Gelsenkirchen. Schalke-Vorstand Jobst spricht im Interview über Kritik am Fußball, eine Ausgliederung, Existenz-Bedrohung und einen Anruf von den Königlichen.
Hinter Alexander Jobst liegen aufregende Wochen: An manchen Tagen hat er den Handy-Akku mehrmals aufladen müssen – so viel gab es zu Telefonieren. Zusammen mit seinen Vorstands-Kollegen Peter Peters und Jochen Schneider führt er Schalke durch die Corona-Krise. Ob Schalke jetzt über den Berg ist? „Man muss nicht studiert haben, um zu sagen: Es wird nicht einfacher für die Zukunft“, sagt Jobst im Interview mit dieser Redaktion.
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Herr Jobst, in einer Woche legt die Bundesliga wieder los. Glauben Sie, dass bis dahin die Skepsis ausgeräumt sein wird, die die Bemühungen um den Re-Start bisher begleitet hat?
Alexander Jobst Ich hab die mediale Diskussion in den letzten Wochen verfolgt und kann sie in Teilen auch nachvollziehen. In einigen Bereichen der Gesellschaft herrscht der Gedanke vor, dass der Fußball eine Sonderrolle einnimmt. Der Vorzug von Testkapazitäten war dabei ein Hauptkritikpunkt, der so allerdings schlichtweg falsch ist. Die Bundesliga nimmt durch ihr selbst finanziertes Hygiene- und Schutzkonzept keinem einzigen Bürger in der Republik eine Testmöglichkeit. In den letzten Tagen erschienen mir einige Talkshows mit sich zunehmend wiederholenden Gesichtern inhaltlich auch sehr fragwürdig und wenig differenzierend. Mit Aussagen wie „Fußball ist nur möglich in vollen Stadien“ kann ich nichts anfangen. Am Profifußball hängen so viele andere Komponenten, die sich mit denen sämtlicher Unternehmen in der freien Wirtschaft decken.
Auch bei vielen Fans hält sich die Vorfreude noch in Grenzen.
Jobst: Ich kann verstehen, dass es aus der reinen Fan-Sicht sehr schwer vermittelbar ist: Die Fußballer gehen ihrem Beruf nach, an der Bundesliga hängen weit mehr als 50.000 Arbeitsplätze – der Betrieb muss auch hier wieder ins Rollen kommen. Wir wollen, wie andere Branchen auch, unserem Beruf wieder nachkommen. Dafür versuchen wir alles Mögliche, und dabei hat die DFL ein vorbildliches Krisenmanagement geleistet und in Zusammenarbeit mit den Klubs ein Konzept auf die Beine gestellt, das seinesgleichen in Europa sucht. Ich habe diese Woche einen Anruf von meinem ehemaligen Kollegen bei Real Madrid bekommen, der von der spanischen Liga beauftragt worden ist, zu fragen: Wie macht das Deutschland? Spanien will ja auch Mitte Juni wieder den Spielbetrieb aufnehmen – hat aber bis heute noch keinen durchdachten Plan. Die Bundesliga ist dagegen mit einem sehr starken Konzept an die Politik herangetreten.
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Das Konzept bedingt Geisterspiele ohne Zuschauer – auch daran scheiden sich die Geister.
Jobst: Fußball ohne Fans – da fehlt ohne Zweifel das Herzstück des Fußballs neben den Spielern selbst. Aber wir können es nun einmal im Moment nicht ändern. Es stellt sich die Frage: Ist es besser, die Saison ganz zu beenden mit dem großen Risiko, dass es die Bundesliga so nicht mehr geben wird? Oder sollte man lieber in den sauren Apfel beißen und zumindest diese Saison – und möglicherweise noch die Vorrunde der nächsten Saison – im Geisterspielmodus austragen? Mit ein bisschen Weitsicht kommt sicher die überwiegende Zahl der Fans zu dem Schluss: Bevor ich die Bundesliga und vielleicht meinen Verein überhaupt nicht mehr sehe, trage ich das mit.
Wie oft haben Sie in den vergangenen Wochen Ihre Aussage hinterfragt, „Es geht um die Existenz von Schalke 04“?
Jobst: Gar nicht. Ich stehe vollumfänglich hinter der Aussage, die ich zu einem Zeitpunkt getroffen habe, an dem überhaupt nicht absehbar war, ob wir die Bundesliga-Saison fortsetzen können. Zu diesem Zeitpunkt mussten wir auch damit rechnen, dass ein Saison-Abbruch droht und demzufolge war der Wahrheitsgehalt der Aussage damals zu 100 Prozent richtig. Gleichzeitig habe ich wenige Tage später im Fan-Talk allerdings auch gesagt, dass ich sehr zuversichtlich bin, dass wir mit unserem umfangreichen Maßnahmenplan Schalke 04 durch die Corona-Krise führen und danach ganz genau schauen werden, wo unser Verein in Zukunft hinwill.
Waren Sie überrascht, dass Schalke der einzige Verein war, der das so klar gesagt hat? Schalke wurde danach in Diskussionen immer als Beispiel für den Verein genannt, der am meisten bedroht sei.
Jobst: Ich weiß, dass wir sicherlich nicht der erste Verein gewesen wären, um dessen Existenz es ging. Es war eine Frage der Zeit, wann es weitaus mehr Vereine betroffen hätte, und hier sprechen wir nicht von Jahren, sondern von wenigen Monaten. Im Rückblick unserer Konzernbilanz 2019, den großen Investitionen der infrastrukturellen Maßnahmen auf dem Vereinsgelände und dem Ausblick zum damaligen Zeitpunkt war diese Aussage einfach nur die Wahrheit. Ich habe ja nicht umsonst schon zur Mitgliederversammlung 2019 den Finger gehoben und gewarnt: Wir müssen schauen, dass der Zug nicht ohne Schalke 04 abfährt. Die Corona-Krise hat die wirtschaftliche Situation natürlich dynamisiert.
Ist Schalke jetzt, wenn die Saison zu Ende gespielt werden kann, über den Berg?
Jobst: Um im Bild zu bleiben: Wir haben in den letzten Jahren konsolidiert, aber natürlich weiter einen hohen Stand an Verbindlichkeiten, diesen Berg schieben wir durch die Corona-Krise jetzt noch weiter vor uns her – und er wächst voraussichtlich nochmal an. Man muss nicht studiert haben, um zu sagen: Damit wird es nicht einfacher für die Zukunft.
In den Foren und der Schalker Fangemeinde wird darüber diskutiert, ob eine Ausgliederung für Schalke 04 nun unumgänglich ist. Gibt es dazu einen neuen Stand?
Jobst: Ich halte mich da kurz, aber deutlich: Es widerspricht jeglicher Verantwortung unsererseits, die Corona-Krise und unsere wirtschaftliche Situation kurzfristig mit diesem Thema zu verknüpfen.
Was heißt kurzfristig in diesem Zusammenhang?
Jobst: Kurzfristig ist es unsere wichtigste Aufgabe, Schalke 04 in seinen bestehenden Strukturen und mit seinen wichtigsten Finanz- wie Sponsoren-Partnern wirtschaftlich durch die Corona-Krise zu führen. Durch unser umfangreiches Maßnahmenpaket und vor allem die Wiederaufnahme des Spielbetriebs wird uns das auch gelingen.
Wie geht es danach mit Schalke weiter?
Jobst: Wir sind gut beraten in dieser außergewöhnlichen Zeit Entscheidungen auf Sicht zu treffen. Das tun wir im Vorstand in allen Geschäftsbereichen. Niemand kann momentan abschätzen, wie die Fußballwelt nach Corona aussieht. Sobald wir dazu mehr Klarheit haben, ist es das Selbstverständnis unserer Verantwortung, an einer erfolgreichen Zukunft für Schalke 04 zu arbeiten.“