Gelsenkirchen. Timo Becker galt im Sommer als eines der Gesichter des Neuanfangs auf Schalke. Nun wird er offensichtlich nicht mehr gebraucht.
Gut Timo“, schallte es zu Wochenbeginn über den Trainingsplatz von Schalke 04. Im Zweikampf behauptete sich Timo Becker wenige Augenblicke zuvor gegen Rodrigo Zalazar und luchste dem Mittelfeldspieler den Ball ab – Vize-Kapitän Victor Pàlsson quittierte die Aktion mit Lob für den Rückkehrer zu den Profis. Denn erst seit dem Wochenbeginn darf Timo Becker wieder mit dem Zweitligakader trainieren. Noch in den vergangenen Wochen arbeitete er stets im Kreise der U23 – wenn man so will, wurde Becker von den Schalkern in die Regionalliga-Mannschaft abgeschoben.
Nun die neue Chance. „Timo ist erst einmal dabei, kann sich im Training zeigen und empfehlen“, sagte Trainer Dimitrios Grammozis. „Ich hoffe, dass er die Zeit jetzt nutzt, um sich wieder anzubieten.“ Ähnliche Worte wählte auch Sportdirektor Rouven Schröder, der sagte, dass Becker als langjähriger Schalker „voll integriert“ in die Mannschaft sei: „Timo kann sich jetzt zeigen.“
Timo Becker will seine neue Chance auf Schalke nutzen
Und Timo Becker will sich zeigen. Wie diese Zeitung erfahren hat, ist der 24 Jahre alte Defensivspieler hochmotiviert, will die Chance unbedingt nutzen, sich in der Vorbereitung für erneute Einsätze bei den Profis empfehlen. Obwohl die zurückliegenden Monate nicht einfach für den gebürtigen Hertener gewesen sind – für Becker gleichen sie einer Achterbahn der Gefühle.
Noch in der Rückrunde der vergangenen Saison schien er sich endgültig in die Stammformation der Schalker gekämpft zu haben. Nach der Winterpause stand Becker in 18 von 21 Bundesligaspielen der Königsblauen in der Startelf – nur Mittelfeldspieler Amine Harit startete in diesem Zeitraum häufiger. Dank seiner Einsatzbereitschaft gehörte er in einer schwachen Mannschaft regelmäßig zu den besseren Spielern. Becker war ein Lichtblick der miserablen Saison.
Belohnt wurde der 1,90-Meter-Schlacks im April 2021 mit einer Vertragsverlängerung auf Schalke. Bis 2023 hat der Defensivmann unterschrieben. „Timo Becker hat sich in den vergangenen Monaten seinen Platz in der Bundesliga-Mannschaft erkämpft und verdient“, erklärte Sportvorstand Peter Knäbel damals. Ihn an Schalke zu binden, sei eine der ersten Aufträge der damals zuständigen „Task Force Kaderplanung“ gewesen: „Dass wir dieses Vorhaben umsetzen konnten, freut uns sehr.“
Timo Becker kommt auf nur 111 Zweitligaminuten für Schalke
Nach lobenden Worten wie diesen deutete vieles darauf hin, dass Becker eines der Gesichter der Zweitligamannschaft sein wird. Aber nur weniger Monate nach der Verlängerung scheinen die Schalker Verantwortliche nicht mehr von ihm überzeugt zu sein. Nur 111 Minuten durfte er an den ersten 18 Spieltagen der laufenden Zweitligasaison ran (fünf Kurzeinsätze). In Ko Itakura, Malick Thiaw und Marcin Kaminski hat Becker in der Innenverteidigung zwar inzwischen starke Konkurrenz, doch eine echte Chance, sich zu zeigen hat der 24-Jährige in der laufenden Saison von Trainer Grammozis noch nicht bekommen. Weder innen noch auf der rechten Seite, wo er in der vergangenen Saison regelmäßig zum Einsatz gekommen war.
Statt ein wichtiger Baustein in der Zweitliga-Mannschaft zu sein, blieb Becker zuletzt nur die U23 – für den bekennenden Schalke-Fan, dürfte die Degradierung vor allem mental schwierig gewesen sein. Ohne Spielpraxis und Selbstvertrauen brauchte er auch in der U23 eine gewisse Anlaufzeit: Nach schwächerer Leistung beim 3:4 in Bonn aber steigerte sich der Defensivmann in der Regionalliga zuletzt deutlich. „Timo hat eine gute Entwicklung durchlaufen. Man merkt jetzt einfach, dass er regelmäßig zum Einsatz kommt. Er ist bei uns ein absoluter Führungsspieler“, lobte U23-Trainer Torsten Fröhling die Profi-Aushilfe kurz vor der Winterpause.
Timo Becker denkt noch nicht an Schalke-Abschied
Geht es nach Becker, führt sein Weg 2022 nicht zurück in die Regionalliga. Doch, ob Schalke bei den Profis wirklich mit dem Verteidiger plant, ist fraglich. Er gilt als ein Wechselkandidat. „Wenn der Wunsch da ist, etwas anders zu tun, werden wir darüber reden“, sagte Rouven Schröder, als er auf einen möglichen Transfer Beckers angesprochen wurde. Eine Antwort, die zeigt: Schalke würde Timo Becker bei einem Wechselwunsch keine Steine in den Weg legen. Doch ein schneller Abschied im Winter ist nach Informationen dieser Zeitung nicht im Interesse des Verteidigers.
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Timo Becker will sich auf Schalke durchsetzen – das ist für ihn nicht weniger als ein Lebenstraum. Denn schon als Kind war er glühender Fan der Königsblauen. „Jeder weiß, wie sehr ich seit Kindheitstagen am Club hänge“, sagte er noch im Zuge der Vertragsverlängerung. Dass Aussagen wie diese mehr sind als nur leere Floskeln, bewies er etwa Ende November als er zusammen mit Freunden das Schalker Heimspiel gegen den SV Sandhausen in der Nordkurve verfolgte, als er selbst nicht im Kader stand.
Eindruck hinterlassen haben auch die Bilder von Timo Becker nach dem besiegelten Abstieg in Bielefeld. Während all seine Teamkollegen nach der 0:1-Niederlage schnell in der Kabine verschwanden, saß er auf der Ersatzbank und weinte bitterlich. Tränen der Enttäuschung, die Becker auf Schalke nicht noch einmal vergießen will.