Gelsenkirchen. „Das war eine Truppe!“, sagt Uli Bittcher (63). „Auch wenn sich das doof anhört: Meine schönste Fußballzeit war meine Schalker Jugendzeit.“
Uli Bittcher gerät in Schwärmen. „Das war eine Truppe!“, sagt der 63-Jährige. Er war einer von denen, die am 24. Juli 1976 im Stadion am Schloss Strünkede im Trikot des FC Schalke 04 Deutscher A-Junioren-Meister wurden. Dank eines 5:1-Erfolges über Rot-Weiss Essen. „Es stimmte. Das hat richtig Freude gemacht, und es gab auch keinen Neid.“ Er denkt ganz kurz nach, und dann sagt er: „Auch wenn sich das doof anhört: Meine schönste Fußballzeit war meine Schalker Jugendzeit.“ Obwohl er Profi wurde und 268 Bundesliga-Spiele bestritt – 168 für Königsblau und 84 für Borussia Dortmund.
23.000 Zuschauer waren damals in Herne, um dieses Finale zu sehen, und das war für Uli Bittcher nichts Außergewöhnliches mehr. Zumal er und seine S04-Teamkollegen Mathias Schipper und Friedhelm Schütte aus dem Berliner Olympiastadion und ihren dortigen Auftritten mit der Schüler-Nationalmannschaft gegen England eine Kulisse von 65.000 Fans kannten. Und er hat auch gleich einen Einwand. „Viel faszinierender war das Halbfinale gegen den 1. FC Nürnberg“, sagt er. „Das war wirklich das Highlight und auch das beste Spiel. Die alte Glückauf-Kampfbahn war rappelvoll.“ 2:0 hieß es am 11. Juli 1976 nach zweimal 40 Minuten, ehe die Schalker A-Junioren eine Woche später dann auch die Partie in Nürnberg für sich entschieden – mit 4:3. „Wir haben in dieser Saison damals“, erzählt Uli Bittcher, „nicht ein Pflichtspiel verloren.“
Thomas Lander gelingt kurz vor der Pause Schalkes 2:1-Führung gegen RWE
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An das Endspiel kann sich der ehemalige defensive Mittelfeld-Mann, der wegen seiner Lauf- und Zweikampfstärke bekannt war, noch bestens erinnern. Obwohl es überhaupt nicht das Traumfinale war. „Mit den Essenern hatten wir gar nicht gerechnet“, sagt Uli Bittcher. Zu gerne hätten sich die Schalker revanchiert und den amtierenden Meister VfB Stuttgart geschlagen – anders als am 12. Juli 1975, als sie in Marburg mit 0:4 verloren hatten.
Doch der Titelverteidiger hatte in seinem Halbfinale gepatzt – eben gegen RWE. Und mit den Essenern hatten auch die Königsblauen im Finale zunächst Probleme. „In der ersten Halbzeit sind wir richtig geschwommen“, sagt Uli Bittcher, der den 0:1-Rückstand ausgeglichen hat. „Thomas Lander hat kurz vor der Pause das 2:1 gemacht, und dann hatten wir sie im Griff. Die Roten, Frank Mill war Kapitän, waren schon nicht schlecht. Sie haben es uns sehr, sehr schwergemacht.“
Feier nach dem Finale im Vereinslokal bei Gerd Bosch
Diejenigen, die feierten, waren aber die Schalker mit ihrem Trainer Uli Maslo (heute 83), der „der absolute Boss war und der alles allein bestimmte“, wie Uli Bittcher sagt. Und wie haben sie gefeiert? Er schmunzelt und sagt: „Auf diese Frage habe ich gewartet.“ Und? „Wir waren in unserem Vereinslokal bei Gerd Bosch im Tanzsaal an den langen Tischen“, erzählt Uli Bittcher. „Oskar Siebert und Charly Neumann waren auch da, und wir haben gegessen und getrunken.“
Was für Thomas Lander und Uli Bittcher insofern einen Haken hatte, als sie bereits am nächsten Tag ins Trainingslager der Profis nachreisen mussten. Apropos: Diese beiden sowie Peter Mentzel und Wolfgang Reichel treffen sich auch heute noch drei- bis viermal im Jahr in Buer. „Seit Corona ist allerdings Stillstand“, sagt Uli Bittcher.
Auch schon damals ging es darum, den einen oder anderen für das Profi-Team zu formen. „Das ist ja ganz normal. Wir haben als A-Jugendliche schon fünfmal die Woche abends trainiert. Sehr professionell“, sagt Uli Bittcher. Aber? Das Gefühl des Jugendfußballers kehrt nicht mehr zurück. „Wir haben ja auch privat viel gemacht. Da war nicht Training und Tschüss. Das war alles ruhiger und einfacher, aber schön. So, wie Fußball sein sollte.“
Chancenlos gegen die Schalker Nationalspieler im Schalker Sturm
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Uli Bittcher, der Horster, der sich als 15-Jähriger von der STV zum FC Schalke 04 aufmachte und genommen wurde, gehörte schließlich zu den wenigen, die später auch eine Profi-Laufbahn starteten. „Eine Etage höher“, wie er sagt. „Das war dann nicht mehr Freundschaft, das war Job. Ein Hauen und Stechen.“ So richtig los ging es am 22. Januar 1977. „Ich weiß gar nicht mehr, wer verletzt war“, sagt Uli Bittcher. „Wir haben mit 5:2 gegen Kaiserslautern gewonnen, ich habe ein Tor gemacht, und ich war drin.“ Am Ende der Saison standen für Schalke und die Vizemeisterschaft.
Einen solchen Profi-Weg wie Uli Bittcher einzuschlagen, ist aus dem A-Junioren-Meisterteam von 1976 kaum jemandem gelungen. „Schauen Sie sich unsere drei Stürmer an: Peter Mentzel, Uwe Höfer, Wolfgang Reichel. Die standen auf verlorenem Posten, sie waren gegen die Nationalspieler chancenlos, weil bei den Profis Rüdiger Abramczik rechts, Erwin Kremers links und Klaus Fischer in der Mitte waren“, sagt Uli Bittcher. „Es war ja, anders als heute, auch überhaupt nicht üblich, ständig zu rotieren.“
Dafür gab’s aber auch einen Grund, nämlich die Bezahlung: ein Grundgehalt und Jahresleistungsprämien nach der Zahl der Pflichtspiele. „Wenn du in der zweiten Halbzeit reinkamst, hast du schon nicht mehr die volle Punktprämie bekommen“, erzählt er. „Du musstest schon relativ häufig spielen. Drei, vier Jahre haben damals nicht gereicht, um sich ein finanzielles Polster aufzubauen. Du musstest zehn oder zwölf Jahre am Stück spielen.“
Notfalls auch beim BVB.