Gelsenkirchen. Die Erwartungen beim FC Schalke 04 sind niedrig, dabei ist Europa gar nicht so weit weg. Amine Harit kann wie ein Neuzugang werden.

Die Vorbereitung ist vorbei, und Trainer David Wagner sagt: „Wir wissen, dass wir noch fernab von perfekt sind.” Sportvorstand Jochen Schneider hält es für normal, dass so kurz vor dem ersten Bundesliga-Spiel an diesem Samstag (18.30 Uhr) bei Borussia Mönchengladbach kaum Euphorie zu spüren ist. Droht Schalke also wieder eine freudlose Saison? Das muss nicht sein. Der Check vor dem Start.


Das Personal:
Nimmt man die reinen Zahlen bei den Zu- und Abgängen, ist der Umbruch bisher kleiner ausgefallen als geplant. Mit Breel Embolo (für gut zehn Millionen Euro zu Borussia Mönchengladbach), Ralf Fährmann (ausgeliehen an Norwich City), Sebastian Rudy (ausgeliehen an 1899 Hoffenheim), Cedric Teuchert (ausgeliehen an Hannover 96) und Jeffrey Bruma (zurück zum VfL Wolfsburg) sind nur fünf Spieler aus dem Vorjahres-Kader gegangen, dazu hat Sascha Riether seine Karriere beendet. Bislang wurden vier neue Spieler von außen geholt: Ozan Kabak (VfB Stuttgart/ 15 Millionen Euro), Benito Raman (Fortuna Düsseldorf/ zwölf Millionen Euro), Jonjoe Kenny (FC Everton/ 800.000 Euro Leihgebühr) und Markus Schubert (Dynamo Dresden/ ablösefrei). Dazu kommen mit Levent Mercan und Jonas Carls Talente aus dem eigenen Nachwuchs.

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Doch in Wahrheit ist der Umbruch größer: Nabil Bentaleb, Hamza Mendyl und Yevhen Konoplyanka spielen keine Rolle mehr; für sie werden noch neue Vereine gesucht. Im Gegenzug laufen weiter Bemühungen, noch einige Spieler dazuzuholen: Wahrscheinlich einen Stürmer und einen Linksverteidiger.


Ein heimlicher Gewinner: Mittelfeld-Talent Levent Mercan schickt sich an, sofort den Sprung von der U19 zu den Profis zu packen.
Ein heimlicher Gewinner: Mittelfeld-Talent Levent Mercan schickt sich an, sofort den Sprung von der U19 zu den Profis zu packen. © firo Sportphoto | firo Sportphoto/Marcel Engelbrecht

Gewinner und Verlierer: Amine Harit war der Gewinner der Vorbereitung: Nach einem für ihn persönlich schlimmen Jahr kann er wie ein Neuzugang werden. Aufgewertet wurden auch Omar Mascarell, den David Wagner zum Vize-Kapitän machte, und Suat Serdar, von dem der Trainer sehr viel hält. Der heimliche Gewinner ist aber Levent Mercan, der sich anschickt, sofort den Sprung von der U19 zu den Profis zu schaffen – vorgesehen war er für die U23. Die größten Verlierer wurden bereits aussortiert: Vor allem die Combo Bentaleb/ Mendyl/ Konoplyanka, aber auch Rudy. Im aktuellen Kader muss sich aber auch Bastian Oczipka Gedanken machen, wenn Schalke noch einen neuen Linksverteidiger holt.

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Die Probleme zum Start: Es gibt eine ellenlange Verletztenliste, die von Ozan Kabak angeführt wird – ausgerechnet vom teuersten Neuzugang. Kabak verletzte sich am zweiten Trainingstag und fehlt bis in den September. Weil auch Afrika-Cup-Teilnehmer Salif Sané nach seinem Urlaub noch kein einziges Testspiel bestritten hat, ist das Personal in der Innenverteidigung knapp. Es geht nur mit Benjamin Stambouli und Matija Nastasic, der aber in der Vorbereitung nur schwer in Schwung kam. Dazu fehlt es der Mannschaft noch an Selbstvertrauen (nach der miesen Vorjahres-Saison) und an Sicherheit (nach der Umstellung auf das Pressing-System von Wagner).

Die teuersten Neuzugänge: Benito Raman (links) soll für Tempo in der Offensive sorgen. Ozan Kabak fehlt dagegen noch verletzt.
Die teuersten Neuzugänge: Benito Raman (links) soll für Tempo in der Offensive sorgen. Ozan Kabak fehlt dagegen noch verletzt. © firo Sportphoto | firo Sportphoto/ Jan Fromme

Der Trainer spürt die Fortschritte, die das Team in sieben Trainingswochen gemacht hat. Aber das Startprogramm mit den Spielen in Mönchengladbach und gegen die Bayern ist extrem happig – da gilt es, die Köpfe unabhängig von den Ergebnissen oben zu behalten.


Der Trainer: David Wagner steht wieder für einen Neuanfang – wie jeder Trainer auf Schalke (er ist der fünfte seit 2015 nach André Breitenreiter, Markus Weinzierl, Domenico Tedesco und Interims-Lösung Huub Stevens). Dass Wagner Schalke mutig spielen lassen will, offensiv verteidigen und pressen lassen und dann schnell nach vorne, ist ein schöner Plan. Aber: Auch Tedesco hat vor einem Jahr vor dem ersten Spiel nicht gesagt, dass Schalke den Mannschaftsbus zur Verteidigung ins Tor stellen will. Letztlich muss es die Mannschaft auf dem Platz umsetzen und sich über Ergebnisse die Sicherheit für das mutige Spiel holen, das der Trainer verlangt. Man sollte die Erwartungen an Wagner also nicht überhöhen – gerade in der Anfangsphase der Saison nicht.

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Das Umfeld: Schalke nimmt die Causa Tönnies und die schlechte Stimmung aus dem Vorjahr mit in die neue Saison – beides sind potenzielle Unruhe-Herde. Auf der anderen Seite konnte Wagner zuletzt fast in Ruhe arbeiten, weil sich alle Welt mehr für „CT” interessierte als für den Fußball auf Schalke.


Die Prognose: Schalke liefert selten das, was alle erwarten – das war nicht nur im Vorjahr so, als man sich nach dem zweiten Platz 2018 oben etablieren wollte. Auch 2007 und 2010 ging’s nach der Vize-Meisterschaft bergab. Nach oben gekommen ist Schalke häufig dann, wenn man der Mannschaft nichts zugetraut hat. Jetzt hat Schalke wieder so eine Situation, in der es eigentlich nur besser werden kann, wenn das im Vorjahr brachliegende Potenzial bei einigen Spielern (etwa Amine Harit) aktiviert werden kann. Und weil es in der Bundesliga hinter den Top vier (Bayern, Dortmund, Leipzig, Leverkusen) verdammt eng zugehen wird, kann Schalke durchaus wieder Kontakt zu den Europa-League-Plätzen bekommen.

Der Verein will sich überhaupt nicht festlegen: Es gibt kein Saisonziel, das an einem Tabellenplatz festgemacht werden kann.