Essen/Gelsenkirchen/Dortmund. In der Corona-Krise bangen Kult-Kneipen im Ruhrgebiet um ihre Existenz. Sonderaktionen und kreative Ideen machen allerdings Hoffnung.

Nicolai Duys nimmt kein Blatt vor den Mund. „Es ist nichts mehr planbar, und diese große Unsicherheit nimmt mir viele Hoffnungen“, sagt der Betreiber der 11-Freunde-Bar in Essen. Wie etliche andere Gastronomen muss er mit den Folgen der Schutzmaßnahmen klarkommen, die zur Eindämmung der Corona-Pandemie beitragen sollen. Genauso, wie der Spielbetrieb in der Fußball-Bundesliga gerade ruht, so müssen auch Gaststätten wie die Kult-Kneipe in Rüttenscheid bereits seit Mitte März geschlossen bleiben.

Nicolai Duys ist seit 2017 Besitzer der 11-Freunde-Bar in Essen.
Nicolai Duys ist seit 2017 Besitzer der 11-Freunde-Bar in Essen. © Kerstin Kokoska / Funke Foto Services

„Meine Aushilfe muss jetzt Spargel stechen“, sagt er. Denn trotz rund 9.000 Euro Soforthilfe vom Staat kann er seine 450-Euro-Kraft derzeit nicht weiter beschäftigen. „Wenn ich nur von der Gastronomie leben würde, wäre ich spätestens im Juni oder Juli pleite.“

Anders als viele andere Gastronomen kann Duys allerdings auf ein zweites Standbein zählen, denn neben der 11-Freunde-Bar und der Kokille (ebenfalls in Essen) ist er Inhaber einer Firma für Antennentechnik. „Ich wäre Gott sei Dank also einer der letzten, die fallen“, glaubt er. Auch weil Pay-TV-Anbieter Sky angekündigt hat, dass Betreiber von Restaurants und Bars derzeit nicht für ihr Abo zahlen müssen. Das Ganze gilt „rückwirkend zum 14. März 2020 so lange, bis wir wieder ein adäquates Live-Sport-TV-Programm liefern können“, erklärt der Sender. „Für mich ist das eine riesige Hilfe“, sagt Duys.

Destille Buer in Gelsenkirchen wurde bereits zum Kiosk umgebaut

Doch allein diese Ersparnis reicht vielen Fußball-Kneipen während der Corona-Krise nicht. Es müssen kreative Lösungen her, um die überlebenswichtigen Umsätze zu generieren. Einen besonderen Ansatz hat etwa Thomas Wesselborg aus Gelsenkirchen für die Fans von Schalke 04 gewählt. Da er seine Destille Buer derzeit nicht öffnen darf, hat er sie kurzerhand zu einem Kiosk mit Straßenverkauf umgebaut. „Meine Currywurst mit Pommes und meine Allioli sind ziemlich beliebt“, sagt er. „Daher habe ich mir überlegt, wie ich trotzdem etwas an den Mann bringen kann.“

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„Thommies Büdchen“ eröffnet am Dienstag, 14. April, neben Currywurst – zum Mitnehmen – können nicht nur Schalke-Fans sich dort Zeitungen, Zeitschriften und belegte Brötchen besorgen. „Es wird meine kleine Destille to go. Jetzt gibt es eben mehr Brötchen als Bier“, sagt Wesselborg, der die Öffnungszeiten seines Ladens auf 6 bis 20 Uhr angepasst hat.

Schalker Vereinslokal Bosch kann noch bis Mai überleben - "dann wird es kritisch"

Im Idealfall soll der Kiosk aber nur eine Zwischenlösung sein, denn eine der großen Einnahmequellen der Destille sind für gewöhnlich Tage, an denen Fußballspiele ausgetragen werden. „Der Fußball bricht aktuell voll weg“, sagt Wesselborg, der zu S04-Spielen stets Dutzende Fans bewirtet.

Bis Mai geht's noch, aber dann stellen die Folgen des Coronavirus die Zukunft infrage: die Schalker Kult-Kneipe Bosch.
Bis Mai geht's noch, aber dann stellen die Folgen des Coronavirus die Zukunft infrage: die Schalker Kult-Kneipe Bosch. © Joachim Kleine-Büning / Funke Foto Services

Gleiches gilt für Ronny Marcinkowski, der das Schalker Vereinslokal Bosch in Gelsenkirchen betreibt. Ein Schild erinnert an den Stammplatz der längst verstorbenen Klublegende Ernst Kuzorra. „Die Kneipe ist seit Wochen leer, und mir fehlen die Gäste wirklich“, erzählt Marcinkowski. „Wie es weitergeht, weiß ich nicht genau. Bis Mai kann ich noch überleben, aber dann wird es kritisch.“

Hoffnung macht ihm und vielen anderen Wirten in Gelsenkirchen die Aktion #helpGelsen – eine Initiative des Schalker Fan-Projekts und der Ultras Gelsenkirchen, die „lokale Helden“ unterstützen wollen. Durch den Verkauf von T-Shirts wird Geld für Bars, Restaurants, Friseure oder andere Läden in Gelsenkirchen gesammelt, die aktuell auf Kundschaft verzichten müssen. 20 Euro kostet ein solches Shirt, wovon die Hälfte direkt an einen der Unternehmer geht. „Wir sind super dankbar für diese Aktion der Ultras“, betont Wesselborg von der Destille. „Wir Schalker stehen zusammen“, sagt Marcienkowski.

BVB hilft den Gastronomen mit digitalem Spieltag

Auch 30 Kilometer östlich in Dortmund wurde in den vergangenen Wochen an kreativen Lösungen gearbeitet, um Gastronomen zu unterstützen. So wurden an digitalen Spieltagen für Dortmunder Gastronomen bereits weit mehr als 100.000 Euro gesammelt. Dabei konnten Fans von Borussia Dortmund ihren persönlichen Weg zum Stadion virtuell abgehen und imaginäre Getränke oder Speisen in ihren Lieblingskneipen verzehren – möglichst verbunden mit einer kleinen Geldspende.

Für das Strobels in der Nähe des Stadions kamen mehr als 8700 Euro zusammen, für die Gaststätte Mit Schmackes im Kreuzviertel über 2500 Euro. Für Christopher Reinecke, der die Bar gemeinsam mit BVB-Ikone Kevin Großkreutz betreibt, ist die Aktion, die unter dem Motto #BorussiaVerbindet läuft, eine „coole und große Geschichte“. Die eingenommene Summe geht vollständig an seine 30 Mitarbeiter, versichert er.

Großkreutz-Kneipe Mit Schmackes profitiert von Gutscheinaktion

So sieht es im
So sieht es im "Mit Schmackes" in Dortmund aus, wenn Besuch gestattet ist. Doch in Corona-Zeiten ist auch die Gaststätte von Ex-BVB-Star Kevin Großkreutz geschlossen. © MitSchmackes

Hoffnung macht dem Gastronomen aktuell der enorme Zuspruch seiner Stammgäste, die fleißig Gutscheine kaufen, um dem Laden zu helfen. Mehr als 600 hat er in den vergangenen Wochen bereits verkauft. Als Dank dafür verlost das Mit Schmackes unter allen Käufern Fußball-Unikate von Großkreutz‘ Weggefährten und Bekannten. Unter anderem Original-Trikots der BVB-Stars Erling Haaland, Marco Reus, Mario Götze und Marcel Schmelzer. Fußballschuhe von Jadon Sancho, Reus und Schmelzer. Torwart-Handschuhe von Roman Bürki und Roman Weidenfeller. FC-Shirt und die Schuhe von Kölns Torjäger Simon Terodde.

Auch wegen dieser Sonderaktion hält sich die Dortmunder Bar aktuell noch ohne Straßenverkauf über Wasser. Seit dem 1. April sind die Mit-Schmackes-Mitarbeiter allerdings in Kurzarbeit. „In diesem Zustand könnten wir notfalls ohne große Konsequenzen noch bis Juni durchhalten“, sagt Reinecke. Wann Mit Schmackes allerdings wieder öffnen kann, weiß er nicht. „Diese Ungewissheit ist das Allerschlimmste.“ Ein Gefühl, welches in der Gastronomie jeder seiner Kollegen teilt.