Dortmund/Gelsenkirchen. Die Corona-Krise belastet den BVB und Schalke. Im Derby können die Trainer Lucien Favre und David Wagner vieles vergessen machen.
Lucien Favre lacht. Der Trainer ist gefragt worden, wie denn die spielfreie Zeit in der Corona-Pandemie so war für ihn, immerhin gehört der 62-Jährige qua Alter ja auch zur Risikogruppe. „Ich war mit meiner Frau in Quarantäne, das ist perfekt“, sagt der Schweizer und lobt dann den deutschen Umgang mit der Pandemie.
Favre und Wagner scheinen gelassen
Favre ist entspannt, das ist in diesen Tagen ein merklicher Kontrast zu vielen anderen Personen im Fußballgeschäft. Aber es verbindet ihn mit dem Mann, der nur kurze Zeit vorher rund 40 Kilometer weiter westlich auf einer virtuellen Pressekonferenz gesprochen hat: David Wagner, Trainer des FC Schalke 04.
Am diesem Samstag ab 15.30 Uhr (Sky) werden sich Favre und Wagner im 180. Revierderby in Dortmund gegenüberstehen, im ersten Spiel nach der Corona-bedingten Unterbrechung der Saison Mitte März. Und so hart diese Krise den Fußball getroffen hat, so dramatisch die weltweiten Folgen des Virus sind – Favre und Wagner haben auch profitiert von der Unterbrechung. Für beide bietet dieses Spiel die Chance auf den Neustart.
Favre hat sich die Spielpause, die Zeit des Einzel- und Kleingruppentrainings, zunutze gemacht in seiner Arbeit. „Positiv ist es, dass wir Sachen machen können, für die wir normalerweise keine Zeit haben“, hat er vor einer Weile gesagt. „Wir arbeiten viel an der Technik, in der Luft, am Boden und viel vor dem Tor.“ Das Feilen an Details liegt dem Routinier besonders am Herzen.
Endlich Zeit für Detailarbeit
Immer wieder erzählten BVB-Spieler seit seinem Amtsantritt im Sommer 2018 halb fasziniert, halb verwundert davon, worauf dieser Trainer alles achte: die richtige Verwendung der Füße natürlich, aber auch die Handhaltung in der Zweikampfführung. Favre seinerseits kann sich herrlich darüber entrüsten, was manch hochdekoriertem Fußballer an technischen Grundfertigkeiten fehlt – und jetzt hatte er endlich einmal Zeit, daran zu arbeiten.
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Der Schweizer ist ein spezieller Trainer, das hat man im Verein immer so gesehen und gesagt – in den vergangenen Monaten aber immer seltener als Lob gemeint. Etwas zu verkopft sei er, hieß es auf einmal. Und vielleicht ja doch keiner für einen großen Klub; keiner, der Titel holt. Ein Trainerwechsel im Sommer hätte nicht überrascht, trotz eines Vertrags bis 2021. Nun aber geht es nicht um Titel. Es geht darum, den Klub durch diese Krise zu navigieren, sich von der Hektik nicht anstecken zu lassen, das wichtige Ziel Champions League zu erreichen. Das kann Favre, das hat er bewiesen – und so spricht vieles dafür, dass die Bosse in einer Zeit wachsender Ungewissheit an dieser Stelle auf Bewährtes setzen.
Krise vor der Pause
David Wagner, der von 2011 bis 2015 die U23 des BVB trainierte, hat auf Schalke schon ähnliche Erfahrungen wie Favre in Dortmund gesammelt: Im Sommer gekommen, führte er eine Mannschaft, die in der Vorsaison enttäuscht hatte, schnell nach oben. Doch der Schwung ebbte nach der Winterpause ab: Vor der Corona-Unterbrechung gab es sieben Spiele ohne Sieg. Es fehlten viele wichtige Spieler. Aber auch an Wagner gab es Kritik wegen mancher Aufstellung, mancher Auswechslung, der taktischen Herangehensweise – und das nicht nur von außen. Wagner fand plötzlich keine Verwendung mehr für den in der Hinrunde so starken Amine Harit. Zudem wirkte er zunehmend gereizt und unsouverän.
Vergangene Zeiten. Zuletzt erlebte man wieder den freundlichen, den verbindlichen Wagner. Seine Personalprobleme haben sich weitgehend erledigt. Und niemand spricht mehr von jener Sieglosserie, die die Stimmung im März gehörig belastet hatte. Die Pause kam für Wagner zum richtigen Zeitpunkt, auch wenn er das nie so sagen würde: Es sei eine „extreme Situation für uns alle gewesen – sowohl im Privaten als auch beruflich“, meint er. Aber er weiß natürlich, welch große Chance sich ihm nun bietet: Ein Sieg im Derby hat schon immer vieles beiseite gewischt. Von Krise wäre dann keine Rede mehr, egal wie die Umstände sind. „Es ist ein Derby, Geisterspiel hin oder her“, sagt Wagner. „Du willst dieses Spiel unbedingt gewinnen.“ Sein Problem: In Dortmund sieht man es genauso.