Gelsenkirchen. Während der Coronakrise setzt Schalke 04 auf ein Cyber-Training. Der Leiter der Abteilung Fitness betont: Nach zwei Wochen muss aber ein Ball her.
Ahmed Kutucu hat schon die Schweißperlen auf der Stirn, als er auf die nächste Übung vorbereitet. Was völlig ungewohnt für den Offensivspieler des FC Schalke 04 ist: Er steht dabei im Fokus der Kamera und unter Beobachtung seiner Mannschaftskollegen des FC Schalke 04. Angewiesen vom Trainerteam geht der 19-Jährige erneut in den Spreizschritt und hält die Position so lange, wie es die Übungsleiter verlangen.
Im einige Kilometer entfernten Gladbeck absolviert parallel auch Stürmer Benito Raman diese Übung – in seinen eigenen vier Wänden. Genau wie Amine Harit, Suat Serdar und der Rest des Profikaders, die alle zu Hause auf ihren Yogamatten schwitzen. Sie sind per Videokonferenz miteinander verbunden und trainieren gemeinsam – wenn auch räumlich getrennt. Hintergrund ist eine neue Methode, die Abwechslung bei den sonst einsamen Homeoffice-Einheiten bieten soll: Das Cyber-Training.
Eine Einheit auf Schalke dauert bis zu 100 Minuten
Da die anhaltende Corona-Pandemie und die damit verbundenen Ausgangsbeschränkungen einen normalen Alltag auch in der Bundesliga verhindern, suchten die Schalker nach Lösungen, trotzdem gemeinschaftlich zu trainieren. „Für uns als Mannschaftssportler ist es enorm wichtig, im Team interagieren zu können, selbst wenn wir räumlich getrennt sind“, erläutert Trainer David Wagner die Methode.
So muss sich für das Cyber-Training nicht etwa der gesamte Kader am Trainingsgelände einfinden. Es genügt „ein Modell, an dem ein Athletiktrainer die jeweilige Übung erklärt, wenn es um Kräftigung oder den Stabilisations- und Mobilitätsbereich geht“, erklärt Dr. Andreas Schlumberger, der als Leiter Fitness und Prävention auf Schalke für die Durchführung der Cyber-Einheit verantwortlich ist, gegenüber dieser Zeitung. Bei der Premiere der neuen Methode gab Nassim Boujellab den Vorturner, einen Tag später war Ahmed Kutucu an der Reihe.
Neben Übungen auf der Matte stehen auch Spinning und Läufe auf dem Trainingsplan. Damit alle Profis die gleichen Voraussetzungen haben, wurden sie in den vergangenen Wochen mit Rädern, Hanteln und Matten ausgestattet. Die Intensität der Einheiten kann dabei je nach Trainingsschwerpunkt variieren. „Wir kreieren kürzere, hochintensive Einheiten, aber auch mittelintensive, dafür sehr lange Einheiten“, sagt Schlumberger. Bis zu 100 Minuten kann ein solches Training dauern, das die Länge eines Fußballspiels simulieren soll.
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Schalke überprüft die Fitnesswerte genau
Während dabei in den Gruppen-Konferenzen der Fokus auf hochintensivem Intervall- und Krafttraining liegt, wird bei den individualisierten Trainingsplänen auf die Belastungssteuerung der einzelnen Profis eingegangen. „Basierend auf den vor zwei Wochen durchgeführten Leistungstests, fahren wir mit allen Jungs ein individuelles Programm“, erzählt der 53-Jährige. Dabei wird berücksichtig, ob die Spieler gerade aus einer Verletzungspause kommen oder zuletzt besonders hohe Belastungen erfahren haben.
Für den Leiter der Abteilung Fitness und Prävention auf Schalke ist die Trainingsgestaltung durch die Bundesligapause „sogar etwas leichter“. Denn so muss anders als im Alltagsgeschäft während der Bundesliga derzeit keine Rücksicht auf die Inhalte des Mannschaftstrainings genommen werden.
Zusätzlich ist eine lückenlose Überwachung der Fitnesswerte möglich. Jeder Profi ist mit einer speziellen Herzfrequenz-GPS-Uhr ausgestattet, weshalb Schlumberger und sein Team die Daten jeder Einheit live verfolgen können.
Dieser technische Aufwand dient allein dem Zweck, auch während der Ligapause körperlich im Wettkampfmodus zu bleiben. Und noch sieht der Diplom-Sportwissenschaftler trotz der fußballfreien Zeit keine negativen Folgen für die Profis. „Eine spielende Mannschaft kann die Grundfitness problemlos zehn bis 14 Tage lang halten“, sagt der Experte. „Die Schnelligkeit kann nach einer solchen Pause sogar noch besser sein, da sich muskuläre Anpassungen optimieren.“
Schalkes Schlumberger ist begeistert von der Rückmeldung
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Negative Folgen wird die Zeit ohne klassisches Fußballtraining jedoch auch mit sich bringen, ist sich Schlumberger sicher: „Die Phase ohne Balltraining sollte idealerweise nicht viel länger als zwei Wochen sein.“ Werde weiterhin ohne Zweikämpfe und Torschüsse gearbeitet, sei „ein merklicher Leistungsverlust zu erwarten“. Um das zu vermeiden, hoffen die Schalker schnellstmöglich wieder Übungen auf dem Platz absolvieren zu können. Damit alle Richtlinien eingehalten werden, könnte zunächst in Kleingruppen mit dem Ball trainiert werden, erklärte Trainer Wagner bei Sky.
Obwohl sich auch die Profis nach regulärem Training sehnen, ist die Stimmung bei den Königsblauen nach wie vor gut. Auch, weil das digitale Cyber-Training die Gemüter erhellt. „Die Rückmeldung ist sehr positiv“, berichtet Schlumberger, wenngleich die Kommunikation über Tablet, Laptop oder Smartphone gewöhnungsbedürftig sei.
Trotz der Hindernisse, die die Corona-Pandemie mit sich bringt, sieht der 53-Jährige die aktuelle Konstellation als „sehr spannende Aufgabe an“. Aus verschiedenen Reha-Maßnahmen hat er zwar einen breiten Erfahrungsschatz, doch diese Methodik auf den kompletten Kader zu projizieren, ist auch für ihn neu. „Spannend ist, es hinzubekommen, dass die Mannschaft topfit dasteht, wenn es in zwei Wochen hoffentlich wieder losgeht.“
Bis es tatsächlich so weit ist, werden weiter einzelne Profis des FC Schalke 04 zum Trainingszentrum fahren und dort die schweißtreibenden Übungen des Cyber-Trainings vor den Augen des kompletten Kaders absolvieren.