Gelsenkirchen. Mehrere Experten haben Schalke 04 nach 25 Sieglos-Spielen bereits abgeschrieben. Bernard Dietz glaubt noch an seinen Ex-Klub.
Der Dienstag stand im Hause Dietz ganz im Zeichen des Fußballs. Bernard Dietz, Kapitän der Europameister-Mannschaft von 1980 und ehemaliger Schalker Abwehrspieler (135 Profi-Einsätze, acht Tore), schaltete am Abend die Champions League-Übertragung im Bezahlsender Sky ein, um sich dort spannende Duelle anzuschauen. „Das ist doch in Corona-Zeiten das Einzige, was mich noch aufrecht hält. Meine Frau Petra sieht mich an solchen Tagen eigentlich nur, wenn ich kurz zum gemeinsamen Abendbrot komme“, so Dietz.
Schalke 04: Für Dietz ist der Absturz überraschend
Zu Wochenbeginn hatte sich der 72-Jährige bereits bei einem anderen Anbieter mit Drittliga-Fußball versorgt. Dietz schaute sich unter anderem den SV Meppen gegen den FC Ingolstadt an. Beides Konkurrenten seines langjährigen Vereins MSV Duisburg, bei dem „Ennatz“ bis Sommer 2019 noch im Vorstand mitmischte, bevor sich die Wege wegen unterschiedlicher Auffassungen trennten. Natürlich gilt das Hauptaugenmerk von Bernard Dietz aber der Fußball-Bundesliga. Der Spielklasse, in der sein früherer Klub Schalke 04 auf dem letzten Tabellenplatz dümpelt.
„Das kann eigentlich nicht sein“, sagt Dietz im Gespräch mit dieser Zeitung, „ für mich ist das eine Überraschung, dass die Königsblauen in dieser Serie so große Probleme haben.“ Im Gegensatz zu Experten wie Stefan Effenberg, Marcel Reif oder Steffen Freund, die Schalke entweder schon abgeschrieben oder beim Thema Rettung zumindest ein „schlechtes Gefühl“ spüren, sieht Dietz noch Licht am Horizont.
„Ich glaube schon, dass Schalke da unten noch herauskommt. Allerdings wird es jetzt Zeit, zu punkten“, warnt der Familienvater, der mit Schalkes Ikone Olaf Thon noch regelmäßig Kontakt hält. „Dass Schalke 04 jetzt 25 Bundesliga-Spiele in Folge nicht gewonnen hat, ist für mich unfassbar. Das kann man sich gar nicht vorstellen. Normalerweise muss doch da im Spielerkreis auch etwas passieren, wenn du so viele Monate ohne Erfolg bleibst. Da muss man doch mal sagen: Halt, so geht das nicht weiter“, meint der einstige Libero, der sich durch seine engagierte Spielweise in die Herzen der Fans kämpfte. Insgesamt 602 Profi-Einsätze absolvierte der Defensivmann in seiner Laufbahn, davon exakt 157 Partien im königsblauen Dress. Einer seiner bittersten Momente: Am 19. Juni 1983 stieg „Ennatz“ mit Schalke 04 aus der Bundesliga ab. https://www.waz.de/sport/fussball/s04/reck-ueber-s04-profis-verstehen-nicht-was-schalke-bedeutet-id231046848.html
Viel Unruhe führte zum Abstieg
Nach einem 1:3 im Relegations-Hinspiel in Uerdingen gab es zuhause nur ein 1:1. Das war zu wenig. „Bei uns war damals zu viel Unruhe drin, es gab einen Trainerwechsel, dazu stimmte es bei uns in der Mannschaft nicht so. Irgendwann kriegst du so eine Negativ-Spirale dann nicht mehr gestoppt“, stellt er rückblickend fest.
Dietz blieb nach dem Abstieg und erlebte etwas, was heute angesichts der unzähligen Mitarbeiter, die die Profis umschwärmen, undenkbar wäre: „Damals hat uns unser Masseur verlassen. Wir sind dann ohne medizinische Betreuung ins Trainingslager gefahren“, sagt Dietz schmunzelnd. Mit 35 Jahren lief er erstmals in seiner Karriere in der 2. Liga auf und schaffte mit Schalke schließlich die Bundesliga-Rückkehr.
Den Ansatz von Ex-Nationalspieler Oliver Reck, dass sich die S04-Profis vor Augen führen müssen, was es überhaupt heißt, für den Klub zu spielen, sieht Dietz so nicht: „Wir wussten in den 80er Jahren, was Maloche für Schalke heißt. Heute ist die Spieler-Generation komplett anders. Auch auf Schalke.“ Sein augenzwinkernder Tipp: „Der Olaf Thon soll mal in die Kabine gehen und den Jungs da sagen, was Schalke 04 bedeutet. Vielleicht kriegen sie danach die Kurve.“