Gelsenkirchen. . Freistoßtore machten Pander zu einem Schalker Derby-Helden. Im Interview spricht er über das Derby, seinen Mentaltrainer-Job und Real Madrid.

Christian Pander ist auf Schalke auch heute noch ein gerngesehener Gast. Vor allem mit seinen Freistößen begeisterte der ehemalige Linksverteidiger die Fans in der Arena – auch in vergangenen Revierderbys. Zwei Tore erzielte er in seinen sechs Derbys gegen den BVB.

Vor dem Bundesligaspiel zwischen Schalke 04 und Borussia Dortmund an diesem Samstag (18.30 Uhr/Sky) spricht der inzwischen 39 Jahre alte Ex-Profi Pander über seine prägnantesten Derby-Erinnerungen, seine Faszination für Freistöße, Rückschläge und seinen neuen Job als Mentaltrainer.

Herr Pander, welches Ihrer sechs Revierderbys schießt Ihnen als erstes in den Kopf, wenn Sie zurückblicken?

Christian Pander: Am präsentesten ist leider die 0:2-Niederlage in Dortmund 2007. Jeder kennt die Geschichte: Der BVB hat durch den Sieg dazu beigetragen, uns die Meisterschaft zu versauen. Das war einer der bittersten Tage meiner Karriere, wobei die Niederlage in Bochum zwei Wochen zuvor (1:2) sogar noch ein bisschen mehr wehtat. Ein Derby in Dortmund ist immer schwierig, da kann bei diesen Emotionen alles passieren. Aber in Bochum hätten wir einfach gewinnen müssen. Das verfolgt mich bis heute.

Warum?

Pander: Rückblickend sehe ich noch klarer, welche Dimension eine Meisterschaft mit Schalke gehabt hätte. Ich habe zehn Jahre auf Schalke gespielt und bin dreimal Vize-Meister geworden. 2007 hatten wir sogar einen kleinen Vorsprung, doch haben es als Mannschaft vergeigt.

Voller Einsatz im Derby: Schalkes Christian Pander gegen Nelson Valdez.
Voller Einsatz im Derby: Schalkes Christian Pander gegen Nelson Valdez. © WAZ

Trotz der verpassten Meisterschaft hatten Sie auf Schalke auch gute Momente.

Pander: (grinst) Besonders waren für mich immer die Derbys gegen den BVB. Das waren die geilsten Spiele, dafür habe ich gebrannt, da war ich noch motivierter als in den anderen Spielen. Gern erinnere ich mich an 2007 und 2008 zurück, wo ich jeweils getroffen habe.

Mit direkten Freistößen.

Pander: Das Gefühl, im Derby einen Freistoß in den Winkel zu schweißen, ist unbeschreiblich. Dabei müssen Sie wissen: Ich habe dafür gelebt, Freistöße zu schießen. Das war beim Fußball für mich das schönste überhaupt. Im sonst so hektischen Spiel waren Freistöße für mich Momente der Ruhe, die ich genießen konnte.

Was macht das Revierderby für Sie so besonders?

Pander: Zu meiner Zeit auf Schalke war die Erwartungshaltung der Fans nicht sehr kompliziert: Das Spiel gegen Dortmund mussten wir gewinnen, alles andere war Bonus. Auch als Spieler merkt man, dass das Derby für das Umfeld einen besonderen Stellenwert hat. Zu den Abschluss-Trainings vor dem Spiel kamen regelmäßig mehr als 1000 Fans, um uns zu unterstützen. Das gibt es woanders nicht.

Freistöße waren die Spezialität von Ex-Schalke-Profi Christian Pander.
Freistöße waren die Spezialität von Ex-Schalke-Profi Christian Pander. © firo

Sind die Versagensängste vor großen Spielen wie dem Derby bei den Profis besonders groß?

Pander: Auf jeden Fall. Ich selbst konnte mit diesen Drucksituationen zum Glück gut umgehen. Aber ich hatte in meiner Karriere auch Mitspieler, denen anzusehen war, dass sie sich in den Momenten vor großen Spielen in der Kabine oder im Tunnel unwohl gefühlt haben. Einige waren extrem nervös, das war nicht mehr gesund.

Warum war es bei Ihnen anders?

Pander: Weil ich schon früh in meiner Karriere meinen größten Kampf gewonnen habe – den Kampf gegen das Karriereende. Mit 21 Jahren hatte ich meine erste schwere Knieverletzung und viele Spezialisten haben mir damals gesagt, dass ich es nicht mehr zurück auf den Platz schaffen werde. Aber ich habe mich doch noch zurückgekämpft und durfte meinen Traum weiterleben. Das hat für mich vieles ins Verhältnis gesetzt. Die Momente, die danach kamen, waren für mich ein Bonus. Außerdem war ich mir meiner Stärken und Schwächen bewusst. Selbst nach Fehlern habe ich es ganz gut geschafft, mich nicht aus der Bahn werfen zu lassen.

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Sie sind inzwischen Mentaltrainer und ein Experte auf diesem Gebiet: Wie schafft man es, ruhig zu bleiben, wenn man sich vor einem Millionenpublikum einen großen Fehler leistet?

Pander: Das ist eine Sache des Trainings. Aber es ist ein langer Prozess, dorthin zu kommen. Es braucht niemand denken, dass Mentaltraining mit einer Wunderpille gleichzusetzen ist, die sofort alle mentalen Probleme löst. Im Coaching werden einzelne Abläufe durchgespielt, dabei geht es auch um viele Kleinigkeiten, zum Beispiel um das Visualisieren von Stresssituationen oder darum, wie ich mit mir selbst spreche. Es kann schon einen Unterschied machen, ob ich mich nach schlechten Aktionen auf dem Feld selbst runtermache oder ruhig bleibe und auf meine Stärken vertraue.

Wie kamen Sie auf die Idee, Mentaltrainer zu werden?

Pander: Ich habe zwar nicht viele Titel gewonnen, war nie Weltmeister, aber habe in meiner Karriere Höhen und Tiefen erlebt. Häufig musste ich mit Rückschlägen umgehen und habe gelernt, mich durchzukämpfen. Diese Erfahrung will ich weitergeben. Auf die Idee, Mentaltrainer zu werden, hat mich ein langjähriger Weggefährte gebracht, der selbst in dieser Branche tätig ist. Heute sind wir Geschäftspartner.

Haben Sie schon während Ihrer Profikarriere mit einem Mentaltrainer zusammengearbeitet?

Pander: Nein, unter Trainer Ralf Rangnick gab es aber mal einen Sportpsychologen auf Schalke. Bei ihm hatte ich ein Erstgespräch, doch ich war nicht begeistert. Die Chemie zwischen mir und dem Therapeuten stimmte nicht, daher war das Thema Sportpsychologie für mich als Profi schnell vom Tisch. Auf Schalke hatte ich aber eine Art versteckten Mentaltrainer.

Wie meinen Sie das?

Pander: Holger Just, der Physiotherapeut im Medicos, war immer an meiner Seite. Wegen meiner vielen Verletzungen haben wir viel Zeit miteinander verbracht. Da kamen wir ins Reden. Irgendwann haben wir mehr über das Leben und mein Wohlbefinden gesprochen als über mein Problem-Knie. Er hat sich auch für mich als Menschen interessiert.

Ist inzwischen Mentaltrainer: Ex-Schalke-Profi Christian Pander.
Ist inzwischen Mentaltrainer: Ex-Schalke-Profi Christian Pander. © RHR-Foto

Kürzlich haben Sie ein Buch über Ihre Karriere und das Mentaltraining geschrieben. Wie kam es dazu?

Pander: Schon als Jugendlicher habe ich angefangen ein Tagebuch zu schreiben, indem ich über meinen Sprung vom Jugendbereich in den Profifußball geschrieben habe. Das half mir, alles zu verarbeiten. Als ein Verlag davon gehört hat, wurde ich gefragt, ob ich nicht eine Biografie veröffentlichen möchte. Aber eine klassische Biografie kam für mich nicht infrage. Ich habe zwar eine bewegte Geschichte, doch bin kein Lionel Messi oder Cristiano Ronaldo. Für den Mainstream bin ich zu uninteressant. Mein Ansatz war es, einen Mehrwert zu liefern – das Mentaltraining. Daraus können Leser vielleicht noch etwas für ihr eigenes Leben mitnehmen.

Dass Sie in Ihrer Karriere nicht noch mehr erreicht haben, lag auch an Ihrem Verletzungspech. Wie oft denken Sie darüber nach, was gewesen wäre, wenn Ihr Knie nicht mehrfach Probleme gemacht hätte?

Pander: Nie, denn ich bin extrem glücklich mit meiner Laufbahn. Mit 21 Jahren stand ich kurz vor dem Karriereende. Mein hinteres Kreuzband, mein Innenband und das Kniescheiben-Halteband waren gerissen, der Knorpel kaputt. Drei der führenden Spezialisten haben gesagt, ich könne nie wieder Fußball spielen. Trotzdem habe ich es geschafft, Nationalspieler zu werden – auch wenn es nur zwei Länderspiele waren.

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Gibt es trotzdem Dinge, die Sie in Ihrer Karriere rückblickend anders machen würden?

Pander: Vielleicht würde ich zu Real Madrid wechseln. (lacht) Es gab 2007 eine Anfrage, aber ich hatte nicht das Gefühl, dass mich ein Wechsel zum damaligen Zeitpunkt weiterbringt. Real hat einen Linksverteidiger gesucht, aber eher als Backup für Marcelo. Rückblickend wäre es eine super Erfahrung gewesen. Ich habe damals ernsthaft über Real nachgedacht und mir sogar eine Pro- und Contra-Liste gemacht. Ganz spießig.

Warum haben Sie sich gegen Real Madrid entschieden?

Pander: Weil mir am wichtigsten war, dass ich mich wohlfühle, und bei Real wäre mir die Unsicherheit zu groß gewesen. In so einem Mega-Klub wartet niemand auf dich. Wenn du da verletzt bist oder nicht performst, bist du vom Fenster. Vielleicht hätte ich in Madrid mehr Geld verdienen können, aber ich war auf Schalke glücklich und habe gut verdient. Ich kannte alle Leute im Verein, liebe den Ruhrpott und meine Heimat war in der Nähe. Ich war damals der Meinung, dass ich im Ausland nicht so glücklich werden kann.