Wien/ Gelsenkirchen. . Johann Fenzel fährt zu jedem Schalke-Spiel – aus Wien. Pro Jahr sitzt er dafür 400 Stunden im Auto. Einmal mit den Umzugskisten von Mike Büskens.

Ein Wochenende lang mal so richtig ausspannen? Das geht bei Johann Fenzel allenfalls in der spielfreien Zeit. Während der Saison verbringt der 49-jährige Schalke-Fan seine Samstage und Sonntage größtenteils hinterm Lenkrad, auf der Autobahn zwischen Wien und Gelsenkirchen. Trotz der rund 1 900 Kilometer für Hin- und Rückweg ist der Ur-Wiener ein so genannter Fast-Allesfahrer. In der vorletzten Saison sah er 26 Pflichtspiele der Königsblauen live in der Kurve und legte dafür mehr als 50 000 Kilometer zurück. „An guten Tagen brauche ich zu einer Heimpartie ungefähr acht Stunden – pro Strecke“, verrät Fenzel. An weniger guten Tagen können es leicht elf oder zwölf Stunden werden. „A bissl verrückt ist das schon, das geb’ ich zu“, grinst der Leiter eines Messergeschäfts gleich neben dem Wiener Stephansdom. „Wenn Schalke am Sonntagabend spielt, kann es passieren, dass ich gerade rechtzeitig zur Ladenöffnung am Montagmorgen wieder zurück bin.“

Johann Fenzel reist bereits seit 1984 regelmäßig zu den Auftritten seines FC Schalke 04. Er ist natürlich nicht der einzige Knappen-Anhänger aus Österreich, aktuell gibt es jenseits der Grenze weit über 500 S04-Mitglieder und etwa 20 offizielle beziehungsweise inoffizielle Fanclubs. Doch insbesondere während der Schalker Zweitliga-Zeiten in den 80er- und 90er-Jahren waren Johann und sein Bruder Karl noch echte Exoten. Und auch heute sorgt Fenzel regelmäßig für staunende Gesichter, wenn er unweit der Veltins-Arena seinen Wagen abstellt. Dessen Kennzeichen lautet nämlich: „W“, für Wien - „GE 1904“. „Darauf werde ich natürlich sehr oft angesprochen. Sowohl in Österreich als auch in Deutschland wollen die Leute Selfies mit dem Nummernschild machen.“ In Wien wird Fenzel regelmäßig gefragt, ob er das Kennzeichen nicht verkaufen wolle. Seine Antwort ist immer dieselbe: „Niemals!“

Mitunter hat Johann Fenzel auf seinen Touren natürlich auch Passagiere an Bord – seinen Bruder oder gute Freunde und Bekannte aus Österreich, die ebenfalls vom Schalke-Virus befallen sind. Manchmal führt er auch wertvolle Fracht mit: Als Mike Büskens im November 2016 seinen Trainerjob bei Österreichs Rekordmeister Rapid Wien verloren hatte, bat Schalkes „Eurofighter“ den alten Bekannten Fenzel, sein Wiener Appartement auszuräumen und das persönliche Hab und Gut bei nächster Gelegenheit nach Gelsenkirchen zu bringen.

Nach dem Uefa-Cup-Triumph hat er mit Büskens auf dem Rasen gefeiert

Für Fenzel war dies keine Frage: „Den Mike kenne ich mittlerweile seit über 20 Jahren. Nach dem UEFA-Cup-Sieg 1997 habe ich mit ihm im Mailänder Meazza-Stadion auf dem Rasen gefeiert“, verrät der Super-Fan, der in Verein und Umfeld bekannt ist wie ein bunter Hund.

Gut 20 Jahre nach Mailand ist der Anhänger aus der Alpenrepublik noch immer in Sachen Blau und Weiß unterwegs. In der Zwischenzeit hat sich Fenzel nicht nur eine Reihe von S04-Tattoos unter die Haut malen lassen, sondern auch viele Freundschaften zu Schalkern aus aller Welt geknüpft. „Ich freue mich jedes Mal, wenn ich in der Arena oder auswärts bekannte Gesichter treffe“, erzählt der Hüne, der etwa eineinhalb Stunden vor jedem Heimspiel an der 1000-Freunde-Mauer anzutreffen ist. Manchmal hat er dann ein besonders großes Fan-Utensil im Gepäck: die 10x2 Meter große Zaunfahne des Fanclubs „Wien-Ingolstadt“, den Fenzel, sein Bruder und einige S04-Fans aus der Audi-Stadt vor 17 Jahren gegründet haben. Bis vor kurzem war Fenzel auch auf Facebook äußerst aktiv und versorgte die Seite seines Fanclubs regelmäßig mit Videos aus der Schalker Fankurve sowie mit brandaktuellen Neuigkeiten. Doch dieses Hobby will er nun aufgeben: „Es ist einfach zu zeitaufwendig geworden.“

Seine Wohnung ist wie ein kleines Schalke-Museum

Auch sonst überlegt Johann Fenzel, es demnächst etwas ruhiger angehen zu lassen. Das heißt nicht, dass er auf die langen Reisen an den Schalker Markt verzichten will, aber: Für die Zukunft will er sich eine kleine Wohnung in Gelsenkirchen suchen. „Am liebsten in Buer oder in Erle – und gerne mit Lift und Balkon“, sagt er. „Wenn ich hier eine Bleibe habe, kann ich vor und nach den Spielen in Gelsenkirchen übernachten und muss die Trips mit Hinfahrt, Spiel und Rückfahrt nicht immer in rund 20 Stunden herunterreißen.“

Außerdem könnte Fenzel so mehr Zeit für sein zweites großes Hobby aufwenden – auch das dreht sich nämlich um den FC Schalke 04: „Ich sammle historische Stücke aus der königsblauen Vereinsgeschichte“, verrät er. Dazu zählen Eintrittskarten von den Schalker Finalspielen um die Deutsche Meisterschaft in den 30er-, 40er- und 50er-Jahren, alte Stadionhefte, Fotografien und andere Stücke. „Teilweise habe ich die Sachen direkt aus den Nachlässen ehemaliger Schalker Meisterspieler erworben“, erzählt der gelernte Kaufmann stolz. Einige von Fenzels seltensten Fundstücken, darunter ein historisches Sonderheft zum 25-jährigen Vereinsjubiläum sowie die Fußballschuhe von Torwart Hans Klodt aus dem Meisterschafts-Endspiel von 1939 (9:0 gegen Admira Wien), sind mittlerweile sogar im königsblauen Vereinsmuseum zu bestaunen.

Für die Schalker Gegenwart hofft Fenzel eigentlich nur, dass alles so weiterläuft wie zuletzt: „Weiter so eine Ruhe im Verein, weiter diese Geduld bei den Fans, weiter diesen tollen Support – und irgendwann in der Zukunft auch mal die achte Deutsche Meisterschaft.“ Wenn all diese Wünsche in Erfüllung gehen, dann sind die weit über 400 Stunden pro Saison, die Johann Fenzel auf der Autobahn verbringt, vor allem eines: gut investierte Zeit. Und ausspannen kann man ja in der Saisonpause.