Sinsheim. War das 1:5 im DFB-Pokal in Hoffenheim der tiefste Tiefpunkt des FC Schalke 04? Nein, alles ist schon einmal dagewesen. Ein Kommentar.
An Fußballabenden wie diesen sind Superlative nicht weit. Vom tiefsten Tiefpunkt war nach dem 1:5-Pokal-Debakel des FC Schalke 04 bei der TSG Hoffenheim vielfach die Rede. Die Stimmung, so viel ist sicher, liegt am Boden, nur rund fünf Monate nach der rauschenden Zweitliga-Meisterfeier. Schlimmer sogar: Die Schalker werden verspottet. Ein Tiefpunkt ist das aber nicht. Das ist alles schon einmal dagewesen. Und lange ist das noch nicht her.
Schalke so schlecht wie in der Abstiegssaison
Vor zwei Jahren fuhren die Königsblauen als Tabellenletzter der Bundesliga von Auswärtsspiel zu Auswärtsspiel und holten sich eine Packung nach der anderen ab. Mal verloren sie 0:5 in Wolfsburg, dann 0:4 in Freiburg, ein 2:4 in Hoffenheim war dabei, auch ein 1:3 in Frankfurt, das sich wie ein 1:13 anfühlte. Auch da gab es viele dunkle Stunden - die dunkelste folgte am 20. April 2021, als nach einem 0:1 in Bielefeld der verdiente Abstieg in die Zweite Liga feststand.
Verspottet wurden die Schalker seinerzeit meist virtuell, da wegen der Corona-Pandemie keine oder nur wenige Zuschauer zugelassen waren. Das ist nun anders. In Hoffenheim sangen die Fans "Einer geht noch rein" - so etwas musste sich der große FC Schalke 04 mit seinen 166.000 Mitgliedern und Millionen Fans nicht oft in seiner Vereinsgeschichte anhören. Virtuell weicht der Spott inzwischen fast schon Mitleid, so schlimm ist die Lage bei den Königsblauen.
Wie konnte es so weit kommen? Allein die Schuld bei Trainer Frank Kramer zu suchen, wäre falsch. Natürlich ist Kramer gescheitert, eine Freistellung wäre folgerichtig, da er Schalkes Mannschaft zu keinem Zeitpunkt seiner viermonatigen Amtszeit den richtigen Spielstil verpassen konnte, seine taktischen Fehler zahlreich sind und er auch mit den Fans von Beginn an fremdelte. Zu kitten wäre das Verhältnis nicht einmal mit einer Siegesserie.
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Doch verantwortlich sind auch andere. Wissentlich nahmen die Schalker im Sommer ihren Fans einen großen Teil der Aufstiegseuphorie. Sie gaben aus der Aufstiegsmannschaft, mit der sich die Fans identifizieren konnten, 16 Spieler ab und tauschten zudem den Trainer aus. Als Saisonziel formulierten sie immer und immer wieder, dass nur der Klassenerhalt zählen würde. Dass zwei Jahre lang 40 Punkte das Ziel seien, mehr nicht. Neue, unbekannte Mannschaft plus neuer, ungeliebter Trainer plus ganz kleine Ziele - das ist nicht der Stoff für Fußball-Dokus mit Happy End. Schalkes Fans sind nicht an unerreichbaren Träumen interessiert, sie schätzen Klartext sehr. Aber nachdem sie ein Jahr demütig waren, wollen sie auch in den Bundesligastadien wieder lachen können. Offensiven Fußball sehen, eine Mannschaft, die Spaß macht, die mitreißt. Eine solche Kader-Zusammenstellung und Kommunikation hätte besser gepasst, ohne dafür zu forsche Ziele ausgeben zu müssen. Mit-Aufsteiger Werder Bremen macht es vor.
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Sportdirektor Rouven Schröder, dem in der Aufstiegssaison nahezu alles gelungen war, lag nicht nur mit Kramers Verpflichtung, sondern auch mit vielen Neuen komplett daneben. Schalkes Gehaltsbudget gehört zu den niedrigsten der Liga - aber für den Klassenerhalt müsste es dennoch genügen. Doch im Kader stimmt die Balance hinten und vorne nicht. Und die im Profifußball notwendige Geschwindigkeit bringen nur wenige Spieler mit.
Der erste Schalke-Abstieg konnte auf Heidel und Schneider geschoben werden
Schalke ist selbst verschuldet in eine gefährliche Lage geraten. Und das können Schröder und Sportvorstand Peter Knäbel nicht mehr den von ihren Vorgängern Christian Heidel und Jochen Schneider geerbten Altlasten in die Schuhe schieben. Den ersten Abstieg vor zwei Jahren vor Geisterkulisse konnte Schalke noch einmal korrigieren. Ob das mit einem zweiten auch gelingen würde? Das ist offen. Immerhin eins macht Hoffnung: In der Bundesliga sind noch 24 Spieltage zu absolvieren.