Sandhausen. Gerhard Kleppinger schoss Schalke einst regelmäßig zu Siegen über den BVB, dann ging er - nach Dortmund. Innerlich ist er Schalker geblieben.

Schon sein Profil-Foto bei WhatsApp weist Gerhard Kleppinger als echten Derby-Helden aus. Es zeigt den früheren S04-Profi in einer virtuellen Auswahl großer Schalker BVB-Bezwinger – an der Seite von Ikonen wie Olaf Thon, Klaus Fichtel, Ingo Anderbrügge, Ebbe Sand oder Naldo. Doch Kleppingers blau-weiße Vita bekam einen kleinen schwarz-gelben Fleck ab: Nach drei Jahren auf Schalke (1984 bis 1987) wechselte der gebürtige Hesse ausgerechnet nach Dortmund ...

„Da sind wir förmlich über die Dortmunder drüber gelaufen“

Gerhard … wer?, mag sich manch jüngerer Schalke-Fan heute fragen. Kleppinger, aktuell Co-Trainer beim Zweitligisten SV Sandhausen, war gleich dreimal entscheidend beteiligt, als Königsblau die Dortmunder aus dem Gelsenkirchener Parkstadion schoss: Beim 3:1 in der Saison 1984/85 besorgte der 1,86-Meter-Mann in der Schlussminute die endgültige Entscheidung. 1985/86, beim 6:1-Kantersieg der Knappen, markierte er kurz nach dem Wiederanpfiff das erlösende 1:0 und setzte später das 5:0 drauf. „In der 2. Halbzeit sind wir damals förmlich über die Dortmunder drüber gelaufen“, schwärmt Kleppinger im Gespräch mit der WAZ.

Das 2:1 war sein prägendstes Derby

Das schönste Derby für „Kleppo“ aber war der knappe 2:1-Heimsieg in der darauffolgenden Saison 1986/87: „Dieses Spiel war prägend für mich, weil wir es umgebogen haben: Nach rund einer Stunde lagen wir plötzlich durch ein Tor von Frank Pagelsdorf mit 0:1 hinten, aber dann ist mir dieser Doppelpack geglückt: das erste Tor per Kopf, das zweite kurz vor Schluss mit dem rechten Fuß.“ Und 44.500 Zuschauer im Parkstadion standen Kopf vor Jubel, die allermeisten zumindest.

In seinen drei Jahren auf Schalke erzielte Gerhard Kleppinger insgesamt fünf Tore gegen Schwarz-Gelb – nicht schlecht für einen Defensivspieler. Vielleicht war das auch der Grund, warum Dortmund den damals 29-Jährigen im Sommer 1987 für rund 750.000 Mark Ablöse vom finanziell kriselnden Revier-Rivalen loseiste. „Ich glaube schon, dass man sich beim BVB recht gut an meine Derby-Tore erinnern konnte“, sagt Kleppinger, „aber auch sonst hatten meine Leistungen auf Schalke meistens gestimmt. Der damalige BVB-Trainer Reinhard Saftig wollte mich unbedingt haben.“

Der Wechsel nach Dortmund war kein Volltreffer

Doch der Transfer sollte für keine der drei Parteien zum Volltreffer werden. Die Königsblauen, die in jenem Sommer fast eine komplette Elf verscherbelt hatten, gerieten ohne Stabilisator Kleppinger in den Abstiegsstrudel. „Kleppo“ wurde zwar auch in Dortmund uneingeschränkter Stammspieler, doch die großen Erwartungen des BVB konnte er nicht erfüllen. „Schon der Empfang dort war ziemlich unterkühlt, weil ich aus Schalke kam“, erinnert sich der gelernte Versicherungskaufmann. „Zudem hatte ich mich selbst ziemlich unter Druck gesetzt, das hat mich wohl zusätzlich belastet.“

Die Rückkehr nach Schalke verhinderte der Abstieg

Ein Derby-Treffer wollte Kleppinger im gelben Trikot auch nicht gelingen. „Eigentlich stand schon früh fest, dass ich Dortmund nach dem einen Jahr wieder verlassen würde“, erzählt er rückblickend: „Ich war mir mit Schalke bereits über eine Rückkehr einig, alles war besprochen.“ Doch dann geschah die Katastrophe: Die Knappen, die mit Olaf Thon, Winnie Hannes und Toni Schumacher immer noch große Namen in ihren Reihen hatten, stiegen 1987/88 ab – zum dritten Mal in ihrer stolzen Klubgeschichte.

Seine zweite Zeit auf Schalke: Gerhard Kleppinger als Trainer der Schalker Amateure.
Seine zweite Zeit auf Schalke: Gerhard Kleppinger als Trainer der Schalker Amateure. © WAZ | Martin Möller

Damit war auch eine erneute Kleppinger-Verpflichtung vom Tisch, denn der ehrgeizige Profi wollte im Sommer 1988 mit der deutschen Olympia-Auswahl zu den Spielen nach Seoul reisen. „DFB-Trainer Hannes Löhr hatte klipp und klar gesagt, dass er mit Ausnahme des langjährigen Kapitäns Rudi Bommer keine Zweitliga-Spieler nach Südkorea mitnehmen würde. Ich aber wollte mir den Sportler-Traum von Olympia unbedingt erfüllen, deshalb ging ich zu Bayer Uerdingen“, erzählt Kleppinger, der auf dem Heimflug von Seoul eine Bronzemedaille um den Hals trug.

Die ersehnte Rückkehr nach Gelsenkirchen glückte dem heute 61-Jährigen erst als Trainer: Im Jahr 2002 übernahm Kleppinger für drei Jahre die blau-weißen Amateure und führte diese von der Ober- in die Regionalliga. „Auch meine zweite Zeit auf Schalke war wunderschön und erfolgreich“, bilanziert der lizenzierte Fußballlehrer, der seit 2012 als Assistenz-Coach in Sandhausen arbeitet. 2017 feierte Kleppinger dort sogar ein sportliches Wiedersehen mit seinem FC Schalke 04: In der 3. Runde des DFB-Pokals siegten die Knappen bei den Badenern mit 4:1.

Am Derby-Samstag: Erst Training mit Sandhausen, dann 2:1 für Schalke

„Sandhausen kann man natürlich nicht mit Schalke vergleichen“, räumt Kleppinger ein. „Aber der SVS hat seine eigenen Qualitäten: Hier geht es sehr familiär zu, es herrscht eine große personelle Kontinuität und es gibt kurze Dienstwege. Ich fühle mich hier sehr wohl und kann mir gut vorstellen, dass ich beim SVS in Rente gehen werde.“ Das heißt aber nicht, dass sich der 287-malige Bundesliga-Spieler (für Darmstadt, Karlsruhe, Schalke, Dortmund und Uerdingen) gedanklich bereits von der Erstklassigkeit verabschiedet hat: „Wenn es uns in Sandhausen mal gelingt, unsere besten Spieler zu halten, halte ich es für möglich, dass wir in Richtung Bundesliga attackieren“, zeigt sich Kleppinger angriffslustig.

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Von Peter Müller, Sebastian Weßling und Christian Hoch

Am Derby-Samstag müssen seine Sandhäuser übrigens trainieren. „Die Einheit ist für Punkt 11 Uhr angesetzt“, weiß der lizenzierte Fußballlehrer aus dem Stegreif. Und: „Schalke gegen Dortmund wird um 15.30 Uhr angepfiffen, das heißt, ich kann mir die Partie in aller Ruhe vor dem Fernseher anschauen.“ Für wen sein Herz schlägt? „Für Schalke, weil ich dort einfach länger gespielt habe und in Gelsenkirchen zweimal eine sehr schöne Zeit erleben durfte.“

Auch beim Ergebnis-Tipp tendiert der frühere S04-Held zu Königsblau: „Die Schalker sind eigentlich gut drauf, deshalb tippe ich auf einen 2:1-Heimsieg.“ So wie damals, in der Saison 1986/87 – als Gerhard Kleppinger seinen zweiten Derby-Doppelpack schnürte.