Gelsenkirchen. Ist Schalke reif für die Bundesliga-Rückkehr? Und wie meistert man diese Mission? Die Antworten liefern zwei Experten: Olaf Thon und Didi Schacht.

Wer wissen will, wie etwas funktioniert, sollte bei ausgewiesenen Fachleuten nachfragen – zum Beispiel bei Dietmar Schacht, dem legendären Kapitän der letzten Schalker Aufstiegsmannschaft aus der Saison 1990/91: „Die Kunst in der Zweiten Liga ist es, einerseits mit der dort herrschenden rustikalen Gangart klarzukommen“, erklärt der frühere Abwehrspieler: „Andererseits darfst du natürlich nicht vergessen, dass du selbst gut Fußball spielen musst, wenn du in der Endabrechnung unter den Top-Drei oder Top-Zwei landen willst.“

Didi Schacht erinnert sich an Schalkes Aufstieg 1991

Mindestens so wichtig wie der Tabellenplatz ist für Schacht etwas anderes: „Du musst beharrlich an den Abläufen in der Mannschaft arbeiten“, sagt der 58-Jährige. „Das Ziel muss sein, defensiv wenig zuzulassen und vorne den Ball möglichst oft zu Simon Terodde zu bekommen. Wenn das klappt, besteht eine mehr als realistische Chance, dass Schalke schon in dieser Saison den Wiederaufstieg packt.“ Und wenn nicht? „Dann musst du es eben in der folgenden Saison wieder versuchen, mit den entsprechenden Feinjustierungen im Kader. Manchmal brauchst du eben Geduld.“ Schacht weiß, wovon er spricht: „Ich kam 1989 nach Schalke, das war nach dem Beinahe-Absturz in die Drittklassigkeit“, erinnert er sich. „Zur Saison 1989/90 gab der Verein dann den Aufstieg als Pflicht aus.“

Den Trainer auf halber Strecke gefeuert

Doch 1989/90 verfehlte Königsblau die Bundesliga-Rückkehr abermals, wie Schacht als mahnendes Beispiel anführt: „Nicht alle Spieler haben Schalke damals richtig verkörpert“, verrät der Mann mit der Charakter-Glatze. „Manche wussten einfach nicht zu schätzen, was für ein Privileg es ist, wenn du für diesen fantastischen Klub, diese Fans und diese Stadt spielen darfst.“ Schalke vergeigte die ersehnte Bundesliga-Rückkehr fünf Spieltage vor Schluss beim bitteren 0:2 in Kassel. Rund 5.000 mitgereiste Schlachtenbummler skandierten wütend: „Wir sind Schalker und ihr nicht!“ Einige drohten den Profis sogar Prügel an. „Vielleicht hatte unser Kader in jener Saison auch noch nicht auf allen Positionen die Qualität, um aufzusteigen“, räumt Schacht ein. „Darum hat sich Schalke im Sommer 1990 auf der einen Seite von gewissen Leuten getrennt und auf der anderen Seite wichtige Spieler wie Günter Güttler oder auch Michael Kroninger geholt.“

In der folgenden Saison 1990/91 lief es endlich wie am Schnürchen: Zwar feuerte Präsident Günter Eichberg auf halber Strecke den ebenso erfolgreichen wie beliebten Trainer Peter Neururer (trotz Platz zwei) und engagierte den strengen Aleks Ristic, „doch wir haben unser Ding einfach durchgezogen“, sagt Schacht ungerührt. „Selbstverständlich wären wir auch mit dem Peter als Trainer aufgestiegen.“ Zwei Spieltage vor Schluss machten die Knappen im Parkstadion den Wiederaufstieg klar – durch einen 2:1-Sieg über Fortuna Köln.

Thon hofft auf einen Schalke-Start wie 1983

Auch Olaf Thon weiß, wie Aufsteigen geht: 1983/84 führte der damalige Teenager den FC Schalke 04 zur zweiten Bundesliga-Rückkehr seiner Vereinsgeschichte (nach 1981/82). „Schon am 1. Spieltag gegen den SC Charlottenburg stand ich in der Startelf, als gerade 17-Jähriger. Letztlich hab ich alle 38 Ligaspiele bestritten“, erinnert sich „Thöni“ stolz an seine erste Profi-Saison und verrät einen wichtigen Teil des damaligen Erfolgsrezeptes: „Um aufzusteigen, musst du eine ganze Saison lang konstant punkten. Dazu brauchst du besondere Typen in der Mannschaft, die nicht nur gut Fußball spielen, sondern auch in kritischen Situationen furchtlos vorangehen. Die hatten wir damals in Torwart Walter Junghans, Spielgestalter Bernd Dierßen und Stürmer Klaus Täuber.“

Die vielleicht wichtigste Voraussetzung für einen Aufstieg aber sei damals wie heute ganz banal, verrät Thon: „Es geht nichts über einen guten Start.“ 1983 feierte Königsblau zum Auftakt einen 3:0-Sieg über Charlottenburg. Damit setzte sich Schalke gleich zu Beginn oben fest. „Das hat uns Rückenwind verliehen“, verrät „Thöni“, dessen Team erst am 9. Spieltag die erste Niederlage kassierte (0:4 in Solingen). „Auch für die Saison 2021/22 wünsche ich mir, dass Schalke mit viel Rückenwind startet“, betont er. „Deshalb hoffe ich für das Auftaktspiel gegen den HSV nicht nur auf drei Punkte, sondern auch auf einen dominanten Auftritt, bei dem die Null steht, wir das Tor treffen und obendrein 60 Prozent Ballbesitz haben. Das wäre der Bringer und zugleich eine Ansage an die Konkurrenz. Denn auch in der Zweiten Liga landen die Mannschaften vorne, die den besten Fußball spielen.“

„Das ist das größte Ammenmärchen“

Nach Ansicht einiger Testspiele ist Thon zuversichtlich, dass Königsblau tatsächlich eine gute Rolle spielen kann: „Wir werden ein neues Schalke erleben“, kündigt er an.

Dabei warnt er ausdrücklich davor, die neue Spielklasse falsch einzuschätzen: „Dass hier ein ganz anderer, viel primitiverer Fußball gespielt wird als in der Bundesliga, ist für mich das größte Ammenmärchen. Technisch ist die Zweite Liga vielleicht eine Spur schwächer als die Bundesliga. Aber man muss nur die vielen großen Vereinsnamen sehen, um zu wissen, wie hoch das Niveau sein wird.“ Auch das Image der Treter-Liga sei längst überholt: „Früher, in den 80ern, war die Zweite Liga viel härter als heute“, erinnert sich Thon an manche Schienbeinprellung: „Damals gab es ja noch keine Video-Schiedsrichter.“