motivieren sich gegenseitig, sie sind laut. Es gab Tage, da unterschied sich die Atmosphäre auf dem Schalker Trainingsplatz kaum von der in der Gelsenkirchener Stadtbibliothek.
Obwohl sich derzeit sieben Schalker Profis bei ihren Nationalteams aufhalten und außerdem der verletzte Klaas-Jan Huntelaar sowie die durch grippale Infekte geschwächten Christoph Metzelder und Peer Kluge nur leichte Laufübungen absolvieren, sind immerhin noch 18 Feldspieler am Start. In anderen Klubs passen die Verbliebenen zurzeit locker in einen Kleinbus. Rangnick wird seinem Vorgänger dennoch keine Dankmail mit der Betreffzeile „prima Kaderplanung“ schicken, denn schon jetzt zerbricht er sich den Kopf darüber, wie er künftig mit mehr als 30 Profis geregelt trainieren soll.
Doch auch die äußeren Bedingungen bejubelt der Neue nicht. „Der Rasen ist ja ein Schlachtfeld“, klagt Rangnick. „Ich wusste ja, dass wir in Hoffenheim paradiesische Zustände hatten, aber hier fliegen sogar Stücke raus.“
Die Form seiner Mannschaft hatte er am Sonntag beim 0:2 in Leverkusen als ähnlich desolat beurteilt, intensiv versucht er nun, die Defizite auszugleichen. Dazu macht er das Spielfeld eng, es geht um gemeinsame Balleroberung und schnelles Umschalten. Das erste Urteil des Trainers: „Die Jungs arbeiten konzentriert und engagiert mit.“ Konditionell, wenigstens das, habe er „keine Auffälligkeiten“ festgestellt. „Sie haben bis zum Schluss Vollgas gegeben.“ Wann wird seine Handschrift erkennbar sein? „Wenn ich ehrlich bin, kann ich die Frage nicht beantworten“, sagt Rangnick, um keine falschen Erwartungen zu wecken.
Er will den Spielern vermitteln, wie sie den Gegner nicht nur stören, sondern auch unter Druck setzen können. Sie sollen erkennen, dass das nur über den Teamgedanken funktionieren kann. Er weiß, dass er es kurzfristig nicht schaffen wird, dem Wasserkran Champagner zu entlocken, aber schon beim nächsten Spiel am 1. April in St. Pauli soll die Mannschaft anders auftreten als zuletzt: engagierter, mutiger, geschlossener.
Bis dahin will Rangnick jeden einzelnen Spieler besser kennenlernen. Mit den Wichtigsten hat er bereits Einzelgespräche geführt. „Mir war wichtig zu hören, was sie auf dem Herzen haben“, erklärt er. Jetzt wissen die Profis, dass nahezu nichts mehr ist wie vorher.