Gelsenkirchen. Bastian Oczipka spricht im Interview über Schalkes Entwicklung und die Rückkehr zu alten Tugenden, die zuletzt abhanden gekommen waren.
Bastian Oczipka (30) ist einer der Dauerbrenner bei Schalke 04. Der Linksverteidiger hat noch keine Ligaminute verpasst und brennt nach dem schwachen letzten Jahr vor Ehrgeiz. „Meine Teamkollegen und ich wollen zeigen, dass wir zu Unrecht als Mannschaft abgestempelt wurden, die nichts kann, die keine Qualität hat. Wir sind auf einem guten Weg“, sagt Oczipka im Interview mit der WAZ.
Herr Oczipka, Sie haben in dieser Saison alle elf Spiele von der ersten bis zur letzten Minute absolviert. Überrascht Sie das selbst etwas?
Bastian Oczipka: Wenn man mal auf die letzten Jahre zurückblickt, habe ich eigentlich immer viel gespielt, sofern ich fit war. Natürlich ist es nie selbstverständlich. Man muss sich seinen Platz in der Mannschaft immer erarbeiten, ganz klar. Nach unserer letzten Saison war sich hier kein Spieler sicher, in der ersten Elf zu stehen und immer dabei zu sein, weil wir alle weit unter unseren Möglichkeiten gespielt hatten. Natürlich ist das jetzt in gewisser Weise auch der Lohn, den wir uns nach der Vorbereitung unter dem neuen Trainer David Wagner erarbeitet haben.
Binnen weniger Monate gab es bei Schalke die Trainer Domenico Tedesco, Huub Stevens und jetzt zur neuen Saison David Wagner. Wie schwer fällt es einem Spieler, sich da immer neu zu orientieren?
Oczipka: Ich hatte in meiner Karriere schon einige Trainerwechsel, auch damals bei Eintracht Frankfurt. Selbstverständlich ist das für jeden Spieler immer wieder eine Herausforderung, sich neu zu präsentieren, neue Trainingsinhalte aufzunehmen, neue Ansprachen kennenzulernen, auf die man sich relativ schnell einstellen muss.
Schalke ist nach den ersten elf Spielen Tabellensiebter, hat aber nur ganz geringen Abstand zu den lukrativen internationalen Plätzen. Trauen Sie der Tabelle schon?
Oczipka: Es heißt ja: Die Tabelle lügt nie (lacht). An der Fußball-Weisheit ist tatsächlich was dran. Generell finde ich, dass wir uns sportlich stabilisiert haben. Und das war nach der letzten schwierigen Saison das Wichtigste. Bei uns kann man einen Trend erkennen. Wie unsere Idee ist, wie wir Fußball spielen wollen, das haben wir in allen bisherigen Spielen gezeigt, wenn auch nicht immer über volle 90 Minuten. In einigen Spielen wäre sicherlich etwas mehr möglich gewesen, wenn man zum Beispiel an die Unentschieden gegen Köln und Düsseldorf denkt, aber insgesamt sind wir zufrieden mit der Entwicklung. Ich bin auch sicher, dass die Leute erkennen können, wofür Schalke 04 wieder steht.
Wofür steht Schalke 04 denn?
Oczipka: Für die Bereitschaft, alles zu geben und nie aufzustecken. Mein erstes Schalke-Jahr unter Domenico Tedesco war vom Spirit ähnlich. Wir sind rausgegangen, haben Vollgas gegeben. Jeder war für den anderen da, das haben die Fans gespürt.
Und was war in der letzten Saison?
Oczipka: Letztes Jahr ist uns das abhanden gekommen. Deswegen waren die Anhänger auch unzufrieden und haben nach schlechten Leistungen gepfiffen. Sie spüren genau, was mit ihrer Mannschaft los ist. Jetzt haben wir wieder einen neuen Geist entwickelt. Man merkt einfach, dass wir ein gutes Gefühl auf dem Platz haben.
Wie viele Entwicklungsschritte hat Schalke 04 unter David Wagner schon gemacht?
Oczipka: Wir sind unter seiner Leitung Stück für Stück vorangekommen und haben einen guten Anfang gemacht, sind ordentlich in die Saison gestartet, aber in einigen Situationen sieht man, dass die Entwicklung noch nicht abgeschlossen ist.
Sie werden im Januar 31 Jahre alt. Gibt es einen Plan, wie sich Ihre Karriere in den nächsten Jahren noch gestalten soll?
Oczipka: Nein, so etwas plane ich nicht. Ich habe es selbst schon erlebt, dass es innerhalb weniger Tage zu einem Wechsel kommen kann oder sich Dinge ändern können. So lange ich fit bin, möchte ich weiterspielen und bin froh, dass ich meinen Job als Profi so ausüben kann.
Ihr Vertrag auf Schalke läuft im kommenden Juni aus. Wie wichtig ist Ihnen Planungssicherheit?
Oczipka: Ich mache mir überhaupt keinen Druck. Im Winter werden wir uns sicherlich Gedanken machen, wie alles weitergeht. Für mich persönlich ist wichtig, den Verein wieder in besseres Fahrwasser zu führen. Ich sehe das als Verpflichtung. Da, wo wir letztes Jahr standen, gehört Schalke einfach nicht hin. Alles andere wird man sehen.
Bei Ihrem nächsten Gegner Werder Bremen ist mit Max Kruse der Dreh- und Angelpunkt weg. Er spielt jetzt bei Fenerbahce Istanbul. Ist ein Auslandswechsel auch bei Ihnen im Hinterkopf oder kommt so etwas wegen Ihrer Heimatverbundenheit zur Familie in Bergisch Gladbach nicht in Frage?
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Oczipka: Grundsätzlich ist es schön, dass man die Familie in der Nähe hat, das bringt viele Vorteile. Was das Ausland angeht, habe ich jetzt nicht den Plan, zum Beispiel noch zwei Jahre in der Türkei und vielleicht ein Jahr in Australien zu spielen. Da habe ich mir nichts zurecht gelegt.
Noch einmal zurück zu Werder Bremen: Überrascht es Sie, dass die Hansestädter in dieser Saison ohne Kruse Probleme in der Bundesliga haben?
Oczipka: Ich glaube, dass es gar nicht so sehr am Weggang von Max Kruse liegt. Werder hatte gerade in der Defensive viele Verletzungssorgen. Bremen hat mit Florian Kohfeldt einen sehr guten Trainer mit einer guten Spielphilosophie. Das haben wir im letzten Jahr beim Pokal-Aus gegen Werder und in der Meisterschaft zu spüren bekommen. Da war Werder für uns nicht zu knacken. Auch, wenn sie jetzt gerade unten stehen, haben sie immer noch eine gute Mannschaft.
Was erwarten Sie am Samstag in Bremen?
Oczipka: Die Atmosphäre ist immer sehr speziell dort, die Fans sind nah am Spielfeld. Es macht sehr viel Spaß, dort zu spielen. Ziel ist es, unsere beste Leistung abzurufen und in Bremen zu gewinnen.