Gelsenkirchen. Schalke: Deutschlands Kapitän bei den ersten WM-Teilnahmen war Fritz Szepan. Sein kongenialer Klubkamerad Ernst Kuzorra blieb außen vor.

Mit stolzgeschwellter Brust lief Fritz Szepan am 27. Mai 1934 ins Stadio Artemi Franchi von Florenz ein. Der Blondschopf vom frisch gebackenen Deutschen Meister FC Schalke 04 war der erste deutsche WM-Kapitän überhaupt. Doch in Italien interessierte das wenige, denn zeitgleich rollte der Radklassiker Giro d’Italia, weshalb zum deutschen Auftaktspiel gegen Belgien nur 8000 Zuschauer kamen.

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Auch sonst war damals alles ein, zwei Nummern kleiner. Eine Gruppenphase gab es nicht, nur K.-o.-Spiele: Nach dem 5:2-Achtelfinalsieg gegen Belgien folgte im Viertelfinale ein 2:0 über Schweden. Doch in der Vorschlussrunde gegen die Tschechoslowakei setzte es eine bittere 1:3-Pleite. Dass Fritz Szepan, auf Schalke der Torjäger vom Dienst, bei der WM ohne eigenen Treffer blieb, hatte einen Grund: Unter Reichstrainer Dr. Otto Nerz musste der damals 26-Jährige die defensive Rolle eines Stoppers spielen. Am Ende wurde das DFB-Team Dritter, durch ein 3:2 im kleinen Finale gegen Österreich.

Zwei Schalker stehen im Aufgebot für die Weltmeisterschaft 1938

Fritz Szepans kongenialer Vereinskamerad Ernst Kuzorra fehlte bei der WM 1934 wegen einer Leisten-Operation. Auch sonst hatte der wohl größte Schalker aller Zeiten beim Reichstrainer einen schweren Stand: Otto Nerz verachtete den Schalker Kreisel mit dessen endlosen Ballstafetten. Er bevorzugte das Kick and Rush der Engländer. „Euer Klein-Klein bei Schalke, desch imponiert mir net“, soll der Schwabe Otto Nerz zu Ernst Kuzorra gesagt haben. „Wenn Sie und der Szepan zusamme’ spiele’, dann gibt’s doch bloß ‘e Fummelei.“ Unglaublich, aber wahr: Ernst Kuzorra absolvierte Zeit seines Lebens nur zwölf Partien im DFB-Dress, darunter kein einziges Pflichtspiel.

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Kein WM-Held, aber ein Schalker Held: Ernst Kuzorra. Hier feiert er am 20. Juni 1937 im Berliner Olympiastadion nach dem 2:0 über den 1. FC Nürnberg die Deutsche Meisterschaft.
Kein WM-Held, aber ein Schalker Held: Ernst Kuzorra. Hier feiert er am 20. Juni 1937 im Berliner Olympiastadion nach dem 2:0 über den 1. FC Nürnberg die Deutsche Meisterschaft. © Dpa

„Ernst Kuzorra verbaute sich eine eigene größere Rolle in der Nationalelf auch dadurch, dass er sich einmal vor einem Länderspiel dafür eingesetzt hatte, dass sein Schwager Fritz Szepan nachnominiert würde“, erklärt die Historikerin Dr. Christine Walther, die als Leiterin Vereinsangelegenheiten beim FC Schalke 04 auch für die Geschichtspflege zuständig ist. „Der folgende Disput führte zum Zerwürfnis mit Reichstrainer Nerz. Klage darüber führte Kuzorra jedoch nie. Ihm waren Erfolge mit dem Verein wichtiger.“

Aus im Achtelfinale 1938 gegen die Schweiz ohne Schalkes Fritz Szepan

Fritz Szepan trug auch bei der zweiten deutschen WM-Teilnahme (1938 in Frankreich) die Kapitänsbinde. In Rudi Gellesch stand noch ein weiterer Schalker im DFB-Aufgebot, das als Mitfavorit anreiste. Schließlich waren nach dem Anschluss Österreichs im März 1938 zahlreiche Topspieler wie Stürmer Hans Pesser von Rapid Wien hinzugekommen. Otto Nerz hatte die Qual der Wahl. Allerdings gab es auch politische Vorgaben für die Kaderzusammenstellung und die Aufstellung: Sowohl Deutsche als auch Österreicher sollten in angemessener Zahl vertreten sein.

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Ihm sei von Anfang an klar gewesen, dass die WM 1938 im Desaster enden würde, verriet Rudi Gellesch einige Jahrzehnte später. Als Gründe nannte er die viel zu kurze gemeinsame Vorbereitungszeit und die un­terschiedlichen Spielweisen von Deutschen und Österreichern: auf der einen Seite der von Otto Nerz propagierte Hauruck-Fußball mit langen Bällen und sturer Manndeckung, auf der anderen Seite die Wiener Schule, die – ähnlich wie Schalke damals – den feinen Flachpass bevorzugte. Zudem hatte Österreich bislang eine Art Raumdeckung praktiziert.

Fritz Szepan, Rudi Gellesch, Ernst Kuzorra und Schalke werden 1939 Deutscher Meister

Schon die erste Hürde im Turnier erwies sich als zu hoch. Gegen Achtelfinal-Gegner Schweiz hatte Otto Nerz ausgerechnet Fritz Szepan draußen gelassen. Ohne den Kapitän, der zu diesem Zeitpunkt bereits drei Meisterschaften und einen Po­kalsieg mit Schalke errungen hatte, kam das großdeutsche Team nicht über ein 1:1 nach Verlängerung hinaus. Im Wiederholungsspiel führte die DFB-Elf nach 22 Minuten planmäßig mit 2:0. Was folgte, war die größte Demütigung in der deutschen WM-Geschichte: Binnen 37 Minuten stellten die Eidgenossen die Anzeigetafel im Pariser Prinzenpark auf 2:4. Dabei blieb es.

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Fritz Szepan, Rudi Gellesch und der nicht berufene Ernst Kuzorra trösteten sich in der folgenden Saison 1938/39 mit dem erneuten Gewinn der Deutschen Meisterschaft.