Monte Carlo. Hans Sarpei war bei der Verleihung der Laureus World Sports Awards zu Gast. Wir haben uns mit ihm über die Situation auf Schalke unterhalten.
Hans Sarpei hatte eine lange Nacht. Als Gast bei der Verleihung der Laureus World Sports Awards in Monacos Hauptstadt Monte Carlo feierte der frühere Schalker bis weit nach Mitternacht auf der After Show Party. Ob am Kicker gegen Tischfußball-Weltmeister Chris Marks aus Frankfurt oder auf der Tanzfläche – als ehemaliger Profifußballer und Sieger der RTL-Show „Let’s Dance“ hatte Hans Sarpei bei beidem Spaß. Vorher fand der 42-jährige Kölner aber Zeit für ein Gespräch.
Herr Sarpei, Sie spielten von 2010 bis 2012 beim FC Schalke, sind noch immer bei den Fans beliebt. Verfolgen Sie noch, was der Klub macht?
Hans Sarpei: Natürlich verfolge ich Schalke. Das ist mein Verein, dem ich verbunden bin – gerade wegen der Fans. Da schaut man schon hin, was so passiert. Momentan sieht es ja nicht so gut aus…
Schalke steht in der Bundesliga auf Platz 14. Woran liegt das?
Sarpei: Wahrscheinlich wollen sie sich auf die Champions League konzentrieren (lacht). So haben wir das damals auch gemacht.
Das war in der Saison 2010/2011…
Sarpei: Da lief es in der Bundesliga auch nicht so gut, aber wir sind ins Halbfinale der Champions League eingezogen und haben den DFB-Pokal gewonnen. Darauf haben wir die volle Konzentration gelegt. Ich hoffe, es wird wieder so ausgehen.
Ein erster Schritt könnte heute gemacht werden. Schalke empfängt Manchester City im Achtelfinale (21 Uhr/DAZN). Wie stehen die Chancen?
Sarpei: Es wird schwer. Ich werde auch da sein und es mir im Stadion anschauen. Aber natürlich: Schalke ist Außenseiter, es rechnet keiner damit, dass sie überhaupt was holen. Aber da liegt die Chance. City spielt in der Liga momentan auch nicht überragend. Die Schalker müssen versuchen, ihre Chance zu nutzen.
Woran müssen Sie sofort denken, wenn Sie sich an Ihre Zeit auf Schalke erinnern?
Sarpei: Ganz klar: Das Viertelfinal-Rückspiel in der Champions League. 5:2 in Mailand: Inter rausgekickt. Da hatte keiner drauf gewettet. Das bleibt immer der erste Moment, an den ich denke. Und dann noch der Pokalsieg gegen den MSV Duisburg. Dabei war es in der Meisterschaft eine Katastrophe.
Schaut man auf die Mannschaft von damals findet man neben Ihrem Namen wie Manuel Neuer, Christoph Metzelder, Raúl, Jefferson Farfan, Klaas-Jan Huntelaar oder Benedikt Höwedes. Fehlt Schalke heute eine Identifikationsfigur.
Sarpei: Es stimmt schon: Es gibt keinen Spieler mehr, bei dem man denkt: Das Trikot will ich haben, den himmeln alle an. Es gibt keinen großen Star mehr. Das hat aber auch viel mit Christian Heidel zu tun.
Welchen Einfluss hat er als Manager?
Sarpei: Ich glaube, er achtet ganz genau darauf, dass er nicht zu viel Geld ausgibt, dass er keinen Spieler holt, der am Ende zu viel Macht hat. Es hat sich ein kleines Gerüst auf Schalke entwickelt und das will er nicht ins Wanken bringen durch einen, der ausbricht, vielleicht Starallüren hat. Aber Schalke, Schalke braucht eine Person, mit der sich die Fans identifizieren können. Oder eine Reizfigur, bei der man eine Hassliebe spürt. Sowas braucht Schalke. Oder man hätte diese jungen Spieler, die auf Schalke groß geworden sind, halten müssen. Wenn Leroy Sané, Leon Goretzka oder Max Meyer geblieben wären, dann bräuchtest du keinen großen Star. Dann hättest du außergewöhnliche Jungs, die Identifikationsfiguren waren, weil sie schon aus der eigenen B-Jugend kamen.
Leroy Sané kommt heute mit Manchester City zurück nach Schalke. Was hat er für einen Empfang zu erwarten?
Sarpei: Er hat ja nichts Böses gemacht als er gewechselt ist. Er wollte sich weiterentwickeln und das hat er auch durch diesen Schritt getan. Er wird nicht ausgepfiffen werden wie zum Beispiel ein Manuel Neuer. Ich glaube, sie werden ihn zwar nicht feiern, aber doch willkommen heißen. Für ihn wird das auch emotional sein, zu Hause zu spielen, da, wo er alles erlernt hat.
Das denkt Hans Sarpei über Schalke-Trainer Domenico Tedesco
Warum denken Sie tut sich Schalke in dieser Saison in der Liga so schwer?
Sarpei: Naja, du bist vorher Vizemeister geworden. Mehr geht nicht, denn die Meisterschaft werden wir ja nicht holen (lacht). Also konnte es nur schlechter werden. Dass es gleich so schlecht wird – damit hat keiner gerechnet. Ein Teil ist auch, dass die Abgänge wie Goretzka unterschätzt wurden – die als Ersatz geholten Spieler konnten einfach noch nicht einschlagen. Ein anderer Teil liegt darin, dass du als Vizemeister das Spiel selber machen musst. Schalke hat das Jahr zuvor zu 90 Prozent nur reagiert, defensiv gespielt, daraus Torchancen erspielt und auch die Tore gemacht. Jetzt ist das komplett anders, du musst das Spiel machen. Und das kriegt die Mannschaft gar nicht hin.
Welche Rolle spielt da der Trainer?
Sarpei: Ich weiß nicht, ob Domenico Tedesco da eine Lösung hat, den Spielern zu vermitteln, wie sie offensive Möglichkeiten besser nutzen. Er ist selber noch im Prozess. Er ist ein junger Trainer, lernt noch viel hinzu.
Warum fehlt Schalke momentan die Kontinuität?
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Sarpei: Die Mannschaft ist irgendwie keine richtige Mannschaft. Es fehlt eine Struktur von Leadern, man weiß nicht, wer der Kopf ist, wer eine Führungsposition hat. Dann hat Tedesco auch noch seinen Kapitän Ralf Fährmann rausgenommen. Da bricht dann alles zusammen. Man weiß nicht: Wer hat was zu sagen? Lange Zeit war das ganz klar der Torwart. Der junge Alexander Nübel ist auch sehr gut, aber er geht ja nicht als Anführer voran wie Fährmann. Mit der Aktion hat Tedesco endgültig alles umgeworfen. Natürlich sucht er auch nach Lösungen, aber so sieht es nach Chaos auf dem Platz aus. Man merkt: Tedesco versucht alles, hat aber noch nicht die elf Spieler gefunden, die zusammenpassen, die eine Mannschaft formen. Goretzka war der, der offensiv und defensiv alle zusammengehalten hat. Der heimliche Boss.
Hätten Sie selbst gerne unter Tedesco gespielt?
Sarpei: Ich glaube, es wäre schwierig geworden für mich. Ich war schon ein älterer Spieler, da will man auch seine Meinung kundtun. Ich glaube aber, Tedesco ein Trainer ist, der nicht unbedingt damit leben kann, wenn er Kritik bekommt. Nach außen tut er zwar so, als würde er die Kritik der Spieler annehmen, aber ich habe das Gefühl, dass er intern seinen Stiefel machen will und ihn da keiner angreifen darf.
Also will er gar keine Führungsspieler?
Sarpei: Ich glaube nicht, dass er einen Führungsspieler haben will, der schon 28 ist und was zu sagen, auch Macht hat. Ich glaube, dass er gerne mit jungen Spielern arbeitet, weil er die entwickeln, in sein Raster schieben kann. Mit älteren Spielern ist das schwierig. Du musst eine Position für sie finden und sie nicht mehr verändern. Es fällt auf, dass viele junge Trainer auch lieber mit jüngeren als mit älteren Spielern zusammen arbeiten.
Tut sich Tedesco deshalb so schwer mit Sebastian Rudy? Er ist 28 Jahren alt.
Sarpei: Das kann sein. Aber Rudy ist eigentlich ein ruhiger Spieler. Ich hätte auch erwartet, dass er Alarm macht, nachdem er nach 33 Minuten bei seinem Ex-Verein Bayern München ausgewechselt wurde.
Die Debatte um das mutmaßliche Missverständnis Rudy: Was macht das mit der Mannschaft?
Sarpei: Zunächst ist er ein normaler Mitspieler. Klar, er kam von Bayern, das Tamtam war etwas größer. Auch weil es in Tauziehen zwischen RB Leipzig und Schalke war. Er hat sich aber am Ende für Schalke entschieden. Vielleicht bereut er das jetzt auch – das weiß man nicht (lacht).
Weil er die Dynamik des Vereins unterschätzt hat?
Sarpei: Ganz genau. Jetzt sieht man, dass er vielleicht nicht unbedingt ins System passt. Dabei finde ich, dass er ein super Spieler ist. Wenn er bei der WM fit gewesen wäre, wäre Deutschland sicher weitergekommen, weil er Stabilität reingebracht hätte. Ich glaube aber nicht, dass die anderen Spielern auf Schalke sich Gedanken machen wie: Der arme Rudy, er kommt nicht in den Tritt. Jeder hat genug mit sich selber zu tun. Rudy muss das am Ende mit sich selber ausmachen.
Schafft er es noch?
Sarpei: Weiß ich nicht. Es ist schon hart nach 33 Minuten gegen den Ex-Verein ausgewechselt zu werden, ohne dass du einen krassen Fehler gemacht hast oder der schlechteste auf dem Platz warst. Das ist schon krass, weil du dann auch an dir selber zweifelst. Ob Tedescos Aussage, es sei eine taktische Entscheidung gewesen, so stimmt oder so clever war, weiß ich auch nicht genau. Für ihn als Trainer wird es dadurch nicht einfacher.
Warum?
Sarpei: Er setzt sich mit solchen Aktionen selber unter Druck. Wenn du verlierst, in der Tabelle nicht gut dastehst, vielleicht in der Champions League ausscheidest, und solche Spieler auf der Bank sitzen hast, machst du dich angreifbar. Die Leute fragen dann: Woran liegt es? Kriegt der Trainer das nicht hin oder liegt es wirklich nur an dem Spieler?
Wann wird es soweit sein?
Sarpei: Ich glaube, es kommt immer auf die Ergebnisse an. Wenn es so bleibt wie momentan, kann Tedesco sich vielleicht noch bis zum Ende der Saison retten. Wenn du aber in der Champions League, in der Liga, wieder in der Champions League und wieder in der Liga verlierst, dann bekommst du Probleme. Aber ich würde die Situation generell nicht so kritisch sehen. Letzte Saison hat alles gepasst: die Mannschaft, die Spieler, das System. Jetzt verlierst du auch Spiele in letzter Sekunde, die du vielleicht letzte Saison gewonnen hättest. Hoch und tief sind dann extrem. Aber es ist nicht so, dass man jetzt über den Trainer nachdenken sollte. Man muss ihm die Zeit geben. Es ist auch ein Jahr für ihn, um zu lernen. Um nächstes Jahr dann wieder anzugreifen. Wenn es dann nicht läuft, kann man immer noch gucken.
Werden wir irgendwann die Schlagzeile lesen: Hans Sarpei wird Trainer auf Schalke?
Sarpei: (lacht) Nee, das denke ich nicht.
Niemals?
Sarpei: Ich würde niemals nie sagen. Aber wenn alles normal läuft, wird Domenico Tedesco noch lange auf Schalke bleiben – und ich habe ja auch gar keinen Trainerschein (lacht).