Gelsenkirchen. Schalke-Torjäger Simon Terodde spricht im Interview über den Aufstiegskampf, seine Liebe zum Fußball und seine Zukunft bei S04.

Das Training ist gerade beendet, als sich Simon Terodde vor einen Computer setzt. In Corona-Zeiten sind Interviews nur als Videokonferenz möglich. Terodde, 34 Jahre alter Torjäger des Fußball-Zweitligisten FC Schalke 04, ist in der Länderspielpause entspannt: Zuletzt gewann Schalke zwei Spiele in Folge, der Aufstieg ist noch möglich, und für ihn persönlich läuft es auch gut. Es beginnt ein Gespräch über den FC Schalke 04, den Aufstiegskampf und seine Liebe zum Fußball.

Herr Terodde, nach Ihrer Unterschrift im Frühjahr 2021 haben Sie gesagt, dass Sie Schalke „richtig erleben“ wollen. Da hat Schalke Sie aber nicht enttäuscht.

Simon Terodde: Definitiv nicht (schmunzelt). Sie spielen sicher auf das Auf und Ab in dieser Saison an. Niederlagen gehören dazu, damit muss man gut umgehen können. Und das haben wir fast immer geschafft.

Sie mussten sich auf mit Weltpolitik beschäftigen, als sich Schalke von Hauptsponsor Gazprom getrennt hat. War das selbst für Sie neu?

Terodde: Ja. Der Verein hat sehr gut gehandelt. Es hat mich stolz gemacht, im ersten Spiel nach dem Trikotsponsor-Wechsel als Kapitän aufgelaufen zu sein.

Sie haben für etliche Traditionsvereine gespielt – zum Beispiel Köln, Hamburg und Stuttgart. Was ist an Schalke so speziell?

Terodde: Im Ruhrpott allgemein wird Fußball noch einmal anders gelebt.

Simon Terodde - bisher 161 Tore in der Zweiten Liga

Simon Terodde (34), geboren in Bocholt, aufgewachsen in Rhede, ist gelernter Industriemechaniker. Erst im Alter von 23 Jahren begann seine Profikarriere richtig, nachdem er beim MSV Duisburg, Fortuna Düsseldorf und dem 1. FC Köln zwar Profiluft geschnuppert hatte, aber oft nur unterklassig spielte.

Über Union Berlin, den VfL Bochum, den VfB Stuttgart, den 1. FC Köln und den Hamburger SV kam er zu Schalke 04. Er bestritt bisher 58 Erst- (zehn Tore) und 276 Zweitligaspiele (161 Tore). Mit seiner Frau und zwei Kindern (sechs und drei Jahre alt) lebt er im Rheinland.

Was meinen Sie damit?

Terodde: Wenn du nach dem 2:1 gegen Hannover die erleichterten Leute siehst, die bei Sonnenschein nach Hause gehen, draußen noch gemeinsam etwas trinken – denen hast du das Wochenende gerettet. Zwei Wochen vorher war es umgekehrt: Du bekommst in der letzten Spielszene das Gegentor zum 3:4 gegen Rostock, fühlst dich verantwortlich für die Stimmung der Leute. Das war extrem enttäuschend. Aber diese Emotionen machen Fußball für mich aus. Ich brauche es, die Stimmung der Leute mit nach Hause zu nehmen. Dass es nicht egal ist, ob du verlierst oder gewinnst.

Sein Markenzeichen: Schalke-Torjäger Simon Terodde feiert mit einem Gruß. Er suchte einst nach einem Tor seine Eltern auf der Tribüne, den Fans gefiel der Jubel.
Sein Markenzeichen: Schalke-Torjäger Simon Terodde feiert mit einem Gruß. Er suchte einst nach einem Tor seine Eltern auf der Tribüne, den Fans gefiel der Jubel. © firo

Nun geht der Aufstiegskampf in die Endphase – für viele ist es der erste, für Sie der vierte. Kribbelt es trotzdem noch?

Terodde: Ja klar. In den sechs, sieben Wochen nach der Länderspielpause geht alles Schlag auf Schlag. Für alle Fußballer ist das eine besondere Situation – in dieser Saison vor allem auch, weil die Fans zurückgekommen sind. Vor einem Jahr zum Beispiel war das anders, weil das Publikum fehlte.

Keine Mannschaft im Aufstiegskampf hat ein so schweres Restprogramm. Schalke spielt noch gegen fünf Mitkonkurrenten. Ist das ein Vor- oder Nachteil?

Terodde: Es ist ein Vorteil, dass das Stadion wieder voll ist. Wenn wir zu Hause gegen Heidenheim, Werder Bremen und St. Pauli spielen, wird die Arena brennen. Wir können den Konkurrenten da Punkte abnehmen.

Torsten Frings hat in einem Interview gesagt, Schalke wäre zu inkonstant und würde deshalb nicht aufsteigen.

Terodde: Es ist zweitrangig, was Experten über uns sagen. Am 16. Mai, am letzten Spieltag, kann ich etwas dazu sagen. In der Länderspielpause kehren viele gute Spieler bei uns zurück. Deshalb bin ich zuversichtlich, dass wir eine gute Rolle spielen werden.

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Mike Büskens hat vor drei Wochen für Dimitrios Grammozis übernommen. Sind Trainerwechsel für Sie Teil des Geschäfts oder schmerzen sie?

Terodde: Es war ein langer Weg seit Beginn der Vorbereitung. Man versucht natürlich immer, gemeinsam über die Ziellinie zu gehen. Am Ende sind aber die Spielergebnisse entscheidend. Das 3:4 gegen Rostock war sehr enttäuschend, der Rückstand auf Platz drei betrug sechs Punkte.

Schalke-Torjäger Simon Terodde (r.) mit Ex-Trainer Dimitrios Grammozis.
Schalke-Torjäger Simon Terodde (r.) mit Ex-Trainer Dimitrios Grammozis. © firo

Sie kannten Grammozis schon aus gemeinsamen Zeiten beim VfL Bochum.

Terodde: Ich fand es riesig, wie er und sein Co-Trainer Sven Piepenbrock sich verabschiedet haben. Er hat menschliche Größe gezeigt. Ich glaube, dass er weiter vor dem Fernseher die Daumen drückt.

Sie haben in dieser Saison den Zweitliga-Rekord aufgestellt, führen die ewige Torschützenliste an. Haben Sie ein paar Monate nach den entscheidenden Toren inzwischen begriffen, was Ihnen da gelungen ist?

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Terodde: Das ist etwas für die Zeit nach dem Karriereende. Für den Moment war das schön, aber jetzt denke ich keine Sekunde mehr darüber nach.

Ihre Tore haben Sie in ganz Deutschland geschossen – im Norden beim HSV, im Osten bei Union Berlin, im Süden beim VfB Stuttgart und ganz viel im Westen. Aktuell wohnen Sie im Rheinland. Was ist an Nordrhein-Westfalen so besonders?

Terodde: Das ist eine gute Frage. Nach dem Jahr in Hamburg ohne soziale Kontakte während der Corona-Pandemie war es wie eine Heimkehr für mich. Da habe ich gemerkt, wie wohl ich mich in NRW fühle. Das Angebot aus dem Pott kam zur richtigen Zeit. Wenn mein Papa mal zum Training kommen kann oder mich Freunde im Stadion besuchen, macht das auch den Reiz für mich aus. Nach der Karriere möchte ich gerne in NRW bleiben.

Das emotionalste Tor: Nach dem 3:1 gegen Düsseldorf liegt Simon Terodde ganz unten in einem Spielerhaufen.
Das emotionalste Tor: Nach dem 3:1 gegen Düsseldorf liegt Simon Terodde ganz unten in einem Spielerhaufen. © firo

Sie haben im Ruhrgebiet auch für den MSV Duisburg und den VfL Bochum gespielt. Inwiefern verfolgen Sie den Weg der Klubs?

Terodde: Ich habe noch gute Kontakte zu einzelnen Personen beim VfL Bochum. Was die Bochumer in den letzten zwei Jahren erreicht haben, macht Spaß. Ich freue mich für die Verantwortlichen. Dem MSV Duisburg drücke ich die Daumen, dass er in der 3. Liga bleibt.

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Sie haben in ihrer Karriere für viele Traditionsklubs, aber nie international gespielt – weder bei einem Verein im Ausland noch in einem europäischen Wettbewerb. Empfinden Sie das als Makel?

Terodde: (überlegt) Nein, nicht wirklich. Ich fühle mich unglaublich wohl in Deutschland. Ich liebe die Bundesliga und den deutschen Fußball. Wenn man sich meine Klubs anschaut, wäre es mir auch nicht leicht gefallen, einem davon abzusagen und ins Ausland zu gehen. Ich sauge alles auf, auch wenn ich privat Fußball gucken gehe.

Inwiefern?

Terodde: Ich bin zum Beispiel gerne ganz früh im Stadion. Ich genieße es, ohne Siegesdruck Fußballspiele anzuschauen. Ich kann auch nicht verstehen, wie man in der 88. Minute gehen kann. Man muss doch auch die Reaktionen der Spieler nach dem Abpfiff abwarten, die Reaktionen der Fans.

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Ist es Ihnen egal, welche Liga Sie sich anschauen?

Terodde: Ja. Wenn es zeitlich passt, sehe ich mir auch mal Spiele in der 3. Liga oder der Regionalliga an.

Sie wollen nach Ihrer Profi-Laufbahn noch mit Ihren Freunden in der Altherren-Mannschaft des SV Krechting am Niederrhein spielen. Die haben aber zurzeit eine Siegesserie. Können die Sie überhaupt gebrauchen?

Terodde: (lacht) Mein bester Freund spielt vorn im Sturm, da ist das aktuell ohnehin schwierig.

Also müssen Sie noch ein paar Jahre im Profifußball bleiben.

Terodde: Ja, genau das sagt er mir auch immer. (lacht) Später werde ich am Wochenende aber sicher manchmal dazustoßen und hoffentlich noch ein paar Tore machen.

Schalke-Torjäger Simon Terodde: "Wenn wir dann in der Bundesliga spielen..."

Sie haben mal gesagt, dass Sie nach Karriereende dem Profifußball verbunden bleiben wollen, vielleicht sogar als Trainer…

Terodde: Die Trainerscheine möchte ich gern machen. Ob das am Ende etwas für mich ist, werde ich dann sehen. Das lasse ich auf mich zukommen. Ich habe Respekt davor, was die Trainer durchmachen. Sich vor 25 Spielern hinzustellen, wovon elf zufrieden sind, der Rest aber unzufrieden, ist nicht einfach. Ich habe mir aber auch andere Sachen vorgenommen.

Zum Beispiel?

Terodde: Ich möchte nach meiner Karriere viele Stadien in Europa besuchen. Ich war noch nie in Glasgow beim Old Firm – Rangers gegen Celtic. Das würde mich interessieren. Genauso wie der Boxing Day in der Premier League. Auch in Belgien und den Niederlanden möchte ich viel unterwegs sein und mir Stadien und Spiele anschauen. Mein Sohn ist dann in einem gewissen Alter und ich kann ihn mitnehmen.

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Ihr Sohn ist dreieinhalb Jahre alt. Freuen Sie sich darauf, dass Sie bald mit ihm Fußball spielen können?

Terodde: Das passiert schon jetzt. Wenn ich vom Training komme, dann ist immer die erste Frage: ,Papa, spielst du mit mir Fußball?` Gerade nach einem Spiel wie gegen Hannover, wenn man selbst 90 Minuten auf dem Platz steht, fällt es dann etwas schwerer. Er ist fußballbegeistert wie ich. Ich versuche, ihm das auch ein bisschen vorzuleben. Er schaut mit mir auch die Sportschau, ist sehr gut über die 1. und 2. Bundesliga informiert.

Ihr Vertrag hat sich automatisch vor einer Woche durch den 25. Einsatz automatisch um ein Jahr verlängert. Was muss passieren, dass Sie im Juni 2023 sagen: Es hat fußballerisch alles gepasst.

Terodde: Wenn wir dann in der Bundesliga spielen.