Gelsenkirchen. Schalkes überraschender Höhenflug hat mehrere Gründe. Einer davon ist Amine Harit, der offenbar begriffen hat, dass er sich ändern muss.

Neue Saison, neue Freude: Bei Schalke 04 ist die Welt nach dem dritten Sieg in Serie unter Neu-Trainer David Wagner komplett in Ordnung. Mit zehn Punkten haben sich die Königsblauen in der noch jungen Saison 2019/2020 in die Spitzengruppe der Fußball-Bundesliga gearbeitet. Der Vorjahres-Vierzehnte strahlt endlich die Leidenschaft und Einsatzbereitschaft aus, die über weite Strecken der Vorsaison abhanden gekommen waren. Der späte 2:1-Sieg über Mainz 05 war der beste Beweis. Schalke, in den Schlussminuten durch lautes Klatschen von allen Tribünen angespornt, gab sich nicht mit einem Remis zufrieden.

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Amine Harit, der bereits das 1:0 durch Suat Serdar mit einem feinen Zuspiel eingeleitet hatte, schlenzte den Ball in der 89. Minute kunstvoll mit dem Außenrist zum Siegtor ins linke Eck. „Es war ärgerlich, dass wir die herausragende Leistung von Harit nicht besser verteidigen und mit leeren Händen nach Hause fahren mussten“, resümierte Gäste-Trainer Sandro Schwarz und stellte etwas zerknirscht fest: „Viele im Stadion dachten schon, wir könnten das Spiel komplett drehen.“

Nach dem Mainzer Ausgleich, der durch einen Kunstschuss des drei Minuten zuvor eingewechselten Österreichers Onisiwu fiel (75.), bekamen die Rheinhessen kurzzeitig Oberwasser und drängten auf das zweite Tor. Doch dann kam Schalkes Endspurt – und der Geniestreich von Harit. Erst das 3:0 über Hertha BSC, dann die 5:1-Offensivgala in Paderborn, nun der Malocher-Erfolg über Mainz – bei den Königsblauen hat sich ein Lauf entwickelt. Wie stark Schalke wirklich ist, wird sich am nächsten Samstag im Spitzenduell bei Titelaspirant RB Leipzig zeigen. „Jetzt ist es ein Top-Spiel. Wer hätte das vor der Saison gedacht“, meinte Schalkes Profi-Koordinator Sascha Riether – und musste dabei etwas schmunzeln. Mit der rasanten Positiv-Entwicklung hätten die Verantwortlichen, die im Sommer einen großen Umbruch einleiteten und vor allem das Team hinter dem Team komplett neu aufstellten, nie gerechnet. Riether will nicht zu früh in Euphorie verfallen. „Wir arbeiten hart weiter“, meinte er gegenüber DAZN.

Schalkes Sportliche Führung geht durchaus kritisch mit der Leistung aus dem Mainz-Spiel um. Gewonnen ja, gut gespielt? Nein. „Mit der Leistung können wir nicht zufrieden sein“, stellte Riether fest. „Wenn mir einer Frage gestellt hätte, wer schießt das nächstes Tor, dann hätte ich nicht gesagt, dass wir es sind“, meinte S04-Coach David Wagner. Der Ex-Huddersfielder bilanzierte: „Die zweite Hälfte war nicht gut, wir wirkten nicht frisch, waren sehr fahrig. Die Räume fürs Gegenpressing waren nicht da, Mainz hat es gut gespielt.“ Den ersten Durchgang fand Wagner dagegen noch okay. Mehr aber auch nicht. „Wir sind relativ gut reingekommen. Die erste Halbzeit war nicht super, aber in Ordnung. Wir wollten im 4-3-3 agieren gegen die Raute. Die zweiten Bälle haben wir sehr, sehr gut gewonnen“, stellte Wagner fest. Doch dann baute seine Mannschaft ab und verlor den Faden. Bis zur Endphase, in der plötzlich der unbedingte Wille zum Sieg aufflackerte. „Es war zum Schluss Energie im Stadion. Amine hat es toll gemacht, wir haben gewonnen“, so Wagner.

Ausgerechnet Harit. Der marokkanische Nationalspieler stand bei den Schalkern in der letzten Winterpause auf der Verkaufsliste, konnte seine Leistung einfach nicht mehr abrufen. David Wagner sah aber trotzdem die Chance, Harit wieder in die Spur zu bringen. Mit Erfolg. In der aktuellen Verfassung ist der 22-Jährige, der nach der Geburt seiner Tochter geerdet wirkt und seine Flausen offenbar über Bord geworfen hat, nicht aus dem Team wegzudenken. „Wir haben besprochen, dass seinem Spiel Effektivität fehlt und dazu die Defensivarbeit. Er ist da extrem rangegangen seit der Vorbereitung“, stellt Schalkes Trainer fest. Amine Harit wirkt wie verwandelt. Und ist jetzt ein gefühlter Neuzugang aus den eigenen Reihen.