Gelsenkirchen. Während Leverkusens Trainer Bosz Schalke lobt, kritisiert Manuel Baum nicht mal den Schiedsrichter beim Thiaw-Eigentor. Und dafür nennt er Gründe

Es kommt nicht oft vor, dass sich Fußballtrainer nach dem Spiel so intensiv mit der gegnerischen Mannschaft auseinandersetzen, wie Leverkusens Peter Bosz dies nach dem 3:0-Sieg auf Schalke tat. Bis zum entscheidenden Tor zum 3:0 in der 78. Minute habe er unruhig auf der Bank gesessen, bekannte der Holländer, denn der Gegner habe seinem Team alles abverlangt: „Diese Schalker Mannschaft hat heute gut gespielt, das muss ich ehrlich sagen. Die haben uns aggressiv angelaufen, die waren in großen Teilen des Spiels sehr kompakt. Natürlich haben wir Großchancen gehabt. Trotzdem hatte ich auf der Bank nicht das Gefühl, das Spiel ist gelaufen. Und das ist ein Kompliment für Schalke.“ Nein, erklärte Bosz, es sei nicht so einfach gewesen, auf Schalke zu gewinnen, wie das Ergebnis aussieht.

Das Foulspiel vor dem Eigentor? Für Schalkes Trainer keine Ausrede

Peter Bosz sagte das nicht aus Jux und Dollerei. Der 57-Jährige mit dem markanten Gesicht spürte genau, welche Stimmung nah am Rande der Verzweiflung sich auf Schalke breit machte. Und als Trainer weiß er aus eigener Erfahrung, dass nicht alles immer nur mit dem Ergebnis zu erklären ist. Auch Schalkes Manuel Baum fand den Spielverlauf nicht so eindeutig, „dass wir die ganze Zeit an die Wand gedrückt wurden.“ Dennoch, und das war bemerkenswert, suchte er die Schuld für die Niederlage allein bei Schalke. Baums Kernaussage: „Es ist wirklich fast zum Kotzen. Wir laufen mehr als der Gegner, wir sprinten mehr, wir investieren ohne Ende. Aber das Schlimmste ist, wie wir unsere Gegentore kassieren.“ Das sei, mit Verlaub, „viel zu billig, wie wir so ein Spiel herschenken.“

Heruntergedrückt: Dragovic schubst Thiaw - der köpft ins eigene Tor.
Heruntergedrückt: Dragovic schubst Thiaw - der köpft ins eigene Tor. © AFP | LEON KUEGELER

Ausdrücklich nannte Schalkes Trainer in diesem Zusammenhang auch das Eigentor von Malick Thiaw zum 0:1. Dabei hätte er da, gerade in dieser Lage, Zeter und Mordio schreien können über das vorangegangene Foul des Leverkuseners Dragovic an Thiaw – so wie es Sportvorstand Jochen Schneider bei Sky getan hatte („Mir schreiben vier Verantwortliche von anderen Vereinen, dass es eine Frechheit ist, das Tor zu geben“). Baum verzichtete darauf. Auf Nachfrage der WAZ sagte er: „Wir hören im Fußball immer so viele Leute jammern, dass irgendwelche anderen schuld sind. Ich glaube, davon müssen wir uns auf Schalke lösen. Wir haben uns das selber eingebrockt, dass wir in der Situation sind. Das Tor hat nicht der Schiedsrichter geschossen.“

Das mathematische Problem: Schalke braucht mehr als 100 Prozent

Schalke, erklärte Baum, hätte diese und andere Situationen mit eigenem Zutun besser verteidigen können. Als er die Entstehung der Gegentore beschrieb, wurde deutlich, warum er sein Gefühl mit „total verärgert“ angab: „Bei der ersten Standardsituation machen wir ein Eigentor. Beim Standard zum 2:0 stehen wir zu zweit an einem Mann und blocken uns gegenseitig weg. Und beim dritten Tor verlieren wir den Ball vorher.“

Für Schalke ist das umso bitterer, weil die Mannschaft ansonsten wirklich viel gegeben hatte. Man könnte auch sagen: Sie hatte sich dumm angestellt, aber sie hatte immerhin gekämpft und läuferisch alles in die Waagschale geworfen. Noch nie war Schalke in dieser Saison so viel gerannt: 120,65 Kilometer – und damit fast drei Kilometer mehr als Leverkusen, das sonst das laufstärkste Team der Liga ist. Doch wer sich damit nicht belohnt, wer hinten Fehler macht und vorne seine Konter unklug ausspielt und nicht einmal einen Elfmeter nutzen kann, der landet irgendwann in der Verzweiflung. „Wir tun alles“, versichert Baum kämpferisch, „aber es ist halt typisch für Mannschaften gerade unten in der Tabelle, dass man wahrscheinlich noch deutlich mehr machen muss, um einfach Spiele zu gewinnen.“

In den Zweikämpfen wie vor den ersten beiden Gegentoren, so der Trainer, würden eben in der Bundesliga nicht 95 Prozent ausreichen, „sondern wir brauchen wahrscheinlich im Augenblick mehr als 100 Prozent“. Da Baum als ehemaliger Lehrer der Prozentrechnung mächtig ist, fügt er an, dass dies natürlich nicht geht, aber damit ist Schalkes Leid beschrieben: Es muss noch viel mehr kommen, um so ein Spiel wie gegen Leverkusen auch mal zu gewinnen. Die Anerkennung vom gegnerischen Trainer mag zwar moralisch aufbauend wirken, aber Punkte bringt sie nicht.

Jetzt Gegner auf Schalker Augenhöhe?

Kärgliche drei Zähler hat Schalke in acht Bundesligaspielen unter Manuel Baum geholt. Es ging dabei nicht nur gegen Top-Teams wie Leipzig, Dortmund, Gladbach oder Leverkusen, sondern auch gegen Liga-Durchschnitt oder weniger: Drei Unentschieden gab es gegen Union Berlin, Stuttgart und Mainz nur. Bis zum Jahresende folgen jetzt noch drei Spiele gegen Mannschaften dieser Kategorie: Erst in Augsburg und dann zu Hause binnen vier Tagen gegen Freiburg und Bielefeld. Wenn nicht jetzt, wann dann?

Manuel Baum sagt: „Jetzt kommen für uns die entscheidende Spiele bis Weihnachten, wo wir Gegner haben, die im Moment auf Augenhöhe sind.“ Über die Bedeutung sind sich alle auf Schalke im Klaren.