Gelsenkirchen. Schalke-Profi Darko Churlinov hat seine Heimat mit 14 Jahren verlassen. Im Interview spricht er über seinen Weg, der nicht immer leicht war.

Für seinen Traum vom Profifußball verließ Darko Churlinov schon mit 14 Jahren seine Heimat Nordmazedonien. Über Rostock, Magdeburg, Köln und Stuttgart landete der Offensivspieler im Sommer bei Schalke 04 in der 2. Fußball-Bundesliga.

Im Interview erzählt der 21-jährige Churlinov von seinem außergewöhnlichen Weg – auf dem er auch einige Rückschläge hinnehmen musste.

Herr Churlinov, wie viele Tätowierungen haben Sie inzwischen?

Darko Churlinov: Ich habe aufgehört, sie zu zählen. Meine Arme sind schon komplett voll. Auch auf dem Rücken und an meinem rechten Bein habe ich einige Tattoos.

Unter anderem ein Bild Ihres großen Bruders Boris, das ihn beim Fußballspielen zeigt. Welche Geschichte steckt dahinter?

Churlinov: Mein Bruder hat mich zum Fußball gebracht und selbst auch gespielt, als er jung war. Schon mit drei Jahren durfte ich regelmäßig zuschauen, wenn er mit seiner Mannschaft trainiert hat. Ich stand am Spielfeldrand und habe die Bälle zurückgeschossen, die im Aus gelandet sind – schon damals hatte ich einen guten Schuss. (grinst) Irgendwann hat der Trainer mich gefragt, ob ich auch mitspielen möchte. Ich habe mich offenbar ganz gut geschlagen.

Schalkes Offensivspieler Darko Churlinov.
Schalkes Offensivspieler Darko Churlinov. © firo

Sie sind sechs Jahre jünger als Ihr Bruder. Wie konnten Sie in diesem Alter mit den älteren Kindern mithalten?

Churlinov: Wenn man noch so jung ist, machen schon ein oder zwei Jahre einen riesigen Unterschied. Als ich angefangen habe, mitzuspielen, war ich drei Jahre alt. Da ging es aber noch nicht um Leistung, sondern einfach darum, Spaß zu haben.

Ihr Weg hat Sie im Alter von 14 Jahren nach Deutschland geführt. Die Geschichte Ihres Wechsels zu Hansa Rostock ist allerdings außergewöhnlich.

Churlinov: Das stimmt. Mein Kindheitsfreund Dimitar Mitrovski hatte großen Anteil an meinem Wechsel nach Deutschland. Als er 13 Jahre alt war, ist er von Skopje nach Rostock gewechselt. Dort war er anfangs unglücklich, weil er sehr einsam war. Er konnte kein Deutsch und hatte niemanden, mit dem er Mazedonisch reden konnte. Sein Berater hat Hansa dann empfohlen, auch mich zu verpflichten. Als ich dann mit meiner damaligen Mannschaft ein Turnier in Serbien gespielt habe, haben mich Scouts aus Rostock beobachtet und zu einer Probewoche eingeladen.

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Wie ging es dann weiter?

Churlinov: Ich war damals erst 13 und in diesem Alter ist ein Wechsel nach Deutschland ein riesiger Schritt. Als mazedonischer Fußballer ist es sehr schwer, überhaupt die Chance zu bekommen, ins Ausland zu wechseln. In Mazedonien ist die Förderung von Talenten lange nicht so gut wie in Deutschland. Dort habe ich noch auf Beton- oder Ascheplätzen trainiert und es gab beim Training manchmal nicht genug Bälle für uns.

Wie schwer fiel Ihnen die Wechselentscheidung?

Churlinov: Als mazedonischer Junge kann man sich eine solche Chance nicht entgehen lassen. Es war ein sehr großer Schritt, ich war noch ein Kind und musste meine Eltern sehr früh verlassen. Aber wer weiß, ob ich danach noch einmal die Möglichkeit bekommen hätte, ins Ausland zu wechseln? Ich musste es einfach machen.

Ihre Eltern waren sicher nicht begeistert von der Idee, Sie ziehen zu lassen.

Churlinov: Sie wollten mich nicht gehen lassen. Ich musste meine Eltern über zwei Monate bitten, mir diese Chance zu ermöglichen. Irgendwie habe ich es aber geschafft, sie zu überzeugen. (lacht)

Überragte gegen Nürnberg mit einem Tor und einer Vorlage: Schalkes Darko Churlinov.
Überragte gegen Nürnberg mit einem Tor und einer Vorlage: Schalkes Darko Churlinov. © getty Images

Hatten Sie Angst vor diesem großen Schritt?

Churlinov: Ganz ehrlich: Ich hatte keine Angst, weil ich wusste, dass ich nichts zu verlieren habe. Meine Eltern hatten nicht viel Geld und ich war nicht sonderlich gut in der Schule. Fußball war meine Chance auf ein besseres Leben. Mir war klar, dass ich in Deutschland viel bessere Möglichkeiten haben werde, es zum Profi schaffen zu können als in Mazedonien.

In Rostock hatten Sie anfangs aber Probleme.

Churlinov: Allerdings nicht fußballerisch.

Sondern?

Churlinov: Menschlich war es schwierig, weil es einige Kinder gab, die mich nicht so herzlich empfangen haben. Ich kam aus einem anderen Land, habe kein Deutsch verstanden und war fußballerisch besser als viele andere. Damit konnten einige Kinder nicht umgehen und es fielen einige Beleidigungen. Mit damals 14 Jahren war es enorm schwierig, damit umzugehen – auch, weil ich mich sprachlich nicht wehren konnte.

Gab es Phasen, in denen Sie dachten, Ihr Deutschland-Abenteuer war eine Fehlentscheidung?

Churlinov: Natürlich. Als ich zur U17 von Rostock nach Magdeburg gewechselt bin, hatte ich eine schwere Zeit und großes Heimweh. Ich habe meine Freunde und Familie vermisst, war ganz allein und hatte eine Krise. Zu diesem Zeitpunkt war ich bereits zwei Jahre in Deutschland und seitdem kaum zu Besuch in der Heimat. Nur zweimal im Jahr war ich jeweils ein paar Wochen in Mazedonien. Weil ich nicht glücklich war, habe ich dann auch schlechter Fußball gespielt und saß deshalb nur noch auf der Bank.

Jubelt im Trikot des 1. FC Köln über ein Tor für die U19: Darko Churlinov.
Jubelt im Trikot des 1. FC Köln über ein Tor für die U19: Darko Churlinov. © Mark Bohla / FUNKE Foto Services

Wie haben Sie die Wende geschafft?

Churlinov: In den Sommerferien habe ich meine Eltern in Mazedonien besucht, danach war mein Kopf wieder frei. Im zweiten Jahr in der U17 lief es viel besser für mich, sodass der 1. FC Köln mich verpflichten wollte. In Köln habe ich dann im Internat, statt in einer eigenen Wohnung gewohnt und mich sehr wohlgefühlt. Die U19 lief perfekt, danach gab es leider Unstimmigkeiten, deshalb habe ich mich entschieden, nach Stuttgart zu gehen. Dort wurden mir andere Perspektiven aufgezeigt.

Vom VfB Stuttgart sind Sie derzeit nach Schalke ausgeliehen. Warum haben Sie den VfB im Sommer verlassen?

Churlinov: Ich hätte auch in Stuttgart bleiben können und habe nach wie vor das Gefühl, dort immer willkommen zu sein. Vom ersten Tag an haben die Verantwortlichen mich enorm unterstützt. Aber ich bin in einem Alter, in dem ich viel Spielzeit brauche und beim VfB hatte ich sehr viel Konkurrenz. Das hat mich im Training besser gemacht, doch ich habe einfach nicht genug Einsatzminuten bekommen.

Auch auf Schalke spielen Sie nicht immer von Beginn an, hatten aber auch schon tolle Spiele wie etwa gegen Nürnberg (ein Tor und eine Vorlage beim 4:1-Sieg). Wie zufrieden sind Sie mit Ihrer bisherigen Saison?

Churlinov: Auf einer Skala von 0 bis 100 würde ich sagen, dass ich bei 60 bin. Man kann nicht immer top performen. Aber es geht gar nicht darum, wie gut ich persönlich spiele. Das Wichtigste ist, dass Schalke aufsteigt – alles andere ist ganz egal.

Vor knapp zwei Wochen beim Heimspiel gegen Regensburg wurden Sie in der zweiten Halbzeit ein- und wieder ausgewechselt – von den Fans aber frenetisch gefeiert. Wie haben Sie diese Momente erlebt?

Churlinov: Es war ein sehr schöner Moment. So viel Zuspruch von den Fans zu bekommen, ist nicht selbstverständlich. Malick, Marius und ich wurden eingewechselt und haben geholfen, das Spiel noch zu drehen – nur das ist wichtig. Ob ich dann wieder ausgewechselt werde, ist zweitrangig.

Schalkes Offensivspieler Darko Churlinov bedankt sich für die Unterstützung der Fans.
Schalkes Offensivspieler Darko Churlinov bedankt sich für die Unterstützung der Fans. © getty Images

Trainer Dimitrios Grammozis hat sich im Anschluss bei Ihnen für die Auswechslung entschuldigt und Ihnen als Entschädigung ein Geschenk gemacht. Was haben Sie bekommen?

Churlinov: Das bleibt unter uns. Aber so viel kann ich verraten: Es ist ein Gutschein über etwas, das alle jungen Leute nutzen.

In Düsseldorf haben Sie als Mannschaft die vielleicht schlechteste Leistung der vergangenen Monate gezeigt. Wie konnte das passieren?

Churlinov: Wir hatten alle einen schlechten Tag. Das war nicht unser wahres Gesicht, wir haben viel mehr Qualität, als wir in Düsseldorf gezeigt haben. Leider können wir das Spiel nicht rückgängig machen, sondern nur alles daran setzen, es gegen Paderborn wieder deutlich besser zu machen.

Durch die Niederlage ist der Rückstand auf die Aufstiegsränge wieder größer geworden.

Churlinov: Es sind drei Punkte – das ist ein Spiel. Noch sind 36 Punkte zu vergeben und die Konkurrenz wird sicher nicht alle Spiele gewinnen. Es liegt nur an uns. Wenn wir alle unser Bestes geben, werden wir unsere Ziele erreichen, davon bin ich überzeugt.

Das Ziel ist der Aufstieg?

Churlinov: Natürlich. Wir haben die nötige Qualität, um aufzusteigen. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir es schaffen werden. Wenn wir in dieser Saison verloren haben, haben wir uns oft selbst geschlagen.

Aktuell sind Sie nur vom VfB Stuttgart nach Schalke ausgeliehen. Wo spielen Sie in der kommenden Saison?

Churlinov: Aktuell ist nur der Aufstieg mit Schalke wichtig für mich. Alles andere werden wir im Sommer sehen.