Hamburg. Ein Corona-Ausbruch macht dem FC St. Pauli vor dem Topspiel auf Schalke zu schaffen. Montag trainierten die Hamburger mit einem Rumpfkader.

Am Ende des 90-minütigen Trainings hatte Athletiktrainer Karim Rashwan eine Idee: „Wenn ich den Ball über 40 Meter zu dir bringe, dann spiele ich am Sonnabend“, rief er Co-Trainer Fabian Hürzeler zu, „Klar“, sagte der. Galgenhumor – anders ist die Situation beim FC St. Pauli fünf Tage vor dem Zweitligaspiel beim FC Schalke 04 wohl kaum auszuhalten.

FC St. Pauli: Neun Spieler vor Schalke-Spiel positiv

Zu 15 Uhr hatte Trainer Timo Schultz seine spielfähigen Profis auf den Platz an der Kollau gebeten. Und schon gegen 14.35 Uhr waren Neugierige draußen am Zaun, die genau wissen wollten, wer denn nun noch übrig ist. Neun Spieler waren am Sonnabend positiv auf das Coronavirus getest und mussten in Quarantäne teilte der Verein am Sonntag mit. Dazu kommt noch Philipp Ziereis, dessen Infektion schon am Freitag bekannt geworden war.

Nach und nach kamen nun am Montag Igor Matanovic, Frank Roggow, Marcel Beifus, Jakov Medic, Jackson Irvine, Afeez Aremu, Daniel-Kofi Kyereh und Leart Paqarada aus der Kabine. Dazu die beiden Torhüter Dennis Smarsch und Sören Ahlers. Als Ergänzungen für die Übungseinheit waren die beiden U19-Spieler Lennart Appe und Til Kauschke sowie als Testspieler Torwart Daniel Adamczyk aus der Zweiten des 1. FC Köln dabei. Es war viel Platz auf dem Trainingsplatz. Immerhin waren die Trainer Schultz, Hürzeler, Loic Favé und Mathias Hain sowie die Athletikcoaches Rashwan und Hainc Scheller vollzählig am Start.

Also – Kaderliste raus und vergleichen. Es fehlten: Torwart Nikola Vasilj, die Verteidiger Ziereis, James Lawrence, Adam Dzwigala und Lars Ritzka, die Mittelfeldspieler Finn Ole Becker, Christopher Buchtmann, Lukas Daschner und Marcel Hartel sowie die Angreifer Maximilian Dittgen und Etienne Amenyido. Außerdem waren die verletzten Eric Smith und Guido Burgstaller sowie Nachwuchsspieler Niklas Jessen nicht auf dem Trainingsplatz. Rechnet man diese drei mal raus, ist das immer noch ein Spieler mehr, als die zehn, die der Club als infiziert gemeldet hatte.

Auf Schalke: So könnte St. Paulis Team aussehen

Luca Zander, Simon Makienok und Rico Benatelli waren auf dem Trainingsgelände anwesend, arbeiteten nach leichten Verletzungen aber individuell. Sie stehen auf Schalke wahrscheinlich zur Verfügung. Die mögliche Aufstellung für das Schalke-Spiel ergibt sich so fast von allein: Smarsch – Zander, Beifus, Medic, Paqarada – Aremu – Irvine, Kyereh, Benatelli – Makienok, Matanovic. Das wäre immer noch eine zweitligataugliche Truppe – aber ohne nennenswerte Alternativen in der Hinterhand.

Dass die Partie stattfindet, daran kann es Stand Montag keinen Zweifel geben. Eine Spielabsage ist laut DFL-Statut nur möglich, wenn keine neun Lizenzspieler sowie kein Torwart zur Verfügung stehen. Das ist derzeit nicht der Fall. „Der FC St. Pauli tut alles dafür, dass das Spiel in Gelsenkirchen stattfinden kann und wir eine konkurrenzfähige Mannschaft stellen“, hatte Sportchef Andreas Bornemann schon am Sonntag erklärt. Es darf nur jetzt absolut nichts mehr passieren.

Die Aufstockung des Kaders mit Spielern aus der U23-Mannschaft ist zusätzlich problematisch. Die zweite Mannschaft steckt in der Regionalliga mitten im Kampf um den Klassenerhalt, und am Sonntag steht ein eminent wichtiges Spiel gegen HGC Hannover an. Auch da wird jeder Spieler gebraucht. Normalerweise würde Schultz eventuell Spieler nach unten „ausleihen“, aber daran ist nun überhaupt nicht zu denken.

News und Hintergründe zu Schalke 04

Ein gesundheitliches Risiko wird St. Pauli jedenfalls auf gar keinen Fall eingehen. Immer wieder gibt es Profis, die nach einer Corona-Infektion mit Herzmuskelentzündungen zu tun haben. Bayerns Alphonso Davies ist ein prominentes Beispiel, ebenso Philipp Sander von Holstein Kiel, der noch auf unbestimmte Zeit ausfällt. „Das Virus stellt trotz aller Vorsichtsmaßnahmen weiterhin ein großes Risiko dar. Wir befinden uns in dieser Angelegenheit in enger Abstimmung mit den zuständigen Behörden“, sagte Bornemann.

Ziereis könnte sich theoretisch wohl am Freitag frei testen. Er hat dann seine sieben Tage Isolation hinter sich, wenn er symptomfrei und negativ ist, dürfte er gegen Schalke antreten. Ob es dazu kommt, ist unklar. Näheres über den Gesundheitszustand der betroffenen Spieler, über Symptomatiken oder nicht, teilt der Verein nicht mit.

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Holstein Kiel hat in der Vorsaison Corona wahrscheinlich den Aufstieg in die Bundesliga gekostet. Bei den Schleswig-Holsteinern wurde mehrmals das ganze Team in Quarantäne geschickt, Spiele mussten am Ende in enger Taktung nachgeholt werden – und irgendwann ging den „Störchen“ die Luft aus. „Die Situation ist nicht ganz mit der von St. Pauli jetzt vergleichbar“, sagt Fabian Boll, der noch bis Saisonende Co-Trainer in Kiel ist, „es waren gar nicht viele Spieler erkrankt, aber vor einem Jahr mussten auch Kontaktpersonen in Quarantäne.“

St. Pauli hofft auf Jetzt-Erst-recht-Stimmung

Er erinnert sich daran, dass einige Male er und der Athletiktrainer mit sechs Profis und zwei Jugendlichen das Training absolviert hatten. „Natürlich war diese Situation in unserer damals guten sportlichen Lage ein Schlag ins Kontor, man ist schon deprimiert“, erzählt der einstige St.-Pauli-Kapitän, „aber irgendwann kommt man in eine Jetzt-Erst-recht-Stimmung. Ich hoffe, dass das St. Pauli auch gelingt.“