Gelsenkirchen. .

Die Königsblauen leiden unter der Last der eigenen Erwartungen: Der Hamburger SV stoppt ihre Aufholjagd jäh. Ein herber Rückschlag, der viele Fragen aufwirft.

Natürlich gab es in der ersten Enttäuschung auch mal einen Pfiff nach dem Pfiff. Als Schiedsrichter Knut Kircher die Partie gegen den Hamburger SV beendet hatte, wirkte die große Mehrheit der Fans des FC Schalke 04 jedoch so, wie sich zuvor auch die Mannschaft präsentiert hatte: wie gelähmt. Im Laufe der zweiten Halbzeit hatten sich desillusionierende Erkenntnisse entfalten können. 0:1. Realität schlägt Traum, Skepsis ersetzt Hoffnung, Ratlosigkeit verdrängt Zuversicht: Schalke in der Schockstarre.

Die Königsblauen hatten sich doch sicher gefühlt. Hatten sich während des Trainingslagers im türkischen Belek auf eine Aufholjagd in der Rückrunde eingeschworen. Hatten ihre verbesserte Form zum Ende der Hinrunde konservieren wollen. Hatten sich Stabilität eingeredet. Und dann das.

Nach einer noch halbwegs ausgeglichenen ersten Halbzeit, in der die Hamburger aber bereits mehr und bessere Chancen hatten, brach das Schalker Kartenhaus nach nur einem Schnipser zusammen. In der 52. Minute warf sich Routinier Ruud van Nistelrooy am zweiten Pfosten in eine weite Flanke, das Stellungsspiel von Torwart Manuel Neuer und Verteidiger Joel Matip war suboptimal – und so brachte der wuchtig heranfliegende Niederländer den Ball mit Kopf und Oberarm über die Linie.

Schalkes Huntelaar spielte dramatisch schwach

Manuel Neuer: Diesmal mit ungewohnten Schwächen bei Ecken und Flanken. Gleich zweimal irrte er bei Ecken durch den Strafraum (10./26.) – und beim 0:1 unterschätzte er Demels Flanke total (53.). Auch seine Abwürfe und Abschläge ...
Manuel Neuer: Diesmal mit ungewohnten Schwächen bei Ecken und Flanken. Gleich zweimal irrte er bei Ecken durch den Strafraum (10./26.) – und beim 0:1 unterschätzte er Demels Flanke total (53.). Auch seine Abwürfe und Abschläge ... © imago sportfotodienst
... kamen schon genauer. Dafür aber mit einer herausragenden Fußparade gegen einen Ben-Hatira-Schuss (9.). Verhielt sich gegen Pitroipa im Strafraum korrekt (13.) – der HSV-Spieler hätte Gelb sehen müssen. Note: 4
... kamen schon genauer. Dafür aber mit einer herausragenden Fußparade gegen einen Ben-Hatira-Schuss (9.). Verhielt sich gegen Pitroipa im Strafraum korrekt (13.) – der HSV-Spieler hätte Gelb sehen müssen. Note: 4 © imago sportfotodienst
Joel Matip: Felix Magath hatte viele Möglichkeiten, um Rechtsverteidiger Atsuto Uchida (Asien-Cup) zu ersetzen. Er entschied sich für Joel Matip. Der ist und bleibt aber ...
Joel Matip: Felix Magath hatte viele Möglichkeiten, um Rechtsverteidiger Atsuto Uchida (Asien-Cup) zu ersetzen. Er entschied sich für Joel Matip. Der ist und bleibt aber ... © imago sportfotodienst
... eine Notlösung auf dieser Position. Im Spiel nach vorn mit unglaublich vielen Fehlpässen und sehr verunsichert. Die Schalker vermieden es sogar, Matip anzuspielen. Auch am Gegentor beteiligt. Note: 5,5
... eine Notlösung auf dieser Position. Im Spiel nach vorn mit unglaublich vielen Fehlpässen und sehr verunsichert. Die Schalker vermieden es sogar, Matip anzuspielen. Auch am Gegentor beteiligt. Note: 5,5 © imago sportfotodienst
Benedikt Höwedes: Bester Abwehrspieler der Schalker – aber auch Höwedes erhält einen Minuspunkt. In der 49. Minute ließ er Elia im Strafraum gewähren. Bemühte sich im Gegensatz zu Nebenmann Metzelder ...
Benedikt Höwedes: Bester Abwehrspieler der Schalker – aber auch Höwedes erhält einen Minuspunkt. In der 49. Minute ließ er Elia im Strafraum gewähren. Bemühte sich im Gegensatz zu Nebenmann Metzelder ... © imago sportfotodienst
... auch um Aktionen in der HSV-Spielhälfte – ohne Erfolg allerdings. Note: 3,5
... auch um Aktionen in der HSV-Spielhälfte – ohne Erfolg allerdings. Note: 3,5 © imago sportfotodienst
Christoph Metzelder: Hätte das Jahr 2011 fast mit einem folgenschweren Fehler begonnen, als Ben-Hatira nach seinem Fehlpass frei vor Manuel Neuer auftauchte (9.). Danach zweikampf- und kopfballstark, aber diesmal ...
Christoph Metzelder: Hätte das Jahr 2011 fast mit einem folgenschweren Fehler begonnen, als Ben-Hatira nach seinem Fehlpass frei vor Manuel Neuer auftauchte (9.). Danach zweikampf- und kopfballstark, aber diesmal ... © imago sportfotodienst
... kein Stabilisator. Ohne Offensivaktion. Note: 3,5
... kein Stabilisator. Ohne Offensivaktion. Note: 3,5 © imago sportfotodienst
Lukas Schmitz: Sehr schwach! Hatte so seine Probleme mit dem quirligen Jonathan Pitroipa, der mehrfach an ihm vorbeiflog. Vor dem 0:1 ließ Schmitz aber nicht Pitroipa, sondern ...
Lukas Schmitz: Sehr schwach! Hatte so seine Probleme mit dem quirligen Jonathan Pitroipa, der mehrfach an ihm vorbeiflog. Vor dem 0:1 ließ Schmitz aber nicht Pitroipa, sondern ... © imago sportfotodienst
... Guy Demel ungestört flanken (53.). War hinten so beschäftigt, dass ihm vorn wenig einfiel. Note: 5
... Guy Demel ungestört flanken (53.). War hinten so beschäftigt, dass ihm vorn wenig einfiel. Note: 5 © imago sportfotodienst
Christoph Moritz (bis 53. Minute): Bei seiner besten Tat klärte er Kacars Kopfball auf der Torlinie (27.). Sonst ...
Christoph Moritz (bis 53. Minute): Bei seiner besten Tat klärte er Kacars Kopfball auf der Torlinie (27.). Sonst ... © imago sportfotodienst
... wenig zu sehen. Nutzte seine Chance nicht und muss wohl wieder Peer Kluge weichen. Note: 4
... wenig zu sehen. Nutzte seine Chance nicht und muss wohl wieder Peer Kluge weichen. Note: 4 © imago sportfotodienst
Ivan Rakitic (bis 83. Minute): Begann ansprechend mit vielen Ballkontakten und guten Ideen – als es nach dem 0:1 auf einen starken Rakitic angekommen wäre, leistete er sich etliche ...
Ivan Rakitic (bis 83. Minute): Begann ansprechend mit vielen Ballkontakten und guten Ideen – als es nach dem 0:1 auf einen starken Rakitic angekommen wäre, leistete er sich etliche ... © imago sportfotodienst
... Fehlpässe und war nicht der kreative Antreiber und Führungsspieler. Note: 5
... Fehlpässe und war nicht der kreative Antreiber und Führungsspieler. Note: 5 © imago sportfotodienst
Jefferson Farfan: Wurde nach dem Winter-Wechseltheater von den Fans neutral empfangen und spielte auch neutral, sprich: ausreichend. Hatte einige schlechte Szenen wie dumme Fehlpässe und schlechte Ecken – aber auch ...
Jefferson Farfan: Wurde nach dem Winter-Wechseltheater von den Fans neutral empfangen und spielte auch neutral, sprich: ausreichend. Hatte einige schlechte Szenen wie dumme Fehlpässe und schlechte Ecken – aber auch ... © imago sportfotodienst
... einige starke Momente, wenn er bis zur Grundlinie vordrang. Das geschah aber sehr selten, denn er konnte sich gegen Aogo nicht oft durchsetzen. Positiv: Oft stark in der eigenen Hälfte. Note: 4
... einige starke Momente, wenn er bis zur Grundlinie vordrang. Das geschah aber sehr selten, denn er konnte sich gegen Aogo nicht oft durchsetzen. Positiv: Oft stark in der eigenen Hälfte. Note: 4 © imago sportfotodienst
Edu (bis 62. Minute): Nicht Draxler, nicht Jurado – nein, Edu spielte auf der linken Seite. Das war diesmal Magaths Aufstellungs-Überraschung. Edu bedankte sich mit einem ...
Edu (bis 62. Minute): Nicht Draxler, nicht Jurado – nein, Edu spielte auf der linken Seite. Das war diesmal Magaths Aufstellungs-Überraschung. Edu bedankte sich mit einem ... © imago sportfotodienst
... couragierten Start und mit einer starken Flanke nach 120 Sekunden, die Huntelaar verpasste. Danach fiel er durch eifrigen Einsatz in der eigenen Hälfte auf – aber nicht mehr durch sinnvolle Aktionen in der gegnerischen Hälfte. Note: 4
... couragierten Start und mit einer starken Flanke nach 120 Sekunden, die Huntelaar verpasste. Danach fiel er durch eifrigen Einsatz in der eigenen Hälfte auf – aber nicht mehr durch sinnvolle Aktionen in der gegnerischen Hälfte. Note: 4 © imago sportfotodienst
Raúl: Starke Anfangsphase, die er mit einem herrlichen Pass auf Edu eröffnete (2.). Holte sich sogar in der eigenen Hälfte den Ball, glänzte mit ...
Raúl: Starke Anfangsphase, die er mit einem herrlichen Pass auf Edu eröffnete (2.). Holte sich sogar in der eigenen Hälfte den Ball, glänzte mit ... © imago sportfotodienst
... Spielverlagerungen. Doch nach der 25. Minute tauchte der Spanier völlig unter. Note: 4,5
... Spielverlagerungen. Doch nach der 25. Minute tauchte der Spanier völlig unter. Note: 4,5 © imago sportfotodienst
Klaas-Jan Huntelaar: Dramatisch schwach! Ihm wollte so gar nichts gelingen. Nach zwei Minuten verpasste er Edus Flanke, das blieb bis zur 75. Minute seine einzige Torszene, als er den Ball nach einer Ecke ...
Klaas-Jan Huntelaar: Dramatisch schwach! Ihm wollte so gar nichts gelingen. Nach zwei Minuten verpasste er Edus Flanke, das blieb bis zur 75. Minute seine einzige Torszene, als er den Ball nach einer Ecke ... © imago sportfotodienst
... über das HSV-Tor köpfte. Verlor fast jeden Zweikampf und jedes Kopfballduell – bekam aber auch sehr selten den Ball. Note: 5,5
... über das HSV-Tor köpfte. Verlor fast jeden Zweikampf und jedes Kopfballduell – bekam aber auch sehr selten den Ball. Note: 5,5 © imago sportfotodienst
Christian Pander (ab 53. Minute): Der Linksverteidiger ersetzte Christoph Moritz im defensiven Mittelfeld und durfte direkt die Freistöße schießen. Doch mit seinem starken linken Fuß konnte er auch nichts mehr ausrichten. Note: 4
Christian Pander (ab 53. Minute): Der Linksverteidiger ersetzte Christoph Moritz im defensiven Mittelfeld und durfte direkt die Freistöße schießen. Doch mit seinem starken linken Fuß konnte er auch nichts mehr ausrichten. Note: 4 © imago sportfotodienst
José Manuel Jurado (ab 62. Minute): Fügte sich mit einer dummen Gelben Karte ein (65.) und blieb wirkungslos. In dieser Form ist sein Stammplatz bald die Ersatzbank. Note: 5
José Manuel Jurado (ab 62. Minute): Fügte sich mit einer dummen Gelben Karte ein (65.) und blieb wirkungslos. In dieser Form ist sein Stammplatz bald die Ersatzbank. Note: 5 © imago sportfotodienst
Julian Draxler (ab 83. Minute): Feierte sein Bundesligadebüt, konnte das Spiel aber auch nicht mehr drehen. Ohne Note.
Julian Draxler (ab 83. Minute): Feierte sein Bundesligadebüt, konnte das Spiel aber auch nicht mehr drehen. Ohne Note. © WAZ FotoPool
1/25

Es ehrt die Schalker, dass sie diesem kuriosen Treffer nicht die Berechtigung absprachen. Sie nannten das Tor „unglücklich“ und „dumm“, aber nicht irregulär. Auch Trainer Felix Magath gab sich als fairer Verlierer: „Das kann der Schiri nicht sehen“, meinte er. „Hand ist es ja auch nur bei Absicht. Und die will ich Ruud van Nistelrooy nicht unterstellen.“

Magath beschränkte sich auf das für ihn Wesentliche: auf die Ursachenforschung nach einer Leistung, die er schonungslos aufarbeitete. „Wir sind durch das Tor verunsichert worden, waren überfordert, haben nicht mehr zurück ins Spiel gefunden. Die Mannschaft hat sich in ihr Schicksal ergeben und sich nicht mehr gewehrt.“ Die einzige, fast zufällig entstandene Chance für Schalke in der zweiten Halbzeit vergab der heranrutschende Lukas Schmitz zwei Minuten vor Schluss.

Aber warum nur konnten sich Verunsicherung und Verzweiflung ausbreiten wie aggressive Winterviren? Warum fehlten den Schalkern nach dem Rückstand nicht nur Ideen und Überzeugung, sondern auch Elan und Energie?

Auch Magath wusste es nicht, auch er fahndete nach Gründen. „Es ist schwer zu erklären“, sagte er, auf Anhieb kam er zu nur einem logisch klingenden Schluss: „Wir haben insgesamt noch eine junge Mannschaft, da kommt so etwas schon mal vor.“

Sicher, Christoph Moritz, Lukas Schmitz und Joel Matip hatten nicht gerade ihren Sahnetag erwischt. In einer solchen Situation müssten dann die Erfahrenen vorausgehen, doch einige von denen hatten genügend mit sich selbst zu tun. Manuel Neuer, Schalkes personifizierte Lebensversicherung, ein Mann voller Kraft, Können und Selbstsicherheit, war bei manchen Ecken und Flanken kaum wiederzuerkennen. Ivan Rakitic, in der ersten Hälfte umsichtiger Stratege, schüttelte in der zweiten fast ausschließlich Fehlpässe aus dem Fußgelenk. Raúl, sonst Vorbild und Halt für die Jungen, fühlte sich zwar wie immer hingebungsvoll zur körperlichen Arbeit verpflichtet, doch Durchsetzungsvermögen oder gar Geniestreiche waren auch bei ihm nicht zu entdecken. Und Klaas-Jan Huntelaar trat so ungefährlich auf wie schon gegen Ende der Hinrunde. Der gehemmte Torjäger kämpfte sich zu wenig ins Spiel, wartete stattdessen auf Chancen, die sich nicht ergaben, und beruhigte sich mit einer Floskel: „Das kommt schon wieder.“

Und nun? Nach dem herben Rückschlag muss Schalke nach Hannover, dann erscheint Hoffenheim, bevor es zum Derby nach Dortmund geht. Zwangsläufig drängen Erinnerungen an die vier Niederlagen zum Saisonstart ins Hirn. Kann aus Zweifel wieder Angst werden? „Nein, dafür haben wir zu viel Qualität“, behauptet Innenverteidiger Benedikt Höwedes. Eine mutige Aussage nach dieser rätselhaften Mannschaftsleistung.