Gelsenkirchen. .

Nach dem Debakel vom Betzenberg stellt sich Schalkes Torwart Manuel Neuer auf die Seite der wütenden Fans. Und Felix Magath spricht seit Sonntag vom Abstiegskampf.

Als sich die Kirchgänger am Sonntag auf der Kurt-Schumacher-Straße in Gelsenkirchen für die Messe zum 1. Advent fein machten, gingen die Schalker Spieler gerade zum Straftraining. Eine Stunde Laufen im Berger Feld in kurzen Hosen und ohne Handschuhe – bei klirrender Kälte. Felix Magath wartete die Rückkehr seiner Versager zum Trainingsgelände gar nicht erst ab. Um genau 11.47 Uhr verschwand er mit seinem Sprecher Rolf Dittrich in dessen Auto. Wortlos hinter dunklen Scheiben. Es sah aus wie eine Flucht zu seiner Familie nach München. Das nächste Training auf Schalke ist am Dienstag um 9 Uhr – eine Stunde früher als gewöhnlich.

Das Debakel von Kaiserslautern hatte auch bei Magath Spuren hinterlassen. Es sei ihm schon einmal besser ge­gangen, sagte er am Sonntagnachmittag im Telefongespräch mit dieser Zeitung, als er erstmals vom „Abstiegskampf“ sprach (siehe Extra-Text). Als Folge wird Schalkes Profis der Winterurlaub bis auf fünf Tage gestrichen. „Diese Niederlage schreit nach Konsequenzen“, hatte Magath bereits am Samstag nach dem 0:5 beim Aufsteiger 1. FC Kaiserslautern gesagt – eine solche Demütigung hatte Schalke in der Bundesliga zuletzt vor mehr als 18 Jahren beim 1:6 in Leverkusen erlitten.

Die mitgereisten Fans, die sich diese Schmach auf dem Betzenberg angetan hatten, straften Schalke mit der vollständigen Beschimpfung ab, die in ihrem Repertoire für solche schmachvollen Erlebnisse vorgesehen ist. Nicht nur das eher übliche „Wir haben die Schnauze voll“. Sondern sie drohten sogar den kompletten Liebesentzug an und riefen: „Wir sind Schalker, und ihr nicht.“ Es waren, Pardon, teuflische Szenen auf dem Betze. Beim Auslaufen der Spieler dröhnte es: „Magath raus!“

Manuel Neuer, der ja selbst früher in der Kurve gestanden hat und daher weiß, wie dort das Herz schlägt, gingen diese Bilder nicht mehr aus dem Kopf. Der Kapitän schlug sich auf die Seite der Anhänger und sagte: „Die Fans haben eine lange Fahrt über eine ekelhafte Strecke auf sich genommen. Wenn man dann hier in der Kälte steht und so eine Leistung sieht, kann man diesen Aufstand verstehen.“

Tief, ganz tief war Schalke zerrissen. Während Neuer mit dem königsblauen Herzen sprach, vermutete Magath, „dass es viele Spieler gar nicht interessiert“, welche Mühen die Fans auf sich nehmen, um ihr Team zu unterstützen.

Neuer, dies war auffällig, stampfte die Mannschaft unangespitzt in den Boden: „Wir haben nichts dafür getan, um hier irgendetwas zu holen“, sagte er. Und: „Wenn man hier anfängt zu spielen und nicht kämpft, dann geht man so unter.“ Die Worte des Kapitäns wirkten wie Peitschenhiebe für die Mitspieler. Neuer sagte sogar: „Wenn wir jedes Spiel so spielen, steigen wir auf jeden Fall ab.“ Keinerlei Kritik übte er an Magath: Die Spieler seien sogar extra auf die typische Kampfesstimmung, die am Betzenberg herrscht, eingestellt worden.

Dennoch wachsen die Zweifel. Kann Magath den Laden noch in den Griff kriegen? Immer, wenn Schalke in der Champions League gut spielt und damit Hoffnung auf einen kontinuierlichen Aufschwung weckt, folgt prompt ein Rückschlag – diesmal, nur drei Tage nach dem Sieg gegen Lyon, so schlimm wie nie. Weil sich Ma­gath dies alles auch nicht mehr erklären kann, gestand er ein, dass die Zusammenstellung der Mannschaft offenbar so nicht passt: „Es gibt zu viele Spieler bei uns, die die Champions-League-Auftritte zu stark bewerten und nicht begreifen, dass die Bundesliga unser Tagesgeschäft ist, in dem wir gefälligst Leistung liefern müssen.“ Nur drei Spieler, nämlich Neuer, Metzelder und Farfan, seien mit dem nötigen Siegeswillen in das Spiel in Kaiserslautern gegangen.

Metzelder freilich war, auch wenn er anfangs tatsächlich wild entschlossen kämpfte, als Abwehrchef an zumindest drei der fünf Lauterer Tore durch Lakic (8., 56.), Amedick (39.), Ilicevic (76., Foulelfmeter) und Moravek (88.) beteiligt. Bisweilen wirkte es wie die Verweigerung der Arbeit, wie Schalke ohne Gegenwehr unterging. Magath schien hernach beinahe mit seinem La­tein am Ende, ehe er sich die Spieler am Sonntagvormittag eine Dreiviertelstunde zur Brust nahm – danach ging’s zum Laufen in die Kälte.

Der 1. Advent. Und in Schalke brennt schon der Baum.