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Seine Tränen sind nicht geflossen, aber das lag wohl nur daran, dass Raul Gonzalez Blanco sie sich sofort aus dem Augenwinkel gewischt hat. Aber was wäre das auch für ein Fußballer, der nach einer schier endlosen Zeit bei Real Madrid nicht gerührt wäre, wenn es heißt: Adios, Real, adios, Raul.

Dreiunddreißig Jahre ist Raul vor einem guten Monat geworden, und fast sein halbes Leben hat er in Madrid verbracht und für Real gespielt. 5747 Tage sind da zusammen gekommen, gestern war der Tag des Abschieds von den Königlichen: Mit einer langen Dankesrede hat sich der Stürmer von seinem Verein verabschiedet. Er hat kein Wort darüber verloren, wohin es ihn nun zieht, was bei den Fans des Fußball-Bundesligisten Schalke 04 prompt für Unruhe gesorgt hat: Als Schalker hat man ja leidvolle Erfahrungen damit gemacht, dass Träume in der letzten Sekunde platzen können.

Das wird diesmal wohl nicht passieren. Raul und Schalke sind sich einig, ein Zweijahresvertrag ist ausgehandelt, nach Informationen dieser Zeitung ist der Transfer nahezu wasserdicht und intern geht es bei den Königsblauen nur noch darum, einen Termin zu finden, an dem alle Verantwortlichen Zeit haben, um Raul der Öffentlichkeit vorzustellen – im Gespräch sind der Mittwoch und der Donnerstag.

Der Transfer wäre in der Tat der spektakulärste Wechsel, den Schalke 04 in den letzten Jahren zustande bekommen hat. Er ist vor allem ein Signal an die Konkurrenz, dass der Verein ernst damit machen will, seine Position hinter Bayern München zu verteidigen. Für Trainer und Manager Felix Magath, der in den letzten Tagen mit einem entspannten Lächeln über Raul gesprochen hat, ist der Spanier der Dreh- und Angelpunkt der Schalker Offensive.

Gegen diesen hohen Stellenwert mag auf den ersten Blick wenig sprechen. Vielleicht, dass Raul kein junger Spieler mehr ist. Dass er in Madrid zuletzt auf der Bank saß und dass er bei einem Verein, der trotz irrwitziger Investitionen seit Jahren keine spielerische Identität mehr besitzt, ein wenig seine Schnelligkeit und seine Form verloren hat. Das hat ihn womöglich auch den Stammplatz in der spanischen Nationalelf gekostet. Das und sein Spielstil, der sich nicht so recht in das Konzept des endlosen Passspiels einfügen lässt. Raul gilt eher als Typ, der sich im Raum zwischen Angriff und Mittelfeld versteckt und dann zuschlägt.

Andererseits hat Raul genügend Fürsprecher auf seiner Seite. Die Zahl seiner Tore für Real ist Legion und der fünffache Familienvater, der mit seiner Frau Mamen Sanz seit elf Jahren verheiratet ist, gilt als ehrgeizig genug, um auf Schalke seinen hoch dotierten Vertrag – die Rede ist von Summen zwischen vier und sechs Millionen Euro pro Jahr, nicht nur herunter zu spielen. Reals früherer Sportdirektor Jorge Valdano hat über Raul einmal gesagt, er verzeihe einem Trainer nicht, wenn der ihn nicht spielen lasse.

An diesen Zustand hat sich der Stürmer zuletzt gewöhnen müssen. Aber damit dürfte es beim Wechsel zu Schalke 04 vorbei sein. Felix Magath hat Raul unlängst als das Herzstück seiner Planungen für die neue Saison bezeichnet. Raul ist aber noch mehr: Er ist die sichtbare Verkörperung des Schalker Anspruchs, sich als Spitzenkraft in der Bundesliga und als eine Art Mittelmacht in der Champions League zu etablieren.

Um diesen Kurs ist auf Schalke lange gestritten worden, weil der Verein sich in den vergangenen Jahren durch hohe Personalkosten und unglückliche Transfers gewaltig verschuldet hat, und weil der Kurs auch diesmal Risiken birgt. Das Erreichen der Champions League im Mai war ein nicht einkalkulierter Glücksfall, am Ende hat sich Felix Magath mit seiner Position durchgesetzt, die Einnahmen aus diesem Wettbewerb – mindestens 20 Millionen Euro – in die Mannschaft zu stecken und nicht für den Abbau der Schulden zu verwenden.

Clemens Tönnies, Schalkes Aufsichtsratschef, hat in diesem Punkt nachgegeben. Auch die Präsentation von Raul wird Felix Magaths Stunde sein. Clemens Tönnies ist danach dran, er wird die neue Schalker Fan-Anleihe vorstellen, mit deren Hilfe der Verein zehn Millionen Euro erlösen will, die zur finanziellen Konsolidierung genutzt werden sollen. Dass Fans für ihren Lieblingsverein in die Tasche greifen, um die Misswirtschaft vergangener Jahre auszubügeln, es ist wohl Teil der Leidenschaft und nichts Neues.

Aber ein Raul kommt da als Zugpferd trotzdem gerade recht.