Gelsenkirchen. Die Klublegende des MSV Duisburg spielte 1983/1984 mit Schalke in der Zweiten Liga und schaffte den direkten Wiederaufstieg. Ein Interview.

Bernard Dietz ist Klublegende beim MSV Duisburg. Zum Ende seiner Fußballkarriere erlebte er noch ein Auf und Ab mit dem FC Schalke 04. In seiner ersten Saison stieg der Europameister-Kapitän von 1980 mit den Königsblauen ab. Am Ende der Spielzeit 1983/1984 feierte Dietz den direkten Wiederaufstieg. Dieses Ziel gibt sein Ex-Klub für die anstehende Saison auch aus.

Vor Schalkes Heimspiel gegen den Hamburger SV (23. Juli, 20.30 Uhr) spricht der 73-Jährige über ein Trainingslager ohne Masseur, einen Platzsturm im Parkstadion und sein Verhältnis zum aktuellen Sportdirektor Rouven Schröder.

Herr Dietz, Schalke 04 spielt wieder in der Zweiten Liga. Kommen da Erinnerungen bei Ihnen hoch?

Bernard Dietz: Die kamen schon in der vergangenen Saison hoch. Ich habe Parallelen zu unserem Abstieg gesehen. Die Mannschaft war einfach keine Einheit, und die waren wir damals auch nicht. Jeder hat bei uns sein eigenes Ding gemacht. Wolfram Wuttke konnte im Training machen, was er wollte und hat trotzdem immer gespielt. Das konnte so nicht gutgehen. Außerdem hat es mit dem Trainer Jürgen Sundermann nicht gepasst.

Was war das Problem mit Jürgen ihm?

Dietz: Er war nur ein Sprücheklopfer. Als wir in der Relegation gegen Bayer Uerdingen antreten mussten, sagte Sundermann im Vorfeld: „Die spiele ich noch in Badelatschen aus.“ Dann haben wir das Hinspiel 1:3 verloren und er hat in der Kabine von einem guten Ergebnis gesprochen. Wir dachten nur, wir hören nicht richtig. Das Rückspiel endete 1:1 – der Abstieg war besiegelt.

Hans Joachim Abel (Schalke, 2.v.re.) scheitert an Torwart Werner Vollack, Norbert Brinkmann (beide Uerdingen, Mitte) und Bernard Dietz (Schalke, re.) schauen dem Ball nach.
Hans Joachim Abel (Schalke, 2.v.re.) scheitert an Torwart Werner Vollack, Norbert Brinkmann (beide Uerdingen, Mitte) und Bernard Dietz (Schalke, re.) schauen dem Ball nach. © Imago Images

Und Sie sind mit in die Zweite Liga gegangen. Warum haben Sie sich das angetan?

Dietz: Ganz einfach, ich hatte noch einen Vertrag auf Schalke und nie einen Gedanken daran verschwendet, den Verein zu verlassen. Wir hatten Mist gebaut. Jetzt galt es, etwas wieder gutzumachen. Unser Manager Rudi Assauer hat damals auch die richtigen Leute geholt. Klaus Täuber kam von den Stuttgarter Kickers. Der wusste, wo das Tor steht. Michael Jakobs vom VfL Bochum hat unsere Abwehr verstärkt. Und Olaf Thon kam mit 17 Jahren aus der A-Jugend neu in die Mannschaft. Der war ein absoluter Gewinn für unser Mittelfeld.

Als Trainer hat Diethelm Ferner übernommen. Wie kamen Sie mit ihm klar?

Dietz: Er war ein klasse Typ, allerdings auch ein harter Hund. Weil wir die Relegation gespielt hatten und die Zweite Liga früher begann, blieben uns nur zwölf Tage Vorbereitungszeit. Die waren aber intensiv. Unser Trainingslager war in Gevelinghausen im Sauerland. Ferner hatte für jeden Tag vier Einheiten geplant. Vor dem Frühstück stand ein Hallo-Wach-Lauf an, dann mussten wir tagsüber noch zweimal ran. Und abends nach der letzten Einheit waren wir fix und fertig. Das Schlimme war: Wir konnten uns nicht einmal von einem Masseur behandeln lassen.

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Warum nicht?

Dietz: Es gab damals keinen. Jürgen Sundermann hatte im Sommer bei Racing Straßburg unterschrieben und unseren Masseur nach Frankreich mitgenommen. Einen Ersatz bekamen wir zunächst nicht. Wer im Trainingslager eine Wanne auf dem Zimmer hatte, konnte sich wenigstens ein heißes Bad einlaufen lassen. Der Rest ging mit Schmerzen ins Bett. Ich habe dann Gerd Kuipers angerufen, den ich noch vom MSV Duisburg her kannte. Der konnte dann auf Schalke als Masseur übernehmen.

Trotz der ungewöhnlich harten Vorbereitung war der Saisonstart gut. Nach acht Spielen stand Schalke bei fünf Siegen und drei Remis. Danach ging es zum vermeintlich leichten Gegner Union Solingen.

Dietz: Und dort haben wir eine richtige Abreibung bekommen. Solingen wollte es uns zeigen und hat uns mit 4:0 abgefertigt. Da war was los auf Schalke. Assauer hat getobt und Ferner hat erstmal ein Straftraining angesetzt. Spätestens jetzt wussten wir, dass wir keine Mannschaft unterschätzen durften.

Die Zuschauerresonanz in der Saison war mau. Auswärts haben sie teilweise vor weniger als 8000 Fans gespielt. Wie haben Sie sich für solche Partien motiviert?

Dietz: Mit dem Drumherum habe ich mich kaum beschäftigt. Und deshalb bin ich ein EM-Finale mit Deutschland nicht anders angegangen als ein Auswärtsspiel mit Schalke beim BV 08 Lüttringhausen. Das Spiel ist doch immer das gleiche. Es geht darum, Zweikämpfe zu gewinnen, Tore zu erzielen und als Sieger vom Platz zu gehen.

Schalke ist in der Saison 1983/1984 oft als Sieger vom Platz gegangen. Welche Erinnerungen haben Sie an den Aufstieg?

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Dietz: Am vorletzten Spieltag ging es zu Fortuna Köln. Uns fehlte noch ein Sieg, um den Aufstieg perfekt zu machen. Das Südstadion war an diesem Tag fest in Schalker Hand. Klaus Berge hat uns noch vor der Pause in Führung geschossen. Nach dem 2:0 von Thomas Kruse war alles klar. Rudi Assauer hat dann eine Party organisiert. Wir musste alle unsere Frauen anrufen und sind zum Schloss Berge nach Gelsenkirchen gefahren. Das war eine überragende Feier. Allerdings mussten wir noch ein letztes Spiel bestreiten.

Gegen Rot-Weiss Essen. Da kam es zu Tumulten.

Dietz: Die Zuschauer haben während des Spiels den Platz im Parkstadion gestürmt, uns die Schuhe ausgezogen und die Trikots vom Leib gerissen. Essens Torwart Carsten Hallmann hat sich in dem ganzen Durcheinander verletzt. Unser 5:0-Sieg wurde annulliert – und damit auch meine beiden Tore. Aber das konnte ich verschmerzen.

Blicken wir auf die kommende Zweitliga-Saison. Schafft Schalke den Wiederaufstieg?

Dietz: Nur wenn es dem Trainer gelingt, aus den Einzelspielern eine Einheit zu bilden. Schalke hatte doch auch in der Vorsaison einen besseren Kader als beispielsweise der SC Freiburg oder Union Berlin. Nur dort hatten die Trainer alles im Griff. Ich hoffe, dass Dimitrios Grammozis Schalke wieder nach oben führt. Er hat auf jeden Fall in Rouven Schröder einen sehr guten Sportdirektor an seiner Seite.

Bekommt Lob von Dietz: Schalkes Sportdirektor Rouven Schröder.
Bekommt Lob von Dietz: Schalkes Sportdirektor Rouven Schröder. © firo

Ihn kennen Sie noch aus Ihrer Trainerzeit beim VfL Bochum.

Dietz: Wir haben ihn damals vom SSV Meschede für unsere zweite Mannschaft geholt. Er war übrigens auch ein hervorragender Tennisspieler und machte sich Gedanken, auf welche Sportart er sich konzentrieren soll. Gott sei Dank hat er sich für den Fußball entschieden. An Rouven Schröder wird Schalke noch viel Freude haben.

Werden Sie in dieser Saison die Arena besuchen?

Dietz: Wenn es die Coronalage möglich macht, würde ich schon gerne wieder ins Stadion gehen. Schalke lädt seine ehemaligen Profis in der Regel zum letzten Heimspiel der Saison ein. Das ist immer ein tolles Wiedersehen. Wer weiß, vielleicht sitze ich am 33. Spieltag neben Klaus Fichtel und Olaf Thon, und wir erleben dann, wie Schalke gegen St. Pauli den Aufstieg perfekt macht.