Gelsenkirchen. Karel Geraerts erklärt, was ihm nun bei seiner Entscheidung für Schalke 04 wichtig war. Alles geht bei Null los – aber mit klaren Prinzipien.
Karel Geraerts ist ein Bauchmensch. Auf die Mitte seines Körpers hört er genau, weshalb er schon mal zu seiner aktiven Zeit als Fußballprofi einem interessierten Verein kurz vor knapp die Zusage für einen Wechsel entzog, weil er nicht das richtige Gefühl dafür hatte. Nun, das 1:2 gegen Hertha BSC am Sonntag war für Schalke 04 so ein Moment, bei dem den Führungsgranden der kriselnden Königsblauen Zweifel hätten kommen können, ob Geraerts es sich vielleicht doch noch überlegen würde, neuer Trainer beim Drittletzten der 2. Bundesliga zu werden.
Etwaige Sorgen wären unbegründet gewesen, stellt der Belgier am Montag bei seiner Vorstellung als Nachfolger des freigestellten Schalke-Trainers Thomas Reis klar, der Stadionbesuch am Sonntag habe nichts Gegenteiliges bewirkt, denn: „Nach 10, 15 Minuten habe ich zu meiner Frau gesagt: Ich sehe hier großes Potenzial.“
Geraerts ist für Schalke die „Wunschlösung“
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Die Augen eines Fußballlehrers stimmen nicht immer mit denen der Fans auf den Rängen überein, aber Schalke 04 vertraut in Gänze auf die Sehfähigkeiten des Karel Geraerts. Der 41-Jährige, der sich seine sportliche Figur aus der Zeit bewahrt hat, in der er noch selbst für die belgischen Topklubs gegen den Ball trat, ist der 15. Schalke-Trainer seit Dezember 2012 (damals trat Jens Keller den Posten an).
Die „Wunschlösung“ aus einem „spannenden Kandidatenkreis“, wie Sportvorstand Peter Knäbel Geraerts nennt, unterschrieb nach der sechsten Saisonpleite im neunten Spiel einen bis 2025 gültigen Vertrag und hat die S04-Verantwortlichen im ersten Gespräch vor einer Woche „inhaltlich und menschlich“ überzeugt, so Sportdirektor André Hechelmann.
Obwohl Geraerts erst ein Jahr als hauptverantwortlicher Trainer bei Union Saint-Gilloise, in dem der bis vor kurzem noch unbekannte Klub die Europa League bis zum Viertelfinal-Aus gegen Bayer Leverkusen auf den Kopf stellte und erst in den letzten Saisonminuten die nationale Meisterschaft verpasste, auf dem Buckel hat, verbindet Schalke mit dem blonden Schlaks große Hoffnungen. Drittliga-Szenarien blendet der Klub zum Zeitpunkt dieses dring benötigten Umschwungs völlig aus, im ersten fünfstündigen Austausch spürte Hechelmann „die Energie und die Überzeugung in seinen Augen“ – was nun schnellstmöglich auf eine desillusionierte und verunsicherte Mannschaft übertragen werden muss.
Geraerts trainiert Schalke erstmals am Mittwoch
Die Schalker Spieler werden ab Mittwoch, wenn Karel Geraerts zur ersten gemeinsamen Trainingseinheit bittet, konzentriert und genau hinhören müssen, denn auch wenn der in Genk aufgewachsene und des Flämischen mächtige Trainer Deutsch versteht, muss er sich vorerst noch auf Englisch mitteilen. Worauf sich die zuletzt so oft defensiv wackeligen und offensiv uninspirierten Königsblauen einstellen können: auf einen Mann, der ihnen Gehör schenkt, nicht wie ein Feldwebel am Rande des Rasens Kommandos gibt, aber klare Vorstellungen hat. Geraerts, für den die Interimslösung Matthias Kreutzer ins zweite Glied rückt und der einen noch unter Vertrag stehenden Co-Trainer für seinen Schalke-Auftrag bekommen soll, mag „strukturierten Fußball von hinten heraus mit viel Bewegung“ und eine Dreierkette in der Abwehr. An die er sich aber nicht klammern werde, wenn die Erkenntnisse andere sind. „Für mich geht es um Intensität. Ich werde Schritt für Schritt meine Philosophie implementieren.“
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Dabei will er im Schalke-Berufsalltag vor allem Menschen und keine Roboter sehen, „die hart arbeiten – aber auch lachen können“. Was vergangen ist, soll vergangen bleiben; auch wenn er in den nächsten Tagen intensiv den Austausch sucht und alles kennenlernen will, wird ein Telefonat mit Thomas Reis nicht dazugehören. „Wir fangen alle bei Null an“, so Geraerts, der mit seiner Frau und den fünf Kindern ins Ruhrgebiet ziehen will.
Für die zwischenmenschliche Aufbauarbeit mag das gelten, sportlich kann der Erstliga-Absteiger nicht noch mal neu beginnen, sondern muss einen Weg aus dieser vertrackten Situation finden. Belgische Komponenten (Wilmots, Mpenza, van Kerckhoven etc.) gehören zur mittlerweile verblassten Schalker Erfolgshistorie. Karel Geraerts will ihr ein neues Kapitel hinzufügen: Wichtig sei ihm, dass die Mannschaft nach dem 0:2 gegen Hertha reagiert habe, „sie wollte die Niederlage nicht akzeptieren“. Nun wolle er in die Schalker Kabine „eine Gewinnerkultur und Siegermentalität bringen“. Am besten schon bis zum ersten Pflichtspiel am 22. Oktober beim Karlsruher SC.