Gelsenkirchen. Schalke diskutiert über eine Ausgliederung, um den Klub zu entschulden. Sportbusiness-Experten erklären, wie viel Geld dieser Schritt einbrächte.
Betrachtet man die gegenwärtige Situation des FC Schalke 04, gibt es nicht viel Anlass zu Optimismus – zumindest nicht auf den ersten Blick. Doch der renommierte Sport-Ökonom Prof. Dr. Christoph Breuer nennt ein überragendes Pfund, mit dem „Königsblau“ immer noch wuchern kann: „Schalke hat sicherlich einen enorm hohen Markenwert“, erklärt der Wissenschaftler von der Deutschen Sporthochschule in Köln: „Nur dieser Wert hat es möglich gemacht, dass der Verein trotz seiner Finanzsituation noch am Leben ist. Anders ausgedrückt: Weil Schalke so eine starke Marke ist, hat man bislang noch immer Geldgeber gefunden.“ Diese Strahlkraft sei es auch, die den Knappen im Falle einer Ausgliederung und anschließenden Investorenbeteiligung eine gigantische Geldspritze in deutlich dreistelliger Millionenhöhe bescheren könnte, sagt Breuer.
Schalkes Unternehmenswert beträgt 814 Millionen Euro
Das internationale Wirtschaftsprüfungsunternehmen KPMG führt den FC Schalke 04 in seinem kürzlich erschienenen globalen Ranking der wertvollsten Fußballvereine auf Platz 15.Der königsblaue Unternehmenswert beträgt demnach 814 Millionen Euro. Damit rangieren die Knappen zwar drei Plätze hinter dem BVB (Platz 12/1,28 Milliarden), aber deutlich vor Branchengrößen wie Milan (Platz 22/526 Millionen) oder Ajax (Platz 23/432 Millionen). Für den Zeitraum von 2016 bis 2020 ermittelte KPMG für Schalke in einem allgemein boomenden Fußballmarkt sogar eine 30-prozentige Wertsteigerung – und das, obwohl man in dieser Zeit nur einmal (2018/19) in der lukrativen Königsklasse antrat. Schalkes Marketingvorstand Alexander Jobst nahm diese Bewertung erkennbar zufrieden auf – womöglich auch mit Blick auf einen etwaigen Verkauf von Anteilen: „Das Ergebnis (…) zeigt deutlich, dass Schalke 04 weiterhin zu den wertvollsten Fußballmarken weltweit gehört. Unabhängig vom sportlichen Erfolg hat sich in den vergangenen Jahren unsere langfristige Strategie der Eigenvermarktung unserer Rechte kontinuierlich ausgezahlt. Der erneute Anstieg im Markenwert vereint Motivation und Anspruch unseres Vereins.“
Die Krise verursacht Abschläge zwischen 15 und 30 Prozent
Laut KPMG-Bewertung könnte Schalke also bei einem Verkauf von 49,9 Prozent seiner Anteile gut 400 Millionen Euro einnehmen – und dennoch Herr im eigenen Haus bleiben. „Allerdings kann ich diese Rechnung so nicht bestätigen“, betont Sport-Ökonom Breuer: „Da sind sicherlich einige Annahmen in die Bewertung mit eingeflossen.“ Zudem beziehen sich die von KPMG ermittelten 814 Millionen Euro ausdrücklich auf die Zeit unmittelbar vor Corona, wie das Wirtschaftsprüfungsunternehmen anmerkt: „Die gegenwärtige Krise hat natürlich einiges an Unternehmenswerten vernichtet“, erläutert der KPMG-Fußballexperte Andrea Sartori im Gespräch mit dieser Redaktion. „Laut unseren Erkenntnissen beträgt der Wertverlust bei Vereinen, deren Ligabetrieb weiterläuft, durchschnittlich 17 Prozent. Bei Vereinen, deren Spielbetrieb vorerst eingestellt ist, betragen die Abschläge durchschnittlich 27 bis 28 Prozent.“
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Konkret messbar sei diese Entwicklung laut Sartori vor allem bei börsennotierten Klubs wie Juventus Turin oder Manchester United: „Deren Aktienkurse sind während der Krise um ca. 20 bis 25 Prozent gefallen, hier haben wir also einen ziemlich guten Gradmesser für den Einfluss von Corona auf die Unternehmenswerte im Fußball.“ Laut Sartori sei kein Klub weltweit ohne Wertverlust durch die bisherige Krise gekommen, dennoch müsse man jeden Fall einzeln betrachten: „Der FC Bayern zum Beispiel ist sehr stabil, somit ist auch sein Unternehmenswert nicht so stark betroffen. Dennoch können wir sagen, dass die Minderungen bei allen Klubs – je nach individueller Situation – etwa zwischen 15 und 30 Prozent betragen.“
Ein Verkauf von 49,9 Prozent könnte immer noch rund 285 Millionen Euro bringen
Zur konkreten Situation der mit 198 Millionen Euro verschuldeten Königsblauen darf sich Sartori aus rechtlichen Gründen nicht äußern, weil sein Unternehmen Schalkes Geschäftsbücher prüft und somit der Schweigepflicht unterliegt. Allerdings bezeichnete Jobst die Lage am Berger Feld noch im April als „potenziell existenzbedrohend“. Legt man also für Schalke eine eher hohe Corona-Wertminderung von 30 Prozent zugrunde, würde das den ursprünglich von KPMG ermittelten Unternehmenswert von 814 Millionen Euro auf rund 570 Millionen herabsenken. Andererseits würde ein Verkauf von 49,9 Prozent der Unternehmensanteile derzeit immer noch rund 285 Millionen in die leere Klubkasse spülen.
Auch Christoph Breuer sieht einen möglichen Geldfluss „in der gegenwärtigen Situation irgendwo im Bereich der 200 Millionen“. Hieße: Der Traditionsklub wäre mit einem Schlag quasi schuldenfrei und könnte, je nach genauem Erlös, obendrein ein stattliches Festgeldkonto einrichten. „Allerdings muss man erst einmal Investoren finden, die entsprechend zahlungsbereit sind und es obendrein gut meinen mit dem Verein“, mahnt Breuer. KPMG-Experte Sartori fügt an, „dass die in Deutschland geltende 50+1-Regel mögliche Geldgeber abschrecken könnte, denn sie verhindert natürlich eine mehrheitliche Übernahme und somit jegliche Mitbestimmung durch Investoren“.
75 Prozent aller Schalke-Mitglieder müssten zustimmen
Bevor es auf Schalke überhaupt zu einer Ausgliederung kommt, bedarf es ohnehin der Zustimmung von 75 Prozent der Vereinsmitglieder. „Diese sind bekanntlich eher traditionsverbunden“, gibt Breuer zu bedenken. „Andererseits hat der Klub keine nennenswerten Alternativen: Schalke könnte weitere Kredite aufnehmen, aber die Frage wird sein, ob man diese langfristig abzahlen kann – zumal die Schulden in den kommenden Monaten enorm ansteigen dürften, weil der Verein operativ kaum profitabel betrieben werden kann.“ Ein dritter denkbarer Weg, so Breuer, sei der Verkauf von Spielern oder des vereinseigenen Stadions: „Aber für beides ist derzeit kein echter Markt vorhanden, zudem würden die Erfolgsaussichten des Klubs mittel- und langfristig deutlich geschmälert. Diese Möglichkeiten scheiden eher aus.“
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Unternehmen aus der Region als Investoren?
Um also Zustimmung zur Ausgliederung zu erhalten, müsse Schalke seine Zukunftspläne sehr sorgfältig kommunizieren, mahnt Breuer: „Ob man die Leute dafür gewinnen kann, hängt wohl auch von der Vermittelbarkeit potenzieller Investoren ab, wobei ich nicht unbedingt den einen großen Geldgeber auf Schalke einsteigen sehe.“ Der gerüchteweise ins Spiel gebrachte Hauptsponsor Gazprom scheidet tendenziell aus, denn der Konzern hält bereits die Mehrheit an Zenit St. Petersburg – und die UEFA-Statuten verbieten, dass zwei Vereine, die ein und dem selben Eigentürmer gehören, zeitgleich im Europacup starten. Breuer hält am ehesten eine Gruppe von starken mittelständischen Unternehmen aus der Region für denkbar, die jeweils einen knapp zehnprozentigen Anteil an Schalke 04 erwerben könnten: „Zu diesen Kandidaten würde ich etwa das Unternehmen von Clemens Tönnies zählen, daneben gibt es im nördlichen NRW zahlreiche weitere Unternehmen, die teils Weltmarktführer sind und potenziell infrage kämen.“
Ein anderes denkbares Investorenmodell auf Schalke ist jenes der Green Bay Packers: Der Klub aus der US-Football-Liga NFL befindet sich im Besitz von rund 350.000 meist „stinknormalen“ Fans. Wohl auch deshalb sind die Packers das älteste NFL-Team, das noch immer an seinem Gründungsort spielt. Eine derartige Eigentümer-Struktur hält Breuer auch bei Königsblau für denkbar: „Das wäre in der Tat ein interessanter Ansatz, der auch den kritischen Fan-Lagern entgegenkommen dürfte.“