Gelsenkirchen. Prominente Schalke-Anhänger gibt es viele. Der weltweit bekannteste aber ist hier nur wenigen ein Begriff: Erik Spoelstra, Trainer in der NBA.

Sein erstes Mal wird Erik Spoelstra nie vergessen. Es war irgendwann im Herbst 1993, als ein Mannschaftskamerad den damals 22-Jährigen zu einem Schalker Heimspiel mitschleifte. Spoelstra spielte damals als US-Legionär in der 2. Basketball-Bundesliga Nord, beim benachbarten TuS Herten. Mit „Soccer“ hatte der Mann aus Portland (Oregon) wenig bis gar nichts im Sinn, Spoelstra fand das Spiel eher langweilig. Entsprechend gering waren seine Erwartungen, als er über matschige Fußwege ins alt-ehrwürdige Parkstadion stapfte. Rund zweieinhalb Stunden später war der Premierengast von Kopf bis Fuß durchnässt, fürchterlich durchgefroren und für alle Zeiten mit dem blau-weißen Virus infiziert.

Schalkes Fans hatten es Spoelstra sofort angetan

Gegner und Ergebnis bei seinem Heimspiel-Debüt auf Schalke sind Erik Spoelstra längst entfallen. Doch der heute 49-Jährige weiß noch genau, was ihm bereits eine halbe Stunde vor dem Anpfiff durch den Kopf ging: „Einmal selbst vor diesen fantastischen Fans auflaufen, vor diesem blau-weißen Fahnenmeer, in dieser berauschenden Atmosphäre spielen – nur ein einziges Mal.“ Dieser Wunsch blieb unerfüllt, wenngleich Spoelstra heute selbst vor imposanten Kulissen auftritt: Der einstige Zweitliga-Korbjäger ist seit 2008 Chefcoach des NBA-Klubs Miami Heat; 2012 und 2013 führte er das Team (damals noch mit Superstar LeBron James) zu zwei aufeinanderfolgenden Meisterschaften. Spoelstra war erst der achte Coach in der über 70-jährigen NBA-Historie, dem dieses Kunststück gelang.

Da zeigt er seine Leidenschaft: Erik Spoelstra, auch zu Hause in den Staaten ein Fan der Königsblauen.
Da zeigt er seine Leidenschaft: Erik Spoelstra, auch zu Hause in den Staaten ein Fan der Königsblauen. © Foto: SK

Es gibt Millionen Schalke-Fans, darunter findet sich so manch ein Prominenter: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, die Schauspiel-Ikonen Leonhard Lansink („Wilsberg“) und Peter Lohmeyer („Das Wunder von Bern“), Reporter-Legende Uli Potofski oder Jazzy von „Tic Tac Toe“ – um nur einige zu nennen. Der weltweit berühmteste aber ist wohl Erik Spoelstra. Die Spiele seiner Heat werden im Zwei- bis Drei-Tage-Rhythmus live in alle Welt übertragen, Spoelstra verdient Millionen von Dollars pro Jahr und zählt globale Größen wie den Ex-US-Präsidenten Barack Obama oder den philippinischen Box-Superstar Manny Pacquaio zu seinem Bekanntenkreis. Ein deutschsprachiges Basketball-Magazin verglich den Erfolgscoach (derzeit auf Rang zwei in der NBA) einmal mit einem gewissen Jürgen Klopp. Und tatsächlich: Einige Verbal-Highlights des aktuellen Liverpool-Trainers („Intensität ist unsere Identität“) finden sich so oder ähnlich auch in Spoelstras rhetorischem Fundus ...

Man kann sagen: Der Basketball und seine Erfolge in der NBA haben Erik Spoelstra zu dem gemacht, was er heute ist. Aber der Fußballclub Gelsenkirchen-Schalke 04 ist seine heimliche Liebe – schon seit über einem Vierteljahrhundert. Nach jedem halbwegs wichtigen Spiel der Knappen beschickt der Vater zweier Söhne seine Freunde in Deutschland mit interessierten Nachfragen per SMS oder WhatsApp: „Wie lange hält der aktuelle Lauf noch an?“, heißt es dann. Oder: „Was war denn da los?“, wenn es mal nicht so rund läuft. Nach dem bislang letzten Schalker Titelgewinn, dem DFB-Pokalsieg im Mai 2011, tippte Spoelstra ein schlichtes „Yessss!“ in die Handytastatur, ergänzt durch ein paar passende Emojis.

Eine Schalke-Fahne über dem Bett

Und noch eine Partie hat sich bis heute unauslöschlich in die Erinnerungs-Festplatte des Erik Spoelstra eingebrannt: Am 12. März 1995 erlebte der Amerikaner einen spektakulären 6:2-Heimsieg gegen den TSV 1860 München. „Ein total irres Match“, erinnert er sich und rechnet mit seinem einstigen Vorurteil ab: „Da soll noch jemand sagen, beim Fußball passiert zu wenig.“ Das Tor zum zwischenzeitlichen 6:1 gegen die „Sech’zger“ erzielte übrigens ein gewisser Jens Lehmann – per Strafstoß, nachdem Schalkes Fans den Torhüter lautstark zum Elfmeterpunkt gebrüllt hatten! Als Lehmann verwandelte, explodierte die Nordkurve – und Spoelstra befand sich mittendrin.

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Rund zwei Jahre verbrachte der heutige Star-Trainer als Spieler in Herten (1993 bis 1995). In dieser Zeit besuchte er nach eigenen Schätzungen „etwa ein Dutzend Schalker Heimspiele“. Spoelstras Lieblingsspieler ist bis heute Olaf Thon, der 1994 aus München zurückgekehrt war: „Er hatte immer alles unter Kontrolle und spielte total mannschaftsdienlich.“ Heute ist Thon in Ehren ergraut, doch Spoelstras Zuneigung zu den Knappen ist geblieben, wie eine kleine Schalke-Fahne über seinem Bett in Miami jahrelang verriet. Das kleine Stück Stoff ist inzwischen liebevoll eingemottet, weil der Miami-Coach seit 2016 verheiratet ist und bei der Schlafzimmergestaltung ein paar Kompromisse eingehen musste. In seinem Herzen aber flattert nach wie vor „ein blau und weißes Fähnelein“.

Es wird Zeit für den nächsten Besuch auf Schalke

Wann immer der straffe NBA-Spielplan es zulässt, schaut Spoelstra sich die Bundesliga-Auftritte von Weston McKennie & Co. im amerikanischen Fernsehen an. Ins Stadion hat er es seit seinem Abschied aus Good Old Germany jedoch nicht mehr geschafft, die 2001 fertig gestellte Veltins-Arena kennt Spoelstra somit nur vom TV-Bildschirm. Dabei hatte der Sohn eines amerikanischen Vaters und einer philippinischen Mutter schon Mitte der 1990er-Jahre genau so ein Bollwerk für die Königsblauen prophezeit: „Schalke braucht unbedingt ein reines Fußballstadion, eines ohne Leichtathletik-Laufbahn rund um den Rasen – und einen großen Videowürfel, so wie die Football-Teams in den USA!“

Eines Tages, in nicht allzu ferner Zukunft, will Erik Spoelstra mal wieder in seiner früheren Wahlheimat Ruhrrevier vorbeischauen. Dann will er auch ein Schalker Heimspiel sehen, „endlich wieder“. Und anschließend? „Den Sieg feiern! Bei einem guten deutschen Bier und Currywurst mit Pommes und Mayo.“