Gelsenkirchen. . Schalke-Trainer Domenico Tedesco legte sich selten auf ein System fest, sondern passte sich der Spielweise des Gegners an und variierte häufig.

In seiner ersten Saison hat Trainer Domenico Tedesco die Schalker auf Platz zwei der Bundesliga geführt – die beste Endplatzierung seit 2010. Doch die Bundesliga war angeschlagen und die Schalker Konkurrenz schwächer als in den Jahren zuvor.

Sicher kann man Domenico Tedesco daraus keinen Vorwurf machen, doch ebenso sicher scheint, dass Schalke von der Schwäche der anderen profitierte. „Um die Saisonleistung einzuordnen, muss man schauen, wie Schalke wirklich gespielt hat“, sagt WAZ-Gastautor Jakob Debelka vom Portal Halbfeldflanke.de. Und hat das getan.

Grob lässt sich die Saison in fünf Phasen aufteilen. Zu Beginn gab es formativ hauptsächlich das 3-4-3-System zu sehen. Schalke definierte sich vor allem über starkes und kompaktes Pressing und Gegenpressing. Die Stärke lag zu diesem Zeitpunkt vor allem darin, wie gut die Königsblauen die Kompaktheit hielten. Jedes Herausrücken wurde abgesichert und wenn das Pressing mal ins Leere lief, orientierten sich die Spieler sofort neu und besetzten flexibel die Räume.

Nur der FC Bayern München und Hannover 96 schafften es in der Hinrunde, Schalke vor allem über die Flügel zu knacken, weil die Flügelläufer noch nicht perfekt abgesichert waren. Offensiv kam Schalke vor allem über schnelle Konter, Vertikalpässe der Innenverteidiger und über die technischen Fähigkeiten der Sechser, die das gegnerische Pressing auf sich zogen und so Räume für die Flügelläufer öffneten.

Meyer etablierte sich als Sechser

Beim 0:2 gegen die TSG Hoffenheim zeigte Schalke dann zum ersten Mal mehr eigenes Ballbesitzspiel. Dabei ließ sich häufig einer der vorderen Akteure fallen, während ein tieferer Spieler in die Zone nachstieß. Im Folgenden zeigten die Schalker mehr tiefe, abgesicherte Ballzirkulation, aus der dann nach obigen Schema wieder Schnellangriffe gespielt wurden. In dieser Phase etablierte sich Max Meyer als Sechser, der mit seiner Spielintelligenz die defensive Rolle erfüllen konnte und mit seiner Technik und Übersicht die Ballzirkulation ermöglichte – Tedesco führte das 3-1-4-2-System ein.

Schalke stand zumeist defensiv recht sicher und war offensiv nie ungefährlich – quasi kontrollierte Offensive. In der ersten Halbzeit im Derby funktionierte allerdings gar nichts. Schalke ging im Pressing zu viel Risiko und der BVB schlug zu. 0:4 stand es zur Pause. Ein ganz anderes Bild in der zweiten Hälfte, als offensiv flüssig und einsatzfreudig gespielt wurde. Der Lohn: das verrückte 4:4. Ohne wirklich dominantes Ballbesitzspiel ließ sich dieses Offensivspektakel jedoch nicht in jedem Spiel umsetzen. Die Hinrunde schlossen die Schalker auf dem zweiten Tabellenplatz ab.

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In der Winterpause ließ Domenico Tedesco dann wohl vermehrt das Offensiv-Spiel trainieren. Er setzte allerdings weniger auf sehr bewegliche Totaloffensive wie in der zweiten Halbzeit gegen Dortmund, sondern eher auf die Überladung bestimmter Räume, aus denen dann wieder Tempoangriffe erfolgten. Bei der Niederlage zum Rückrundenstart in Leipzig funktionierte das gar nicht so schlecht, bis dann Amine Harit etwas die Geduld verlor und Schalke ausgekontert wurde. Die Leistung der ersten vier Spiele der Rückserie war nicht schlecht, doch dank fehlender Stabilität und auch etwas Pech brachten sie den Schalkern nur vier Punkte ein.

In Hamburg mit der Raute

Auswärts bei den Bayern setzte Tedesco erstmals auf das 3-4-1-2 mit Franco Di Santo als Zehner. Defensiv wurde sehr aggressiv gepresst und offensiv wurde die Physis der vorderen drei fokussiert. In den folgenden Wochen überwältigte Schalke mit dieser extrem kraftvollen Spielweise Gegner um Gegner. Auch die Flügelläufer wurden im Pressing nun besser und höher eingebunden und Schalke gelangen gefährlichere Balleroberungen. Diese Spielweise war nicht allzu elegant, aber schwer auszuhebeln, wenn auch sehr abhängig von Franco Di Santo.

Gegen Ende der Rückrunde wechselte Domenico Tedesco noch einmal sehr flexibel zwischen Formationen und Spielstilen hin und her. Teilweise wurde abwartend verteidigt, teilweise sehr hoch gepresst, offensiv teilweise die Konter fokussiert, teilweise auch zweite Bälle oder Schnellangriffe aus der Tiefe. Von der Formation her gab es in der Phase 3-1-4-2, 3-4-1-2, 3-4-3 und in der zweiten Halbzeit bei der Niederlage in Hamburg sogar eine Raute zu sehen. Nicht alle Umstellungen gingen perfekt auf, doch die hohe Flexibilität half Schalke die gute Saison über die Ziellinie zu bringen.

Schalke zeigte also durchaus viele verschiedene Ansätze, wenn es auch im guten Pressing und dem stets auf Absicherung bedachtem Offensivspiel gewisse Konstanten gab. Doch diese Basis nutzte Tedesco, um den verschiedenen Anforderungen und Problemen im Saisonverlauf und auch in jedem einzelnen Spiel mit sehr unterschiedlichen Ansätzen zu begegnen. Auf diese Anpassungsfähigkeit werden die Fans sich auch in der nächsten Saison verlassen können, doch was vermag Tedesco langfristig auf Schalke aufzubauen?