Gelsenkirchen. Vor etwa einem Jahr kam Jochen Schneider als Sportvorstand zu Schalke 04. Herausforderungen hatte er einige - nun muss er seine größte meistern.

Wie ernst es um den FC Schalke 04 momentan bestellt ist, das teilte der Fußball-Bundesligist am Mittwoch auch den Ticket-Inhabern mit. Es ging eigentlich nur darum, wie sie entschädigt werden, sollte es bis Saisonende nur noch Geisterspiele geben. Doch fast nebenbei erwähnte der Klub, er stünde unabhängig davon, ob die Saison fortgesetzt werden könne oder nicht, vor einer „potenziell existenzbedrohenden Situation“.

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Die Lage ist schwierig, und derjenige, der sportlich alles koordinieren soll und dabei auf alle Szenarien vorbereitet sein muss, ist der Sportvorstand. Seit etwas mehr als einem Jahr ist Jochen Schneider (49) bei den Königsblauen im Amt – und was hat er schon alles erlebt: Zunächst feuerte er im März 2019 Trainer Domenico Tedesco, dann feierte er nach kraftraubenden Wochen den Klassenerhalt. Unter dem neuen Trainer David Wagner spielte Schalke eine tolle Hinrunde – bevor eine Talfahrt begann: viele Spieler verletzten sich, das Team gewann nicht mehr.

Schalke trainiert auf drei Plätzen

Doch die Herausforderung Corona-Krise ist noch einmal ganz speziell, wie er im Gespräch mit dieser Zeitung sagte: „Die Themenschwerpunkte haben sich völlig verlagert. Es geht nunmehr primär um die wirtschaftliche Situation des Vereins sowie um die Umsetzung der Vorgaben, wie der Trainingsbetrieb abzulaufen hat und welche Voraussetzungen wir schaffen müssen.“

Schaut Schneider während einer normalen Trainingswoche eher selten beim Training zu, so war das zum Beispiel am Mittwoch anders. Schalke-Trainer David Wagner verteilte seine Spieler auf drei Trainingsplätze, um alle Regeln einzuhalten – und Schneider stand am Spielfeldrand: „Die Jungs haben viel mit Ball trainiert, mit vielen Passübungen und Torabschlüssen – aber natürlich gänzlich ohne Zweikämpfe.“ Doch nicht nur das hat sich im Alltag geändert.

Während normalerweise Anfang April die Kaderplanung für die kommende Saison im Blickpunkt der sportlichen Leitung steht, führt Schneider nun eher andere Gespräche. „Der Austausch mit den Agenten, die unsere Spieler vertreten, ist momentan ein Stück weit intensiver als der mit externen Agenten“, erklärt er. Zwei Verträge von verdienten Schalkern laufen am 30. Juni aus: Daniel Caligiuri und Benjamin Stambouli haben noch nicht verlängert. Gut möglich, dass die beiden genau wie Alexander Nübel, der ab 1. Juli beim FC Bayern unter Vertrag steht, etwas länger bleiben müssen. „Die Fifa hat in ihrem jüngsten Zirkular festgehalten, dass sich das Vertragsende am Enddatum einer Spielzeit orientiert. Das ist sehr begrüßenswert“, sagt Schneider.

Schalke sucht einen U17-Trainer

Was die Kaderplanung auch erschwert: Schneider hat mit insgesamt 14 Leihspielern zu tun – vier hat Schalke selbst ausgeliehen, zehn an andere Klubs verliehen. In einigen Verträgen sind Kaufoptionen enthalten, in anderen nicht. Da wäre zum Beispiel Innenverteidiger Jean-Clair Todibo, der am 30. Juni zum FC Barcelona zurückkehren müsste. Schalke könnte Todibo für 25 Millionen Euro fest verpflichten – durch die finanzielle Krise ist das nun unwahrscheinlich geworden. Schalke peilt eine Ausleihe für ein weiteres Jahr an. Doch: Macht dies Todibo mit? Was plant Barcelona? Es gibt Dutzende dieser Fragen. Und Antworten ändern sich für Jochen Schneider fast täglich.

Was auch für den Nachwuchsbereich gilt. Die „Knappenschmiede“ ist finanziell auch abhängig von der Zukunft des Hauptvereins. Die U17 zum Beispiel sucht noch einen Trainer für die kommende Saison, nachdem Frank Fahrenhorst seinen Abschied zum VfB Stuttgart verkündet hat. Gleichzeitig gilt eigentlich ein Einstellungsstopp. „Wir werden die Stelle Eins-zu-Eins nachbesetzen“, sagt Schneider aber. Die U17 sei elementar wichtig.

Wenigstens diese Personalie kann Schalke wohl bald verkünden. Und auch die Ticketinhaber wissen ja Bescheid. Bargeld bekommen sie nicht, sondern Gutscheine. Und die Karteninhaber, die auf eine Rückerstattung verzichten, erhalten ein Geschenk. Verzichten wollen viele. „Wir betrachten das als außergewöhnlich. Jeder Verzicht sichert das Überleben des Vereins“, teilte Schalke mit. Die Lage ist ernst – aber nicht ohne positive Signale.