Dresden. „Ich kriege wieder Gänsehaut“, so Dynamos Benjamin Kirsten über den 2:1-Sieg gegen Schalke 2014. Erinnerungen an einen denkwürdigen Pokalabend.

Als Schiedsrichter Deniz Aytekin die Partie abpfeift, rennen sie los, alle Mann. Trainer Stefan Böger stürmt auf den Rasen, umarmt seine Spieler und schreit seine Freude heraus, so wie man eben seine Freude herausschreit, wenn man als Drittligist einen Champions-League-Teilnehmer aus dem DFB-Pokal wirft: mit einem ungläubigen und leicht verrückten Blick. Dynamo Dresden besiegt den FC Schalke 04 mit 2:1 – es ist eine magische Pokalnacht im Spätsommer 2014. Eine, an die man sich in Dresden noch genauestens erinnert.

„Ich kriege wieder Gänsehaut“, sagt Benjamin Kirsten, wenn er über das Spiel redet. Der 34-Jährige, den in Dresden alle nur Benny nennen, stand damals im SGD-Tor. Er sah, wie Justin Eilers die 1:0-Führung erzielte, per Strafstoß (24. Minute), und Nils Teixeira mit einem furiosen Distanzschuss das zweite Tor besorgte. Da waren 50 Minuten gespielt, und die rund 30.000 Zuschauer im Rund wurden ihrem Ruf gerecht. Der Anhang peitschte die Mannschaft nach vorn, ohrenbetäubend laut. Joel Matips Anschluss kam viel zu spät für Schalke (78. Minute), Dynamo hat sie geschafft, die große Sensation.

Schalke fliegt vor großer Kulisse gegen Dynamo Dresden raus

Kirsten, Vereinseigengewächs, sprang nach dem Abpfiff auf den Zaun vor dem berüchtigten K-Block, dort stehen die besonders leidenschaftlichen Fans, und feierte den Pokalcoup. „Natürlich ist es etwas Besonderes gewesen, dass ich auf den Zaun gegangen bin“, sagt er. „Ich wurde in der Nähe von Dresden geboren, ich habe meine Vergangenheit und meine Zukunft hier.“

Dabei war Schalke der haushohe, nein sogar turmhohe Favorit. Die Knappen waren in der vorherigen Saison Dritter geworden, spielten in der Champions League. Spieler wie Klaas-Jan Huntelaar, der junge Max Meyer und Kevin-Prince Boateng in seiner Blütezeit standen in der ersten Elf. Das Aus: alles andere als eingeplant. Die Pleite läutete wohl das Ende von Trainer Jens Keller ein, wenige Monate später musste er gehen.

Benjamin Kirsten stand beim 2:1-Sieg Dynamo Dresdens gegen Schalke 04 im Tor.
Benjamin Kirsten stand beim 2:1-Sieg Dynamo Dresdens gegen Schalke 04 im Tor. © firo Sportphoto | firo

Dynamo war wenige Wochen vor dem DFB-Pokalspiel in die 3. Liga abgestiegen. „Ich war damals total traurig deswegen“, sagt Kirsten. Dresden steckte in einem Großumbruch. Und so lag vor acht Jahren eine ganze Liga Sicherheitsabstand zwischen der SGD und S04. Eine entscheidende Zutat für den Pokalcoup sei das Publikum gewesen.

Weitere Brennpunkte zu Schalke 04:

„Wir hatten von der ersten Minute an das Pokalfeeling aufgesogen. Wenn du durchgehend einen Lautstärkepegel von den Rängen hast, dass du dich nicht selbst verstehst, dann gehst du über dein Limit“, sagt Kirsten. Ob Schalke das unterschätzt habe? Kirsten glaubt das nicht, sicher aber ist, dass für Dynamo wirklich alles gepasst hatte, eine einzige schwarz-gelbe Symbiose. „Das war unser Tag.“

Dynamos Benjamin Kirsten: „Wir waren total selbstbewusst“

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„Wir waren total selbstbewusst, weil wir füreinander gekämpft und uns gegenseitig unterstützt haben. Das war unser Vorteil, und das ist Schalke zum Verhängnis geworden“, ergänzt er, „Ich wusste, dass wir uns das verdienen werden. Wir würden nicht mit Glück gewinnen, wir hatten die richtigen Spieler dafür. Dennis Erdmann zum Beispiel, oder Stürmer Justin Eilers, der zu dem Zeitpunkt in der 3. Liga eigentlich völlig falsch war.“ Dennoch verpasste Dynamo in der Saison 2014/15 die Rückkehr in die 2. Bundesliga.

Mittlerweile spielt Dresden jedoch wieder dort, genau wie der FC Schalke – am Freitag kommt es zum direkten Duell. Die Vorzeichen sind ähnlich. Das Dresdner Stadion ist seit Tagen ausverkauft, das Flutlicht wird angehen, Schalke ist als Vierter in der Tabelle der Favorit. Beide brauchen die Punkte. Schalke im Aufstiegsrennen, Dresden im Kampf um den Klassenerhalt. Dynamo ist 16. in der Tabelle, liegt auf dem Relegationsplatz.

Am Freitag trifft Schalke wieder auf Dresden – Dynamo will das nächste Spektakel

Unbedingt möchte das Team von Trainer Guerino Capretti den Abstieg vermeiden. Kirsten ist zuversichtlich, dass das gelingen wird. Im Saisonendspurt warten noch alle direkten Konkurrenten auf Dresden – doch zunächst kommt Schalke, und der ehemalige Torwart könne, sagt er, eines versprechen: „Es wird laut werden.“

Kirsten ist heute Torwartkoordinator bei Dynamo

Benjamin Kirsten ist seit dem vergangenen Sommer Torwartkoordinator bei Dynamo Dresden. Der Sohn von Ulf Kirsten musste seine Karriere beenden. 2020 unterzog er sich einer Meniskusoperation, woraufhin er nicht mehr auf den Platz zurückkehren konnte. Bei seiner SGD kümmert er sich nun um die Strukturen im Torwartbereich, er sitzt an der Schnittstelle zwischen der Profimannschaft und dem Nachwuchsbereich. Kirsten hilft dabei mit, neue Talente zu entwickeln. „Ich gebe den jungen Spielern meine Vergangenheit mit auf den Weg“, sagt er.

Es ist also klar: Dynamo ist bereit für ein weiteres Spektakel. „In der ganzen Stadt ist die Vorfreude riesig“, sagt Kirsten, der seit vergangenem Sommer Torwartkoordinator beim DDR-Dauermeister ist. „Jeder möchte am Freitag dabei sein. Die Emotionen werden sich am Freitag entladen. Von den Reinigungskräften bis zu den Köchen oder dem A-Jugend-Co-Trainer, alle werden am Freitag auf den Sitzen stehen.“ Wie damals, an diesem denkwürdigen Abend im Sommer 2014.

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