Gelsenkirchen. Jens Lehmann spielte für Schalke 04 und den BVB. Vor dem direkten Duell spricht ehemalige Nationalspieler über Klubs und Torhüter.
Helden lieferte das Revierderby zwischen Schalke 04 und Borussia Dortmund viele, es hatte glückliche, traurige, schöne Momente – und es fielen viele, viele Tore. Eines davon ist Fußball-Geschichte geworden: Am 19. Dezember 1997 köpfte Jens Lehmann in der 90. Minute das Tor zum 2:2-Endstand für Schalke. Inzwischen ist Lehmann 53 Jahre alt und als er sich am Telefon meldet, um über das am Samstag (18.30 Uhr/Sky) anstehende 100. Derby in der Bundesliga zu sprechen, sagt er: „Natürlich schaue ich mir das Spiel an.“
Ruhig ist es in den vergangenen Monaten um Lehmann geworden, nicht immer hatte er sich in verschiedenen Lebenssituationen zuletzt glücklich geäußert. Seine letzten Stationen im Fußball – als Co-Trainer des FC Arsenal (2017/18) und des FC Augsburg (2019) sowie als Aufsichtsrat von Hertha BSC (2021) endeten vorzeitig.
Jens Lehmann spielte für Schalke und den BVB
Doch seine Begeisterung für Fußball hat er nicht verloren – und schon gar nicht die für das Ruhrgebiet. In Essen ist er geboren und aufgewachsen, für Schalke (1988 bis 1998) und den BVB (1999 bis 2003) hat er gespielt und dabei einige Titel geholt. Über die Bedeutung des Derbys sagt er: „Im Ruhrgebiet gibt es eine ganz andere Leidenschaft und Passion für Fußball als zum Beispiel in München. Wenn sie damit aufwachsen und dann andere Derbys erleben, denken sie: Joa, ist auch ganz nett – aber Schalke gegen Dortmund hat einen besonderen Reiz, weil die Fans so enthusiastisch und manchmal radikal in ihrer Anfeuerung sind.“
Zu Lehmanns aktiver Zeit lagen die Klubs sportlich nah beieinander – 21 Derbys bestritt Lehmann, zehn davon endeten mit einem Unentschieden. Aktuell aber ist der BVB Titel-, Schalke Abstiegskandidat. In allen zentralen Kennziffern des Profifußballs wie Umsatz, Kaderwert, Eigenkapital ist Dortmund enteilt. Lässt sich das aufholen? „Unter normalen Gesichtspunkten nicht“, sagt Lehmann. „Es sei denn, Borussia Dortmund macht viele Fehler und Schalke arbeitet sich in der jetzigen Struktur im Schneckentempo nach oben.“ Ohnehin empfiehlt Lehmann den Königsblauen eine andere Vereinsstruktur – eine Ausgliederung der Profiabteilung. „Ohne Geld dauert es Jahre, vielleicht Jahrzehnte, den Rückstand aufzuholen“, sagt er. Er weiß, dass viele Schalker Anhänger des Konzepts „eingetragener Verein“ sind. Ihnen entgegnet er: „Wenn ich als Ex-Spieler irgendwem sage, ich habe mal für Schalke gespielt, haben immer weniger Leute auf dem Schirm, dass Schalke mal gut war. Die Marke verfällt. Irgendwann haben die Kinder der eingefleischten e.V.-Fans keine Lust mehr, zu Schalke zu gehen, weil sie sich anhören müssen: Wieder im Abstiegskampf? Wieder Zweite Liga?“
Freuen würde er sich über den Klassenerhalt, fügt er hinzu – den aktuellen Aufschwung schreibt er unter anderem dem Schalker Torwart Ralf Fährmann (34) zu. Der Torwartwechsel sei „zu spät“ erfolgt. Warum? „Ein guter Torwart macht eine Mannschaft zu einer anderen Mannschaft. Der Ralf hat das Potenzial dazu, gerade weil er älter ist. Er ist ein wichtiger Faktor, dass Schalke stabil steht. Er ist groß, hat eine super Präsenz. Was ich an ihm gut finde, ist, dass er mutig sein kann, wenn er will.“ Auch in der Strafraumbeherrschung sei er gut.
Zu BVB-Torwart Gregor Kobel hat Lehmann sogar eine persönliche Beziehung. „Ich finde ihn sehr gut, ich darf auch Gregor sagen“, erzählt er. Als er in Augsburg war, stand Kobel dort im Tor. „Ich habe ihm am Anfang ein paar Sachen gesagt, da hat er geantwortet: Jens, sag’ mir nicht so viel, das überfordert mich“, sagt Lehmann. „Er hat das Zeug, Weltklasse zu werden.“
Jens Lehmann: Schalke-Fans können entscheidende Rolle spielen
Doch wie endet das Derby am Samstag? Die Vorzeichen sind eindeutig… Lehmann glaubt, das Schalker Publikum könne eine entscheidende Rolle spielen: „Auf Schalke sind die Leute mit so wenig zufrieden, dass eine gelungene Grätsche das ganze Stadion in Wallung bringen kann. Das kann den Ausschlag geben, dass man wenigstens nicht verliert.“ Als Schalke im Mai 2022 den FC St. Pauli mit 3:2 besiegte und den Aufstieg feierte, saß Lehmann im Publikum: „Man hat gesehen, was für ein Potenzial dieser Klub hat.“
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Jens Lehmann: "Es wird schwer für Schalke"
Und was ist mit dem BVB? Der BVB könnte, sagt Lehmann, auch vom Champions-League-Aus am Dienstag profitieren: „Dortmund ist Zweiter, hat gute Chancen auf die Meisterschaft. Jetzt zeigt sich, wie stark Dortmund mental ist. Vielleicht sind sie nach dem Spiel in Chelsea ein bisschen wütend. Und wer mit Wut spielt, ist nicht unbedingt schlechter als im Spiel zuvor.“
Lehmanns Fazit: „Es wird schwer für Schalke, aber im Fußball ist alles immer möglich.“ Sogar ein Torwart-Tor – wie er am 19. Dezember 1997 bewiesen hat.