Gelsenkirchen. . Der Schalker Amine Harit hat bis vor einem Jahr noch für Frankreich gespielt - mit Marokko trifft er bei der WM nun auf Portugal und Ronaldo.
„Oh nein”, sagt Amine Harit und schlägt die Hände über dem Kopf zusammen: Ein Spiel gegen Frankreich muss er nicht unbedingt haben – auch nicht bei dieser WM. Schalkes kleiner Wirbelsturm ist in Frankreich geboren, hat bis zum vergangenen Jahr 25 Länderspiele für die Nachwuchsteams der Equipe Tricolore bestritten und als Höhepunkt 2016 die U19-Europameisterschaft gewonnen – in einer Elf mit Frankreichs Jungstar Kylian Mbappé.
Bei der Weltmeisterschaft in Russland aber spielt Amine Harit für Marokko – und trifft an diesem Mittwoch (14 Uhr/ ARD) auf Portugal mit Superstar Cristiano Ronaldo. Für den erst 21 Jahre jungen Schalker das bisher vielleicht größte Spiel seiner Karriere.
Die nächsten WM-Auftritte der Schalke-Spieler
Die drei anderen Schalker WM-Teilnehmer müssen auf das zweite Spiel ihrer Nationalmannschaft bei der WM in Russland noch warten. Marko Pjaca ist mit Kroatien am Donnerstag (20 Uhr) an der Reihe: Dann geht es in der Gruppe D gegen Topfavorit Argentinien (live im ZDF). Pjaca wurde beim ersten Gruppenspiel der Kroaten gegen Nigeria (2:0) kurz vor Schluss eingewechselt.
Breel Embolo wurde beim starken 1:1 der Schweizer gegen Brasilien ebenfalls eingewechselt. Nun geht es am Freitag (20 Uhr, ZDF) gegen Serbien. Eigentlich hatte sich Embolo hier auf das Duell mit seinem Schalker Teamkollegen Matija Nastasic gefreut, doch der wurde nach seinem Kreuzbandanriss bekanntlich nicht rechtzeitig fit.
Am Samstag (20 Uhr/ ARD) spielt Deutschland schließlich gegen Schweden – und dann hofft auch der beim 0:1 gegen Mexiko nicht berücksichtigte Leon Goretzka auf seinen ersten Einsatz bei der WM. Goretzka gilt als möglicher Kandidat, wenn Joachim Löw die deutsche Elf nach der enttäuschenden Auftakt-Pleite umbauen sollte.
Schalkes Fans können also an den kommenden WM-Tagen jeweils einen S04-Spieler live im Fernsehen verfolgen. (MH)
Amine Harit ist ein Spieler zwischen zwei Ländern: Hier Frankreich – das Land, in dem er aufgewachsen ist und das Fußballspielen erlernt hat. Dort Marokko – das Land seiner Eltern, dem er sich verbunden fühlt. Vor der Abreise zur WM hat er im Gespräch mit der WAZ beschrieben, wie viel marokkanische Mentalität in ihm steckt und wie viel französische: „Es ist wohl Fifty-Fifty – weil ich in Frankreich geboren bin“, sagt Harit und erklärt: „Ich habe die meiste Zeit meines Lebens in Frankreich verbracht, in Paris, in Nantes. Deswegen steckt viel Französisches in mir, aber meine Eltern haben mich marokkanisch erzogen. Ich spreche sehr gut Marokkanisch, meine Eltern und meine Geschwister auch. Jetzt spiele ich auch für Marokko Fußball und gebe in der Nationalmannschaft alles für dieses Land, aber ich werde Frankreich niemals vergessen, weil ich meine Kindheit dort verbracht habe.”
Der Grund für den Wechsel liegt auf der Hand
Im vergangenen Herbst, Harit war gerade erst wenige Monate auf Schalke, hat sich der Offensivspieler für den Wechsel der sportlichen Nationalität entschieden. Ein Grund liegt auf der Hand: Bei Frankreich hätte er es kaum in den WM-Kader geschafft, in Marokko waren die Chancen größer. Bisher hat es sich gelohnt: Nach seiner starken Saison auf Schalke bekam er das Ticket nach Russland, feierte im ersten Spiel der Marokkaner gegen den Iran (0:1) gleich seine WM-Premiere – und wurde sogar zum „Spieler des Spiels” gewählt. Allerdings droht nach der Niederlage nun bereits das Aus nach der Vorrunde, weil die beiden weiteren Gegner Portugal und Spanien heißen. „Wenn wir da das Achtelfinale erreichen würden, wäre es ein riesiger Erfolg für unser Land”, sagt Harit – nach der Start-Niederlage jetzt fast eine Mission Impossible.
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Für Amine Harit ist mit der WM-Teilnahme aber schon ein Traum wahr geworden. Der ehrgeizige Schalker kann sich auf der Bühne der Besten präsentieren – er möchte auch einmal ein Star werden, der viel Geld wert ist und im Mittelpunkt steht. Dieser Wunsch hat mit seiner Herkunft zu tun: Harit ist in bescheidenen Verhältnissen aufgewachsen, der Fußball hat ihm die Möglichkeit zum sozialen Aufstieg gegeben. Dass er es zum Profi geschafft hat, empfindet er als Privileg. Aber noch fühlt er sich mit seinen erst 21 Jahren nicht als Star – das sind für ihn nur Spieler wie Ronaldo oder Messi. Und gegen diesen Ronaldo darf er nun bei der WM spielen – es hat sich gelohnt für den Jungen zwischen zwei Ländern.
„Die Marokkaner können Niederlagen nicht ertragen“
Der WAZ hat Harit verraten, was aus seiner Sicht typisch für Marokko ist – und was für Frankreich steht. „Die Marokkaner können es überhaupt nicht ertragen, zu verlieren“, hat Harit geantwortet: „Wenn zum Beispiel eine Mannschaft von 20 Spielen mal eine Partie verliert, dann ist das schlimm, dann sind alle total verärgert.“ In Frankreich sei es dagegen so: „Wenn man viel gewonnen hat, dann ist es auch okay, wenn man ein-, zweimal verliert.“ Dies sei eine Sache der Mentalität.
Ein WM-Duell zwischen beiden Ländern ist unwahrscheinlich, theoretisch wäre es im Viertelfinale möglich, doch Harit muss diesen inneren Konflikt nicht haben. „Aber wenn es so sein würde“, sagt er, „dann würde ich nicht an Frankreich denken. Wenn ich dann ein Tor schießen würde, würde ich auch ganz normal jubeln.“