Gelsenkirchen.. Mit 30 Jahren hat Rufat Dadashov schon viel erlebt. Im Interview spricht der Stürmer aus Schalkes U23 über S04, RWE, die USA und Gianluigi Buffon
Nein, an Höhepunkten mangelt es in der Karriere von Rufat Dadashov nicht. Mit der Nationalmannschaft Aserbaidschans hat der Stürmer schon gegen Legenden wie Gianluigi Buffon oder Luka Modric gespielt. Das Spiel der Schalker U23 gegen Rot-Weiss Essen am Samstag (14.00 Uhr) in der Arena ist aber auch für den 30-Jährigen besonders.
Im WAZ-Interview spricht der Stürmer über seine außergewöhnliche Laufbahn, das kommende Spiel gegen RWE und sein unverhofftes Zweitliga-Debüt.
Herr Dadashov, bei Rot-Weiss Essen, dem kommenden Gegner der Schalker U23 hat ein Böllerwurf am vergangenen Wochenende für einen Eklat gesorgt. Wie haben Sie das Ganze aus der Ferne wahrgenommen?
Rufat Dadashov: Es ist unglaublich schade, dass solche Dinge im Stadion noch immer passieren. Die RWE-Fans darf man da aber nicht verallgemeinern. Es war eine Einzelperson, die dem Verein großen Schaden zugefügt hat. Wenn der Aufstieg wegen dieser Aktion womöglich am Grünen Tisch entschieden wird, wäre es ein Drama. Klar ist aber auch: Solche Aktionen müssen meiner Meinung nach bestraft werden.
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Wie können Sie Essen am Samstag ein Bein stellen?
Dadashov: Wir sind der Außenseiter, aber RWE hat mitbekommen, wie gut wir in die Rückrunde gestartet sind. Wir sind hoch motiviert, gut in Form und haben einen Plan erarbeitet, um die Essener zu ärgern. Ein bisschen Extramotivation ist für uns auch, dass wir in der Arena spielen dürfen. Die meisten von uns spielen zum ersten Mal dort. Es wird ein echtes Highlight.
Sind solche Highlight-Spiele der Grund, weshalb Sie im Sommer aus den USA zurück nach Deutschland gewechselt sind?
Dadashov: Klar, solche Spiele sind besonders. Aber wir haben die USA nicht nur aus sportlichen Gründen verlassen. In Phoenix haben meine Frau und ich uns extrem wohlgefühlt. Die zwei Jahre waren fußballerisch die vielleicht beste Zeit meiner bisherigen Karriere und der Abschied fiel mir schwer. Trotzdem haben wir entschieden, dass wir unsere Familie lieber in Deutschland, in der Nähe unserer Verwandten gründen wollen.
Wie wurde Phoenix Rising Anfang 2018 auf einen Drittligaspieler aus Deutschland aufmerksam?
Dadashov: Mein Berater hat gute Kontakte in die USA und bringt regelmäßig Profis in die Staaten. Phoenix hat einen Stürmer gesucht und mich auf Empfehlung beobachtet. Nachdem sie von mir überzeugt waren, ging alles recht schnell.
Wie ist das Niveau in der zweiten US-Liga?
Dadashov: Mit Phoenix sind wir Western Conference Champion geworden und hatten einige gute Jungs im Team – das Niveau war vergleichbar mit der 3. Liga in Deutschland. Schwächere Mannschaften in der Liga waren da eher mit Regionalliga-Teams zu vergleichen.
Wie groß war das Interesse an der Liga?
Dadashov: Das Fußballinteresse wird in den USA immer größer. Wenn die Corona-Maßnahmen Fans im Stadion erlaubt haben, waren unsere Spiele häufig ausverkauft, knapp 10.000 Leute kamen regelmäßig. Das hätte ich im Vorfeld nicht erwartet. Ich habe große Unterstützung gespürt. Auch heute bekomme ich regelmäßig noch Nachrichten von Fans und Trainern aus den USA, die meinen Weg weiterverfolgen. Es macht mich stolz, dass ich dort einen guten Eindruck hinterlassen habe.
Was hat Sie rückblickend in den USA am meisten überrascht?
Dadashov: Der Zusammenhalt in der Mannschaft war außergewöhnlich, wir waren wie eine Familie. Das kannte ich aus Deutschland nicht. Ich wurde in Phoenix aufgenommen, als hätte ich dort schon meine komplette Jugend verbracht. Auffällig war auch die Lockerheit. Wenn wir um 10.30 Uhr Training hatten, standen einige Spieler regelmäßig erst zehn oder zwanzig Minuten später auf dem Platz – in Deutschland wäre das teuer geworden. (lacht)
Auf Schalke dürfte es pünktlicher zugehen. Warum haben Sie sich gerade für die U23 der Königsblauen entschieden?
Dadashov: Ich hatte auch andere Optionen, aber als das Angebot von Schalke kam, hat mich das Feuer gepackt. Schalke ist ein riesiger Verein und die Leader-Rolle in der U23 hat gut zu meinen Ansprüchen gepasst.
Anfang Dezember durften Sie für Schalke sogar noch Ihr Debüt in der 2. Bundesliga feiern.
Dadashov: Damit hätte ich niemals gerechnet. Mit 30 Jahren in der Zweiten Liga zu debütieren, ist alles andere als selbstverständlich. Am Spieltag selbst war ich noch traurig, weil wir das Spiel verloren haben. Inzwischen überwiegt aber der Stolz, es dort auf den Platz geschafft zu haben. Abendspiel mit Schalke am Millerntor auf St. Pauli, volles Stadion – das hätte ich nicht mehr für möglich gehalten. Das Trikot aus diesem Spiel habe ich eingerahmt und zu Hause aufgehängt.
Inzwischen stehen Sie wieder regelmäßig für die U23 auf dem Feld. Zuletzt gab es fünfmal in Serie keine Niederlage. Warum läuft es inzwischen besser als noch in der Hinrunde?
Dadashov: Man darf nicht vergessen, dass die U23 eine Ausbildungsmannschaft ist und es im Sommer große Veränderungen im Kader gegeben hat. Da braucht es Zeit, bis die Mannschaft sich findet. In der Hinrunde waren wir noch zu inkonstant. Jetzt sieht man aber, was die Mannschaft imstande ist, zu leisten. Das große Ziel ist es, nicht abzusteigen. Momentan sieht es ganz gut aus, aber wir brauchen auf jeden Fall noch einige Punkte.
Welchen Spielern aus der U23 trauen Sie den Sprung in höhere Ligen zu?
Dadashov: Wir haben in der Mannschaft einige Spieler, die das nötige Talent haben, um den nächsten Schritt zu machen. Dazu zählen für mich unter anderem Bleron Krasniqi, Mika Hanraths und Leo Scienza.
Sie durften in der laufenden Saison schon Erfahrungen in der 2. Bundesliga und auch in der Regionalliga sammeln. Wo sehen Sie die größten spielerischen Unterschiede?
Dadashov: In der Regionalliga hat man viel mehr Zeit am Ball als in der 2. Bundesliga. Als Stürmer hat man da direkt einen Ellenbogen im Nacken, bevor man den Ball überhaupt richtig angenommen hat. Auch die Zweikampfhärte ist anders. Man muss viel schneller sein, hat keine Zeit, lange nachzudenken.
Spannende Erfahrungen haben Sie auch schon mit der Nationalmannschaft Aserbaidschans gemacht. Wie wurde das Nationalteam 2013 auf einen Regionalliga-Spieler wie Sie aufmerksam?
Dadashov: Ich weiß auch nicht, wie der Verband auf mich gekommen ist. (lacht) Damals war Berti Vogts Nationaltrainer. Seinen ersten Anruf habe ich für einen Scherz gehalten. Warum sollte eine solche Legende einen Regionalliga-Spieler wie mich auf dem Zettel haben? Er hat mich zu einem Lehrgang eingeladen und ich habe ihn im Training offenbar überzeugt. Als er Nationaltrainer war, kam ich regelmäßig zum Einsatz. Es war eine große Ehre. Ich werde Berti Vogts immer dankbar sein, dass er mir diese unglaublichen Erfahrungen ermöglicht hat.
Wie haben Sie Vogts als Trainer erlebt?
Dadashov: Vor meinem ersten Treffen mit ihm war ich eingeschüchtert, weil ich wusste, was er alles für Deutschland geleistet hat. Als Spieler war er ein beinharter Verteidiger, hatte den Spitznamen „Terrier“ und ich dachte, er sei auch menschlich ein harter Hund – doch das ist Quatsch. Er ist ein herzlicher und lockerer Typ, der viel lacht. Wenn man auf dem Platz kämpft und immer alles gibt, kommt man gut mit ihm zurecht.
Welche Momente sind Ihnen aus 34 Länderspielen besonders in Erinnerung geblieben?
Dadashov: 2014 haben wir vor 30.000 Zuschauern in Palermo gegen Italien gespielt. Ich habe damals noch für Saarbrücken gespielt und stand plötzlich mit Legenden wie Gianluigi Buffon, Giorgio Chiellini oder Andrea Pirlo auf dem Platz – das war surreal. Damals hatte ich von Vogts die Spezialaufgabe, Pirlo in Manndeckung zu nehmen. Wenn wir dann mal den Ball hatten, kam er oft lang in meine Richtung und ich musste gegen Chiellini und Bonucchi ins Kopfballduell. Ich hatte keine Chance, das war krank. (lacht) Besonders war aber auch unser Heimspiel gegen Nordirland 2013.
Warum?
Dadashov: In der EM-Qualifikation haben wir damals mit 2:0 gewonnen und ich hatte zur Führung getroffen. Das Stadion in Baku ist explodiert, es war die pure Ekstase, denn so oft gewinnen wir mit Aserbaidschan leider nicht. Wir haben uns nach dem Sieg gefreut, als wären wir Weltmeister geworden. (lacht)
Haben Sie spezielle Andenken an die Spiele?
Dadashov: Nach einem Spiel in Kroatien habe ich mein Trikot mit Ivan Rakitic getauscht, nach dem Italien-Spiel mit Buffon. Buffon war sehr nett und hat sich auch noch mit mir unterhalten, nachdem ich ihn angesprochen habe. Als ich dann gehen wollte, hat er mich noch zurückgehalten und gesagt, dass er auch mein Trikot haben will. Ich hatte es ihm erst nicht gegeben, weil ich dachte, er kann mit dem Trikot von mir sowieso nichts anfangen. (lacht)
Geschichten wie diese zeigen: Sie haben im Fußball schon einiges erlebt. Welche Ziele haben Sie noch für den Rest Ihrer Laufbahn?
Dadashov: Wenn ich verletzungsfrei bleibe, kann ich hoffentlich noch fünf oder sechs Jahre auf gutem Niveau spielen – das ist mein Ziel. Nach meiner Spielerkarriere will ich als Trainer arbeiten. Sofern es zeitlich passt, würde ich gern schon bald mit den ersten Lehrgängen starten. Ich durfte von vielen guten Trainern lernen und will diese Erfahrungen gern weitergeben.