Berlin. Schalke 04 und Trainer David Wagner verzichten beim 1:1 bei Union Berlin auf die Beton-Taktik. Trotzdem rückt der Europapokal in weite Ferne.
So richtig Spaß am Fußball-Bundesligaspiel zwischen Union Berlin und Schalke 04 hatten nur 30 Fans, die nicht im Stadion waren. Unentwegt feuerten sie aus dem angrenzenden Wald unter Einhaltung des Mindestabstands ihre Mannschaft an - sie werden das 1:1 (1:1) sicher nicht vergessen. Alle anderen, die an diesem Spiel beteiligt waren, wahrscheinlich schon.
Auch interessant
Schalkes Trainer David Wagner sah das auch so. „Ich habe von beiden Mannschaften relativ wenige fußballerische Glanzlichter gesehen“, resümierte er. Die Schalker holten nach der Corona-Unterbrechung ihren ersten Punkt, immerhin das. Aber sie blieben zum zwölften Mal in Folge ohne Sieg. Den Negativrekord aus dem Jahr 1993 haben sie damit eingestellt.
Wagner wählte ganz andere Ansprache im Training
Damit das nicht passiert, hatte Wagner während der Woche und am Spieltag einiges geändert. Im Training setzte er auf eine deutlichere Ansprache und andere Abläufe. Und die Aufstellung sah anders aus als in den vergangenen Wochen - mit einer 4-4-2-Taktik statt eines Betonsystems. Da sieben Spieler fehlten, rückte Abwehrspieler Salif Sané ins Mittelfeld. Und auf der Tribüne saß als Maskottchen Benjamin Stambouli, dem nach auskurierter Verletzung noch die Fitness fehlt.
Doch während Stambouli seine Teamkollegen wie ein zweiter Trainer unentwegt nach vorne peitschte, trabten die Spieler in den ersten 25 Minuten so langsam über den Platz, als würden sie liebend gern ohne zu schwitzen so schnell wie möglich wieder ins Ruhrgebiet zurückfliegen. Union Berlin kam zu zwei Ecken, vier dicken Chancen und auch einem Tor.
Caligiuri beklagt: "Leisten uns immer wieder kleinen Fehler, der zum Gegentor führt"
In der zehnten Minute leistete sich Schalkes Linksverteidiger Juan Miranda einen dummen Ballverlust im Spielaufbau. Der Berliner Anthony Ujah reagierte schnell und spielte den Ball in den Lauf von Robert Andrich. Der lief Bastian Oczipka davon und erzielte mit einem Flachschuss das verdiente 1:0 für Union Berlin. „Wie in jedem Spiel leisten wir uns einen kleinen Fehler, der zum Gegentor führt“, schimpfte Kapitän Daniel Caligiuri.
Auch interessant
Nach vorn gelang Schalke nichts - bis die 28. Minute anbrach. Der Ball sauste nach einem Flachschuss von Jonjoe Kenny ins linke Eck des Berliner Tores - ein Treffer, das sich nicht angedeutet hatte. Es war Schalkes erste gefährliche Szene. „Dieses Tor fiel wie aus dem Nichts“, sagte Berlins Trainer Urs Fischer.
Schalker Spieler feuern sich plötzlich gegenseitig an
Bis zur 88. Minute passierte in den Strafräumen dann nichts mehr. In den 60 Minuten dazwischen blieben die Torhüter Rafal Gikiewicz (Berlin) und Alexander Nübel (Schalke) beschäftigungslos. Kombinationen gab es keine, intensive Zweikämpfe aber viele. Die Königsblauen wehrten sich und feuerten sich auch auf dem Platz an - das war zuletzt nicht immer so. „Warum das vorher nicht so war“, sagte Stürmer Michael Gregoritsch, „kann ich nicht sagen. Für heute kann ich sagen, dass wir die Energie auf den Platz bringen wollten, die wir normalerweise von den Fans bekommen.“ Auch Caligiuri lobte seine Mitspieler: „Nach 20 Minuten sind wir gut reingekommen und haben den Ball besser laufen lassen. Es läuft nicht alles wie am Fließband, aber wir versuchen, uns da reinzukämpfen.“
Und doch hätte Schalke beinahe noch verloren. In der Schlussphase des nun schwachen, aber jederzeit spannenden Spiels, erhielten die Berliner drei Ecken innerhalb von zwei Minuten. Nach einer tauchte Keven Schlotterbeck frei vor dem Tor auf, doch er schoss Alexander Nübel an (88.). Da war mehr drin.
S04-Trainer Wagner ist schon mit kleinen Dingen zufrieden
Es blieb beim 1:1. Und während die Union-Spieler kurz das Stadion verließen und sich bei ihren Waldfans bedankten, grantelte Trainer Fischer: „Das Ergebnis ist sehr schmeichelhaft für Schalke. Wir hätten schon nach der ersten Halbzeit 2:1 oder 3:1 führen müssen.“ David Wagner war diesmal schon mit ganz kleinen Dingen zufrieden: „Dass sich die Mannschaft zurückgekämpft und einen Fight angeboten hat, das war gut.“
In einer Woche, wenn Bayer Leverkusen nach Gelsenkirchen kommt (Sonntag, 18 Uhr/Sky), droht das 13. Spiel in Folge ohne Sieg - und damit der alleinige Negativrekord. Würde Wagner das wurmen? „Das würde mich natürlich alles andere als glücklich stimmen“, sagte er und ergänzte: „Aber weder im Erfolg noch im Misserfolg geht es um mich.“
Rückstand auf Europapokal-Plätze beträgt nun sieben Punkte
Die Saison ist definitiv ein Misserfolg. Den Europapokal wird Schalke erneut verpassen - vier Spieltage vor Schluss ist der Rückstand auf sieben Punkte gewachsen. Aber auch am Sonntag hatte Schalkes Auftritt nichts mit internationalen Ambitionen zu tun. An einem Nachmittag zum Vergessen.